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Weihnachten mal anders

© Holger Bernhardt


Als die Packung mit den Sardinen beim Öffnen aufsprang, kamen ein paar Spritzer auf ihr Kleid. Sie schob die Dose auf den Tisch, entschuldigte sich, fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und suchte sich ein neues Kleid aus. Dann fuhr sie herunter. Auf Sardinen hatte sie plötzlich keine Lust mehr. Sie trank ein Glas Champagner. Er war einfach zu warm, fand sie.
Aber wie sie so in der Möbelabteilung saß bei Kerzenlicht, denn der Strom war diese Nacht abgedreht, da fühlte sie sich fast wohl. Keine Hektik, keine Betriebsamkeit. Noch vor wenigen Stunden hatten sich die Kunden durch die Regalreihen auf der Suche nach dem letzten Geschenk geschoben. Man hatte sie beim Abschließen einfach vergessen. Eine Zeitlang hatte sie versucht, die Türen zu den Schaufenstern zu öffnen, um sich bemerkbar zu machen. Vor den großen Glastüren waren die Metallgitter heruntergelassen. Die Stromabschaltung hatte dazu geführt, dass auch kein Telefon ging. Missmutig hatte sie den Zustand hingenommen und dann den Reiz erkannt. So strich sie durch das Kaufhaus, machte sich selbst Geschenke, kleidete sich ein und machte es sich in einem nachgebauten Wohnzimmer gemütlich. Der Versuch, einen Fernseher anzuschließen war gescheitert, das Bild war einfach zu schlecht. So saß sie auf dem Sofa und prostete sich eins ums andere Mal zu. Mit den Vorräten aus dem Supermarkt im Untergeschoß würde sie hier spielend Wochen verbringen können. Am 27. würde sie sich wieder herrichten, hatte sie beschlossen und wenn das Kaufhaus aufmachte, einfach durch die Türen verschwinden, so als wäre sie als frühe Kundin eilig wieder gegangen.
Das Kleid, das sie jetzt anhatte, passte vorzüglich zu dem Pelzmantel, den sie anhatte. Es war richtig kuschelig, So saß sie selig und trank ein weiteres Glas. Inzwischen war sie von Champagner auf Weißwein umgestiegen.
Die Putzleute, die sie fanden, hielten sie erst für tot, als sie aber das Schnarchen hörten, holten sie den Vorarbeiter, der dann versuchte, sie zu wecken. Aber sie ließ sich nicht wecken. So trugen sie die schlafende Frau in ein anderes Zimmer der Möbelausstellung. Schließlich musste man ja auch das Wohnzimmer reinigen. Das große Licht wurde eingeschaltet. Da wurde sie wach. Sie richtete sich auf, das Licht blendete sie, sie hörte fremde Stimmen. Wo war sie? Langsam dämmerte ihr, wo sie war und was los war. Sie suchte auf dem Boden herum, aber ihre Schuhe blieben unauffindbar. Bei ihr drehte sich alles. Sie sah ihr Gesicht in einem Spiegel, der die Tür des Schlafzimmerschrankes war. Sie sah schrecklich aus. So konnte es nicht bleiben. Sie ließ sich wieder fallen. Das Bett, auf dem sie schlief, kam dadurch in Bewegung, die Matratze rutschte etwas zur Seite und sie rutschte in die Lücke zwischen Bett und Wand, wo sie liegen blieb. Die Putzleute, die nach der Frau sehen wollten, sahen nur die etwas verrutschte Matratze, weil sie nicht dahinter sahen. Ratlos und achselzuckend zogen sie wieder ab.
Als sie wieder aufwachte, war es wieder dunkel. Sie zwängte sich aus der Ecke, in der sie geschlafen hatte. So konnte das nicht weitergehen. Sie war eingeschlafen und nun war es schon wieder Nacht. Ich sollte keinen Alkohol trinken, sondern Kaffee. Schließlich wollte sie nicht eine weitere Nacht hier verbringen. Niemand würde sie daheim vermissen, aber so konnte es ja nicht bleiben. Sie kleidete sich neu ein und trank einen Kaffee nach dem anderen. Als sie Schritte hörte, huschte sie zum Ausgang und schlüpfte in die Kälte und die Dunkelheit des frühen Morgen.



Eingereicht am 09. April 2006.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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