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Heiligabend 2005, eine Geschichte aus der Zukunft

© Karl-Heinz Wesemann


Die von der Himmelslogistik hatten dem Weihnachtsmann eine Navigationshilfe in den Schlitten eingebaut. Er wollte diesen neumodischen Kram nicht haben, um des lieben Friedens Willen hatte er dann doch zu gestimmt. Der Weihnachtsmann machte sich mit der Technik in einem Schnellkurs vertraut. Man brauchte nur noch das Ziel eingeben und der Schlitten mit den Rentieren würde durch die Winternacht dort hin fliegen. In der Theorie klang das ganz einfach, die Praxis würde zeigen ob es auch so war.
Der 24. Dezember kam und alle Sandhatter waren damit beschäftigt letzte Weihnachtsvorbereitungen zu treffen. In den Vorgärten und an den Häusern hatte man weiße oder bunte Lichterketten angebracht, überall in den Wohnungen roch es nach Zimt, Lebkuchen und anderem leckeren Weihnachtsgebäck. Die Tannenbäume wurden reingeholt und schon einmal für den Abend geschmückt. Der Schneefall, welcher am Mittag eingesetzt hatte, wurde immer stärker, bald war es nur noch unter großen Schwierigkeiten möglich mit dem Auto vorwärts zu kommen.
Die Kinder hatten viele Wochen zuvor schon ihre Wunschzettel abgegeben. Sie freuten sich schon riesig auf den Heiligen Abend und konnten es kaum erwarten dass es dunkel wurde. Um das Warten auf die Bescherung zu verkürzen holten viele Väter den Schlitten heraus und zogen mit den Kindern Weihnachtslieder singend im Schlitten-Konvoi durchs Dorf. Die Mütter, welche den Auftrag hatten den Weihnachtsmann herein zu lassen, um die Geschenke schnell unter dem Baum zu verteilen, wurden langsam unruhig. Der Weihnachtsmann hatte sich in diesem Jahr noch nicht blicken lassen. Es war inzwischen 16 Uhr 15, die Nacht brach schon herein und der Schneefall hatte sich noch verstärkt. Bald hatte es sich unter allen Sandhattern herum gesprochen, der Weihnachtsmann hatte an diesem Tag bei keiner Familie im Ort irgendein Geschenk abgegeben. Wo blieb der nur? Hatte er Sandhatten vergessen? Oder waren alle (auch die Erwachsenen) im letzten Jahr so unartig gewesen, das diesmal niemand etwas bekommen sollte? Fragen über Fragen. Die Kinder, die dieses auch mit bekamen fingen bald an zu weinen. Sie hatten sich doch so auf den heutigen Abend gefreut - und nun so was, Weihnachten ohne Geschenke. Man rief bei Freunden und Bekannten in anderen Gemeinden an um zu erfragen ob der Weihnachtsmann dort auch noch nicht war. Schnell stellte sich heraus, der ganze Landkreis war vom Bärtigen schon versorgt worden nur Sandhatten war wohl vergessen worden.
Die Großenknetener und Huntloser waren in der glücklichen Lage schon mit den Bescherungen anzufangen. Santa Claus hatte alles ordnungsgemäß abgeliefert. Er schnalzte mit der Zunge und die Rentiere flogen im Tiefflug Richtung Sandhatten. Mit dem Navigationssystem hatte sich der Weihnachtsmann inzwischen auch angefreundet. Wie von seiner Himmelslogistik angepriesen funktionierte es. Während des Fluges konnte man sich bequem auf dem Schlittenbock zurücklehnen ein wenig dösen. Man muss bedenken, an diesem Tag im Jahr müssen ja Hunderte von Orten innerhalb kürzester Zeit erreicht werden. Und in den letzen Jahren war es doch immer sehr anstrengend gewesen den Schlitten zum nächsten Ziel zu bringen. Man war ja nicht mehr der Jüngste.
Plötzlich knirsche es ganz fürchterlich am Schlitten. Das ganze Gespann kam ins trudeln und der Weihnachtsmann versuchte den Schlitten wieder unter Kontrolle zu bekommen. In einer Rechtkurve und mit stark verminderter Geschwindigkeit kam der Schlitten auf der Kegelbahn der "Alten Post" zum stehen. Innerhalb weniger Minuten hatte es sich in Sandhatten herumgesprochen, das der Weihnachtsmann eine Notlandung hatte machen müssen. Über eine schnell organisierte Leiter wurde der Schlitten entladen und die Geschenke direkt an die inzwischen versammelten Kinder und Erwachsenen verteilt. Alle fanden, dies sei die beste Bescherung welche sie jemals erlebt hatten. Der Weihnachtsmann, er war inzwischen auch vom Dach gestiegen, gesellte sich zu ihnen und freute sich über einen heißen Punsch den einer vorbei gebracht hatte. Wann hatte man schon einmal Gelegenheit gehabt mit dem Mann im roten Mantel länger zu sprechen. Noch nie.
Aber warum war es zu dieser Notlandung gekommen? Die Erklärung wurde schnell gefunden: Im Sommer war die Sirene der Feuerwehr zum neuen Feuerwehrhaus umgesetzt worden. Die von der Himmelslogistik hatten versäumt das neue lokale Höhenhindernis in die Navigation ein zu programmieren. Eine Kufe des Schlittens hatte den Deckel der Sirene kurz berührt und dadurch war der Schlitten ins trudeln geraten. Mit wenigen Hammerschlägen schaffte es einer der Leute die verbogene Kufe wieder zu richten. Der Weihnachtsmann bedankte sich bei allen Sandhattern für den außerplanmäßigen Empfang und versprach im nächsten Jahr pünktlicher zu sein. Mit einer großen Ehrenrunde über der Kegelbahn startete er wieder Richtung Nordpol. Er freute sich auf den wohlverdienten Feierabend. "Verdammt nette Leute wohnen in Sandhatten", dachte er, " werde ich nächstes Jahr besonders viel Geschenke hin bringen." Die Schneewolken hatten sich inzwischen verzogen und am Himmel ging ein glitzernder Kometenschwarm nieder. Weihnachtliche Stille kehrte in Sandhatten ein.



Eingereicht am 23. November 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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