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Krisenmanagement

© Magnus Lebemann


Der Mann von der Fleischtheke hat unsere Weihnachtsgans vergessen. Meine Mutter hat sie bestellt und nun steht er da und möchte mich schnell loswerden. Da hat der feine Herr Metzger seine Rechnung nicht mit mir gemacht! "Pass mal auf, du Arschkrampe, du gibst mir jetzt irgendeine andere Gans, sonst geschieht hier ein Unglück!"
Man muss wissen, dass eine fehlende Weihnachtsgans für meine Mutter das Armageddon bedeuten würde. Somit auch für mich. Ich stehe unter einem enormen Erfolgsdruck, also werde ich diesen Supermarkt nicht ohne das gerupfte Federvieh verlassen.
"Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Die Bestellung liegt hier nicht vor. Ich könnte Ihnen zum selben Preis zwei Barberie-Enten mitgeben. Wäre das in Ordnung?"
Barbecue-Enten kenne ich nicht, die will ich nicht.
Der Mann merkt, dass ich zu allem bereit bin, die Schweißperlen auf meiner Stirn scheinen ihn zu beunruhigen. Er schiebt schnell nach: "Ach, mir fällt gerade ein, dass eine Gans zu elf Uhr bestellt war. Jetzt haben wir viertel nach. Sie haben Glück. Komme gleich wieder."
Es geht doch. Auch wenn diese Gans etwas kleiner ausfällt, bin ich zufrieden. Dafür zahle auch nur 15,- Euro und erhalte eine der komischen Enten obendrauf. Die Story von der halbtoten Oma, die ihr letztes Fest im Kreise der Verwandtschaft erleben wird, hat gezogen. Nicht, ohne den Marktleiter über die fehlende Kompetenz an der Fleischausgabe zu informieren, verlasse ich die Konsumoase.
Draußen herrschen entgegen des Sollzustands subtropische Temperaturen, ein schnelles Heimkommen ist empfehlenswert. Den Einkaufswagen werde ich wieder mitnehmen, die Vögel sind bei mehreren Kilometern Fußmarsch zu schwer für einen Menschen, der eher dem Denksport zugeneigt ist. Was wird Muddern für Augen machen, zweimal nacktes Flugfleisch zum Preis eines Besuchs im Sonnenstudio?! Ein kalter Wind zieht auf, sollte ich etwa noch einen Winter erleben? Wohl nicht, vielmehr hat Herr Petrus gemerkt, dass sich meine Bekleidung als zu spärlich für eventuelle Wetterwechsel erweist. Den Einkaufswagen stelle ich bei den verhassten Nachbarn ab.
In der Tat erkennt die Sippschaft den heldenhaften Einsatz beim Gänsekauf und erst recht dessen Beute mit Genugtuung an. "Butsche, das haste fein gemacht. Komm, hier ist ein Scheinchen für dich." Der Abend wird gut, die Geschenke und die Feuerzangenbowle komplettieren meine Vorstellung von einem gelungenen Weihnachtsfest.
Nach den Zeremonien wird noch einmal kräftig angestoßen, Oma ergreift das Wort: "Das Essen war köstlich. Kalle, dir danke für die Gans, und Töchterchen, dir danke für dieses wunderschöne Weihnachtsfest. Prost!"
Meine Mutter knufft mir in die Seite: "Karl, ich hoffe, du hast Herrn Gerdey bei REAL nicht so hart rangenommen, ich weiß ja, wie du bist ..."
"Och Mensch Muddi, das hab ich doch vorhin erzählt, der war super nett. Warum soll ich den blöd anmachen?"
Ich verschweige, dass ich bei Famila war ...



Eingereicht am 05. September 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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