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Alle Jahre wieder oder: Oh, du aufregende, anregende Adventszeit

© Petra Kramp


Wenn sich das Jahr dem Ende neigt, dann folgt für meinen Sohn und mich eine anregende, anstrengende und gleichsam auch sehr spannende Zeit Und da er - wie auch ich - denn die Kinder kommen selten auf Anderleuts-Eltern - ausgesprochen sensibel ist, absorbiert er die vielfältigen Eindrücke nahezu wie ein Schwamm - mit den unterschiedlichsten Konsequenzen…
Es beginnt schon zur Sankt-Martins-Zeit: Schon als einjähriger Bub hinterließ der Heilige St. Martin beim Martinsumzug, während er sicher auf den Schultern seines Vaters thronte, einen nachhaltigen Eindruck, als dieser Reiter dem Knirps den ersten Weckmann seines Lebens persönlich in die Hand drückte.
In Tobias damaligem zugegebenermaßen noch nicht sehr reichhaltigem Wortschatz existierte das Wort "Bröka", was so viel wie Brötchen bedeutete und was er heiß und innig liebte. Und so stammelte er zutiefst beeindruckt noch einige Monate später:" Martin - Bröka - Feuer", und ich war bis zum darauf folgenden Frühsommer gezwungen, mit ihm St. Martinslieder zu singen, bis ich mich schließlich heftigst weigerte, jahreszeitungemäße Liedstücke von mir zu geben!
Da mein Sohn ein Skorpion ist, folgt unmittelbar an die St. Martinsumzüge sein Geburtstag, und dieser stellt, da bildet mein Sohn bestimmt keine Ausnahme, ein mehrere Tage umfassendes Highlight dar. Und nach diesem, fast bin ich geneigt zu sagen "Geburtstagsmarathon" (Geburtstag im Kindergarten, Geburtstag mit der Familie und den Paten, Kindergeburtstagsfeier mit auserwählten Knirpsen, Geburtstag in der Spielgruppe, diverse Geburtstagsfeiern anderer Skorpion-Knirpse…) schließt sich unmittelbar die Adventszeit an. Und das allmorgendliche Adventssäckchen-Öffnen führt u. U. morgens vor dem Kindergarten schon mal dazu, dass mein Kind kurz vor dem Kollabieren steht und das Sauerstoffzelt ob so viel Aufregung benötigt werden könnte…
Etliche Tage vor dem eigentlichen Nikolausabend kann Tobias grundsätzlich nicht durchschlafen und mehr als zwei- bis dreimal in der Nacht holt er mich dann aus der Tiefschlafphase, nur um die für ihn so wichtige Frage zu stellen: "Mama, wann kommt noch mal der Nikolaus?" Beim ersten und vielleicht auch noch beim zweiten mal so geweckt zu werden und dann ist das "aufgeweckte" Gesichtchen eines Kindes, dazu noch des eigenen, zu blicken, das kann ja noch ganz unterhaltsam sein, aber beim x-ten Mal und dann beinahe jede Nacht das gleiche Spiel, das zehrt manchmal ganz schön an den Nerven. Und der Erkenntnis von Amnesty International, dass Schlafentzug eine der schlimmsten Foltermethoden sei, kann ich unter diesen Umständen und noch vor dem Hintergrund der Erfahrung der Mutter eines Säuglings ganz uneingeschränkt beipflichten…
Dass die Zeit des Nikolaus allerdings nur ganz begrenzt ist, und man sich im Anschluss daran dann mehr der Vorfreude auf das Christkind zuwendet, das ist meinem Kind wiederum nur allzu schwer beizubringen:
Zum 95ooo.ten Mal spielt er bei uns zu Hause mit wachsender Begeisterung selbst den Nikolaus, schwingt sodann unter lautem "Ho-Ho-Ho"-Rufen seinen als Plastiktüte getarnten Jutesack mit diversen Spielsachen und Gummibärchen-Tüten (Dreingaben aus der Apotheke) und fragt mit tief verstellter Stimme: "Kindchen, bist du denn auch lieb gewesen?"
Anschließend wirft er mir, dem "Kindchen", einen Legoprospekt an den Kopf und behauptet (alles Eigenphantasie und Improvisation): "Kindchen, du darfst dir jetzt hieraus etwas aussuchen. Z. B. das… und das … und das…" Dabei beugt er sich mit eindeutigem Kennerblick über den Prospekt und streicht - in meinem Namen - alles erst einmal an!
ich vergaß im Übrigen zu erwähnen, dass die Martinszeit auch nicht ohne Rollenspiele vonstatten ging und geht: Bis zum Abwinken meinerseits - und noch darüber hinaus - wurde die Martinsgeschichte wiederholt. Selbst beim Zähneputzen wurden seinerseits noch klar die Rollen verteilt, und im Falle einer Spielverweigerung, da verstand und versteht der Knirps nun wirklich keinen Spaß…
Und sind die St. Martinszeit und auch die Nikolauszeit mit den entsprechenden Liedern und Rollenspielen auch für ihn endlich abgehakt, tritt das Christkind und alles, was damit zusammenhängt auf den Plan, d. h. die Nächte seiner- und meinerseits werden dann nicht wirklich entspannender bzw. geruhsamer.
Sie ahnen es sicher schon: Zum wiederholten Male steht er dann nächtens erneut an meinem Bett, entweder vor Aufregung brüllend oder vor Erregung wispernd: "Mama, wie oft muss ich noch schlafen, bis das das Christkind kommt?"
Manchmal denke ich auch, ich sei es selbst schuld und schüre seine Aufregung noch durch meine zusätzlichen Ideen, wenn ich beispielsweise spontan entscheide: "Wir schreiben jetzt den Wunschzettel für das Christkind und legen diesen dann in die von dir selbst beklebte weihnachtliche Spanschachtel. Diese wird nämlich so zu einer Wunschzettel-Box. Und das Christkind wird bei halbgeöffnetem Fenster mitten in der Nacht - vorausgesetzt es hat gerade Zeit - irgendwann vorbei geflogen kommen, um es mitzunehmen.
Ist dann am darauf folgenden Tag der Zettel auch wirklich weg und stattdessen ein einsames Gummibärchen mit der kurzen Notiz "Sei schön lieb! Dein Christkind" in der Schachtel, steht mein Sohn glücklich und fassungslos zugleich vor derselbigen und gleichzeitig kurz vor dem Kollabieren…
Mache ich also wirklich etwas falsch, indem ich die Phantasie des Kleinen schüre? Oder machen nicht gerade auch solche Dinge den Zauber der Weihnachtszeit aus? Nebst dem Plätzchenbacken, Baumschmuckbasteln, wiederholten Singen von Weihnachtsliedern und Erzählen von -geschichten?
In der Weihnachtszeit wird bei uns das allabendliche Einschlaf-Ritual dann auch ein klein wenig aufwändiger: Sicherlich, eine Geschichte vorlesen, ein gemeinsames Abendgebet und ein von ihm persönlich ausgesuchtes Lied singen, das gehört zum so genannten "Standard-Repertoire", aber in der - ich nenne es mal "dunklen" Zeit, werden zuvor noch etliche Kerzen und Windlichter in seinem Kinderzimmer angezündet - und nach dem Abendritual auch gemeinsam wieder ausgeblasen.
Diese Zeit ist auch eine besonders intensive Kuschelzeit. Gemeinsam sitzen wir eng aneinandergeschmiegt auf seiner kleinen Couch im Kinderzimmer und genießen sie, die Zeit des kurzen Innehaltens, des Den-Tag-Revue-Passieren-Lassens, des Zuhörens und des Schmusens.
Und alle Jahre wieder steht es dann tatsächlich wieder vor der Tür, das lang ersehnte, Weihnachtsfest mitsamt dem Christkind, der Heilige Abend. Und darauf freue ich mich auch selbst immer wie ein Schneekönig. So, wie bei meinem Sohnemann nämlich die Anspannung nahezu ins Unermessliche wächst, so wächst auch meine Vorfreude auf sein Gesicht, wenn er den festlich geschmückten Weihnachtsbaum bestaunt, behutsam seine Fingerchen über die Krippenfiguren gleiten lässt, dabei schon Ausschau haltend nach den Heiligen drei Königen, die sich schon irgendwo sichtbar unter dem Wohnzimmerschrank auf den Weg gemacht haben müssten.
Wenn er den Lecker-Teller sieht und die Geschenke zu erahnen versucht, die sich unter einer großen weißen Decke - eine Schneedecke simulierend - vorsichtig abzeichnen und Verheißung auf ungeahnte Spielfreuden zu bringen vermögen, sich unseren unmittelbaren Blicken aber gnadenlos verschließen, und wenn dann endlich das Glöckchen zur Bescherung erklingt!
Und spätestens in diesem Moment bin ich dann selbst wieder ein Kind, und der Zauber der Weihnacht befällt mich unverrichteter Dinge wie ein Virus, der mich (hoffentlich) nie wieder loslassen wird.



Eingereicht am 30. März 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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