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Der freigiebige Schneemann

© Angelika Pauly


Der Dezember brachte nicht nur Frost, sondern auch viel Schnee in diesem Jahr und erfreute damit die Kinder, besonders meine kleine Enkelin Emilia. An einem Nachmittag stürmte sie meine Küche. Mütze, Handschuhe, Schal und Stiefel voller Schnee, so dass es auf den Boden tropfte.
"Oma, hast du eine Möhre für mich?", rief sie ganz außer Atem. "Und einen Hut brauche ich auch und einen Besen. Sieh mal nach draußen, was ich gebaut habe!"
Ich schaute zum Fenster hinaus und sah einen großen Schneemann. Er war bestimmt einen Meter hoch mit einem dicken Bauch, einem runden Kopf und zwei Augen aus Kastanien oder Eicheln, dazu hatte er zwei kurze Arme.
"Ja, ich kann dir eine Möhre und einen Hut geben", sagte ich, "Und einen alten Besen werde ich auch noch irgendwo haben. Komm mit in den Keller."
Wir gingen beide hinunter. Ich fand eine große Karotte und einen alten Zylinder von Opa. Im Gartenhaus wartete ein ausgedienter Besen, dass er zu neuen Ehren an der Seite eines stolzen Schneemannes kam.
Emilia machte sich an die Arbeit, setzte dem Mann aus Schnee und Eis den Hut auf, die Möhre mitten ins Gesicht und den Besen wie ein Gewehr unter den rechten Arm. Ich schüttelte ein wenig den Kopf und ging wieder an meine Arbeit. Da stürzte Emilia ein zweites Mal ganz aufgeregt in meine Küche und rief: "Oma, ein Vogel pickt an der Möhre, Sie wird noch aus seinem Gesicht fallen!" Ein paar Tränen standen in ihren Augen.
Ich wischte sie ihr mit einem Taschentuch vorsichtig ab und sah mir im Garten den Schaden an. Tatsächlich, die Möhre hatte große dicke Löcher bekommen und hing ganz schief im Gesicht des Schneemannes.
"Die Vögel haben Hunger", sagte ich zu Emilia, "Es ist so viel Schnee gefallen in der letzten Woche, dass sie kaum Futter finden können. Und da kam ihnen diese Möhre gerade recht."
Emilia sah mich mit ihrem verweinten Gesichtchen an: "Sie haben Hunger? Dann muss man ihnen doch etwas zu essen geben!"
Ich nickte zustimmend und wir gingen einkaufen. Im Supermarkt gab es Ringe und Säckchen mit Vogelfutter, die man in ein Vogelhäuschen hängen konnte.
"Warum nicht auch an einen Schneemann?", dachte sich Emilia, während sie einen großen, knallroten Lutscher schleckte, den ich ihr gekauft hatte.
Zu Hause angekommen lief sie wieder in den Garten. Nach einer halben Stunde rief sie mich herunter und was sah ich da? Der Schneemann hatte an jedem Arm ein Futtersäckchen hängen. Die Möhre war tief ins Gesicht gedrückt und daran hing ein Fettring mit Vogelfutter. Auf dem Zylinder waren lose Körner verteilt.
Emilia stand stolz vor ihrem Werk und fragte mich: "Meinst du, die Vögel kommen und picken das Futter?"
"Da bin ich sicher", antwortete ich, "Aber nicht, solange wir beide hier stehen und zuschauen wollen. Komm, gehen wir nach oben und sehen wir von da aus zu, was passiert."
Wir gingen also ins Haus. Emilia hockte sich ans Wohnzimmerfenster. Da kamen auch schon die Vögel, umkreisten den Schneemann und pickten hungrig und fröhlich das Futter.
Noch zweimal kauften wir Vogelfutter und Emilia hing es an den Schneemann, dann kam Tauwetter. Der eisige Geselle schmolz und die Vögel konnten sich wieder selbst versorgen mit leckeren Würmern und Käfern.



Eingereicht am 05. März 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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