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Ein Glas Bordeaux ... eine traurige Weihnachtsgeschichte

© Elke Link


Der Bordeaux, den ich extra für Weihnachten gekauft habe, ist fast leer. Schon die zweite Flasche.
"Haben sie mich denn vergessen?", ist mein einziger Gedanke.
Meine Augen würden am liebsten vor lauter Müdigkeit zufallen, müssen aber noch wach bleiben.
Allein sitze ich hier in meinem weihnachtlich geschmückten Wohnzimmer.
Der Baum mit seinen elektrischen Birnen leuchtet noch immer, trotz vorgerückter Stunde. Unter dem Baum liegen die noch nicht ausgepackten Geschenke, die für meine Kinder und meine Frau bestimmt sind.
Der Tisch, auf dem eine weiße Damasttischdecke liegt, ist noch unberührt. Die Teller und Bestecke und auch die kunstvoll gefalteten Servietten warten auf ihren Einsatz. Den Herd in der Küche habe ich etwas runtergedreht, damit das Essen zumindest noch warm bleibt. Es ist mittlerweile 21.30 Uhr.
Sie wollten doch heute Abend kommen.
Fest zugesagt, hatten sie es mir. Wie lange hatte ich mich darauf gefreut, es eigentlich nicht mehr für möglich gehalten.
Wie viele Nächte hatte ich davon geträumt?
Jeden Moment dieser Begegnung hatte ich bereits in Gedanken durchgespielt, jede Frage schon im Geist beantwortet. Jeden Blick meiner Kinder, und vielleicht auch einen einzigen von Margret wollte ich festhalten, festhalten für irgendwann.
Mittlerweile habe ich meine Beine nach oben auf die Couch gezogen, trotz allem immer noch in Einsatzbereitschaft, jeden Moment zur Türe zu laufen, um diese zu öffnen ...
Ich halte mich an meinem Glas Bordeaux fest.
Eigentlich müsste jetzt gleich die Türglocke läuten.
Aber nur unbekannte und unwichtige Geräusche aus dem Treppenhaus dringen an mein Ohr und verleiten mich trotzdem immer wieder dazu, meine Beine in Windeseile vom Sofa zu schwingen und mir noch ein letztes Mal die Krawatte zurecht zu rücken.
Immer wieder falscher Alarm.
Der Fernseher bleibt ausgeschaltet, weil man ja sonst das Schellen nicht hören könnte.
Die Uhr tickt heute besonders laut.
Ich zähle die Sekunden mit: 21, 22, 23 ... und meine Zähne klappern mit zum Takt des Perpendikels.
"Jeden Moment werden sie kommen", versuche ich mir einzureden.
"Wirklich - noch so spät?", melden sich meine Gedanken, die mich ärgern.
Und schon wieder habe ich meine Beine hoch an meinen Körper gezogen, weil es mich friert. Auch der warmen Wolldecke, die ich um mich geschlagen habe, gelingt es nicht, mich zu wärmen. Ich friere, nicht nur wegen der - im gesamten Hause ab 22.00 Uhr reduzierten - Heizleistung, sondern wegen meiner Trostlosigkeit.
Meine Einsamkeit erschreckt mich, und ich stelle fest, dass ich auf den Fernseher glotze, ohne, dass er angeschaltet ist.
Ich sitze hier - allein - und sie kommen einfach nicht.
Ohne abzusagen.
Was denken wohl meine Kinder. Sie wissen doch nichts.
Was haben sie mit diesem fremden Mann zu tun, der mir einfach meine Margret wegnimmt.
Sie konnten sich doch immer auf mich verlassen.
Und wir liebten uns so sehr.
Ich erinnere mich an einen Weihnachtsabend, als wir nach der Bescherung alle zusammen in unserem großen Ehebett lagen.
Die Kleinen wärmten sich ihre Füße an unseren Beinen.
Und Moritz, unser Hund, kuschelte sich dazwischen.
Durch die Balkontüre leuchtete der Weihnachtsbaum in unser Zimmer hinein.
Meine Augen fallen mir zu.
Und ich möchte sie gar nicht mehr öffnen, weil mein Traum so schön ist.



Eingereicht am 14. November 2004.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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