Neuerscheinung
Heiligabend überall. Kurzgeschichten zum Weihnachtsfest. Dr. Ronald Henss Verlag. 2004.
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Das Universalgeschenk

Von Martina Hagemann


Es ist der 20. Dezember und allmählich Zeit, meine Geschenke zu verteilen. Ich habe mich genau an meine Liste aus dem letzten Jahr gehalten, auf der ich nach dem Fest vermerkt habe, wer was und in welcher Preisklasse geschenkt hat. Diese Übersicht erleichtert es, beim Bescheren niemanden aus dem Freundeskreis zu vergessen. Trotzdem kommen in jedem Jahr neue Bekannte hinzu, sodass die Liste immer wieder aktualisiert werden muss. Wer kennt nicht die Situation, ein Geschenk in Empfang zu nehmen und kein geeignetes Gegenpräsent in der Hand zu halten? Für diesen Zweck habe ich das Universalgeschenk erfunden. Ich habe einfach ein neutrales Präsent in petto, welches ich in Notlagen hervorzaubern kann, um diese peinliche Klippe zum umschiffen. Für alle Alters- und Personengruppen geeignet ist eine Packung Tee, versehen mit einer Kerze und einigen Keksen. Eine persönliche Note bekommt die Gabe, wenn es sich um selbst hergestelltes Backwerk handelt. Sollte es an Begabung mangeln, greift man jedoch besser auf Supermarkt-Erzeugnisse zurück, da die persönliche Note mit zunehmendem Alter des Schenkenden immer weniger Gewicht bekommt, falls die Qualität nicht entsprechend ist. Dieses Phänomen ist sicherlich jedem bekannt. Ansonsten probieren Sie es aus, indem Sie Ihrer Oma einen selbstgehäkelten rosa-orange-gestreiften Topflappen in Miniaturgröße und mit großer Maschenweite schenken. Sie werden sich wundern, warum das Selbstgebastelte, das Ihre Oma stolz den Verwandten gezeigt hat, als sie sieben Jahre alt waren, plötzlich keinen Ehrenplatz mehr erhält.
Im letzten Jahr habe ich mein Universalgeschenk zum ersten Mal zum Einsatz bringen müssen. Endlich hatte das peinliche Gestammel wie "Äh, ich bin noch nicht dazu gekommen, das Geschenk für dich abzuholen" oder "Mein Geschenk für dich ist noch nicht lieferbar" ein Ende. Freudig nahm meine Freundin Susanne das Präsent entgegen. Einen Tag später brachte ich unserer gemeinsamen Freundin Stefanie meine Weihnachtsgabe. Und da lernte ich eine weitere Strategie von Geschenklosen. Nachdem ich mein sorgfältig ausgesuchtes Buch überreicht hatte, erhielt ich ein Päckchen, das mich in Form und Aussehen stark an das Geschenk erinnerte, das ich am Vortag Susanne überreicht hatte. Ich habe es mir für dieses Jahr zurückgelegt, sollen doch Susanne oder Stefanie zur Strafe ein Jahr alte Kekse essen oder noch besser sich mit dem Verschenken ein Jahr alter Kekse blamieren.


Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.


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