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Weihnachten eben

Eine Weihnachtsgeschichte Katja Krächan


Es ist der 22. Dezember und ich sitze auf der Arbeit. In zwei Tagen ist Sonntag und Heilig Abend. Nach einem enttäuschenden Sommer erhoffe ich mir einen besseren Winter mit viel Schnee und all dem Kitsch, den man sich von Weihnachten erwartet.
Nun ja, warm ist es ja nicht gerade - im Gegenteil. Sieben Grad Celsius unter Null! Die übliche Hektik vor Weihnachten ist noch lange nicht auf ihrem Höhepunkt! Oh nein, die kommt morgen erst. Samstag - denn dann werden all die Leute noch in letzter Minute ihre Besorgungen machen, noch schnell die letzten Geschenke kaufen gehen und versuchen zu retten was zu retten ist. Aber gleichzeitig ist diese Hektik auch wieder gemütlich und irgendwie heimelig! Weil es eben so typisch für die letzten Tage vor Heilig Abend ist!
Man kommt von der Kälte nach Hause in die Stube und eine wohlige Wärme schlägt einem entgegen! Der Duft von frisch gebackenen Weihnachtsplätzchen, gebrannten Mandeln, Mandarinen, Zimt und natürlich von Tannenzweigen schlägt einem entgegen! Die Scheiben sind angelaufen und in den Fenstern leuchten zahllose Lichterketten und Leuchtbilder...
Sanft schweben die leichten Schneeflocken zur Erde hinab und zaubern ein Lächeln auf das Gesicht eines jeden Kindes.
Unten auf dem Hof gegenüber spielen sie. Die Jungs machen eine Schneeballschlacht und die Mädchen beschweren sich darüber, weil sie so ihre Schneefamilie nicht in Ruhe fertig bauen können. Beobachtet von der großen alten Tanne, die all die Häuser in der Umgebung längst überragt. Die sich an unzählige Tage wie diese erinnern kann - und an den Tag, an dem sie selbst eine jener Tannen waren, die herein geholt und in einen schicken Topf gestellt wurden, wo groß und klein um sie herum wirbelten und schmückten. Mit bunten Kugeln, Lametta, Engelshaar und einer leuchtenden Christbaumspitze, die noch ein wenig mehr funkelte, wenn die Leuchtkette eingeschaltet war. Jetzt ist sie zu groß für so etwas, aber noch immer erfüllt es sie mit Stolz!
Vom nahen Weihnachtsmarkt ertönen Advents- und Weihnachtslieder und das fröhliche Gelächter der Leute die sich die Buden und Stände näher ansehen...
Alles eben genauso, wie man es sich wünschen könnte und wie man es sonst nur im Film sieht!
Und dann öffne ich wieder die Augen.
Trotz der Kälte lacht die Sonne mir entgegen und blendet mich bei meiner Arbeit. Es duftet auch nicht weihnachtlich, nur der übliche Duft des Nachmittagskaffees steigt mir in die Nase.
Keine angelaufenen Scheiben - nur ein paar Leuchtfiguren, die jedoch abgeschaltet sind, weil es viel zu hell ist und man es doch nicht sehen würde.
Von Schnee keine Spur! In den letzten Wochen gab es nur Regen, so wie heute auch. Aber wenigstens haben sich die Wolken verzogen!
Genauso wenig spielen draußen Kinder... nein, eine Straßen-Bahn fährt mit lautem Getöse vorbei und quietscht, als sie über eine Weiche das Gleis wechselt. Sie fährt so dicht am Gebäude vorbei, dass man spürt, wie der Boden unter der Last erzittert und übertönt jegliche anderen Laute.
Vor dem Fenster hängen nur ganz viele Drähte, die die Straßenbeleuchtung mit Strom versorgen, ebenso wie die Straßen-Bahn. In den stürmischen Windstößen werden sie hin und her gezerrt und hören sich dabei an, als würden sie jeden Augenblick reißen und mit voller Wucht durch das Fenster in der ersten Etage durchschlagen. Wie ein Lasso, mit dem man weit ausholt um das einzufangen, was einem kurz zuvor noch so nah war und dann entkam. Doch was ist hier entgangen - Weihnachten? Nein. Weihnachten steht unmittelbar vor der Tür!
Und es ist wie immer: Anders als im letzten Jahr und anders als man es sich erhofft.
Weihnachten eben!
© Katja Krächan im Dezember 2000


Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.


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