www.online-roman.de       www.ronald-henss-verlag.de
Weihnachten Weihnachtsgeschichte Weihnachtsgeschichten Kurzgeschichte Weihnacht Advent

Die Murmel

Eine Weihnachtsgeschichte von Claudia Hüfner


Der Winter kam ungewöhnlich früh in diesem Jahr. Schon in der letzten Novemberwoche fiel der erste Schnee, eine nasse, klumpige Masse, die von den Autos in der breiten Straße zu Matsch zusammengedrückt und zu hässlichen Haufen an den Rand geschoben wurde. Der Belag der Fahrbahn hatte nun auch noch eine graubraune Schmierdecke, die es zu überwinden galt, wollte man die andere Straßenseite erreichen. Und kalt war es außerdem. Kein Wunder, dass Vera nur missmutige Gesichter zwischen hochgezogenen Schultern an sich vorbeilaufen sah. Sie selbst, und das wusste sie genau, machte auf andere den selben Eindruck. Der bevorstehende Advent verursachte bei ihr nur ein eher ablehnendes Gefühl; Schokonikolaus und Lebkuchen ab September, feilgebotener Weihnachtsschmuck allüberall ab Oktober, hatten den Zauber des Besonderen auch bei ihr allmählich verschwinden lassen. Die viele Mühe der vorweihnachtlichen Dekoration heimlich am Vorabend des ersten Advents lohnte sich schon lange nicht mehr; die Kinder waren mit ihren 12 und 15 Jahren der glitzernden Pracht gegenüber - milde gesagt - skeptisch eingestellt, dazu waren sie jetzt viel zu "cool". Und ihr Mann vermisste höchstens die selbstgebackenen Plätzchen, wenn sie nicht pünktlich vier Wochen vor Weihnachten den Ofen verließen, um noch warm direkt in seinen Magen zu wandern. Und wenn die Familie schon nicht mehr mitmachen wollte... Familie...? Die Beziehung war kälter geworden in den letzten Jahren, irgendwie hatten sich alle voneinander entfernt. Bemerkte nur sie den Riss? 16 Jahre Ehe sind in der heutigen Zeit schon eine ganze Menge, aber lebten sie nicht eigentlich alle nur so nebeneinander her? Zweckgemeinschaft, ohne emotionale Zugehörigkeit. Wo war die Zärtlichkeit der ersten Jahre geblieben? Dass sich die Kinder in der Pubertät zu stacheligen Kakteen entwickeln, soll ja ganz normal sein. Aber manchmal vermisste sie doch so einiges...
"Ach was!!", riss sich Vera aus den trüben Gedanken, und schob sie schnell als passend zur Wetterlage beiseite. Der engbekritzelte Zettel wollte abgearbeitet werden. Und während sie über einen weiteren Schneehaufen stieg, ließ sie ein gerade noch aus den Augenwinkeln wahrgenommener kleiner, hellroter Fleck in der Matschmasse innehalten. Rot war definitiv ihre Lieblingsfarbe, sonst hätte sie ihn gar nicht bemerkt. Der "Fleck" war eine etwa fünf Zentimeter große Glasmurmel, so eine wie sie als Kind einmal eine hatte, mit einem spiralförmig gedrehten, farbigen Innenleben. In intensiv rot. Sie hob sie auf und drehte sie vorsichtig. Das Glas war an einigen Stellen mit Kratzern verletzt, die Kugel kullerte wohl schon länger auf dem harten Belag. Fasziniert beobachtete sie, wie fein der bunte Inhalt gearbeitet war, auf einer Seite waren die Rottöne unterbrochen und so schattiert, dass sie fast ein Gesicht bildeten. Weit und breit kein Kind zu sehen, das die Murmel verloren haben könnte. Vorsichtig wickelte Vera ihren "Schatz" in ein Papiertaschentuch und steckte ihn ein.
Nach zwei Stunden hatte sie ihre Besorgungen erledigt, und stieß beim Auspacken zu Hause in ihrer Tasche wieder auf ihren Fund. Die Oberfläche war doch glatter und schöner, als sie sie in Erinnerung hatte. Gesäubert und fein poliert stellte sie die Murmel etwas zu nahe an den Rand der Anrichte neben der Couch und verstaute den Rest der Einkäufe.
Stanis, der betagte Kater, beäugte das Geschehen zusammengerollt von seinem Lieblingsplatz aus. Viel bewegen mochte er sich nicht mehr, er war träge, um nicht zu sagen fett geworden und verschlief das Meiste vom Tag. Jetzt aber dehnte er sich ausgiebig, riss das Maul zu einem langgedehnten Gähnen auf und wackelte majestätisch auf das neue Ding zu. Vorsichtig streckte er sich am Schrank hoch, beschnupperte die glitzernde Entdeckung und pfotelte daran herum. 'Ui', das bewegte sich, kullerte aufreizend außerhalb seiner Reichweite. Stanis nahm Maß und sprang elegant wie ein junger Kater auf das Büfett. Dass er darauf sonst nichts verloren hatte, störte ihn nicht sonderlich. 'Na, geht doch noch', schien sein zufriedener Gesichtsausdruck mit den mittlerweile hellwachen Augen zu sagen. Ein geschickter Schlag, schon kullerte die rote Aufregung auf den Teppich und sofort ging die wilde Jagd nach der harten Kugel los, die sich nicht packen lassen wollte. Vera hatte den dumpfen Knall ebenfalls gehört und kam aus der Küche zurück. Sie staunte nicht schlecht, als sie ihren faulen Stanis wie ein junges Kätzchen balgen, antäuschen und jagen sah. "Tut ihm mal wieder ganz gut"; dachte sie zufrieden.
Mittags kamen die Kinder von der Schule und fanden einen begeistert schnurrenden, müde gespielten Hausgenossen vor, der sich bereitwilligst anschmusend kraulen ließ. "Das hat er schon lange nicht mehr gemacht, was ist denn los?", forderte Britta eine Erklärung, während sich der ältere Bruder mit dem hingebungsvoll gestreckten Bauch der Katze beschäftigte. Vera erzählte ihnen die Geschichte beim Essen und irgendwie war es die netteste Mahlzeit seit langem. Bereitwillig wie selten, erzählten die Kinder von ihrem Schultag, und als Britta sich zu den Hausaufgaben in ihr Zimmer zurückzog, suchte und fand Martin die Gelegenheit, mit seiner Mutter über die Neue in der Klasse zu reden, die ihm doch so gut gefiel...
Abends hatte Vera überraschend einmal wieder Lust, etwas besonders auf den Tisch zu zaubern, obwohl doch gar kein besonderer Anlass bestand. Statt der üblichen belegten Brote, die sich jeder selbst schmierte, bereitete sie die Lieblingstoaste der Familie zu. Während aus dem Ofen ein verführerischer Duft durchs ganze Haus zog, fand Peter, Veras Mann, die Murmel, die mittlerweile ihren Platz auf der Anrichte wiedergefunden hatte. Fasziniert drehte er den Glasball in den Händen.
"Wo ist die denn her? Ich hatte genau so eine als Kind, und die da hat ja fast so etwas wie ein Gesicht", fing er an, nachzufragen. Und bald entwickelte sich bei Tisch ein so lebhaftes Gespräch, dass die allabendliche Fernsehtretmühle total vergessen war. Vater erzählte witzige Geschichten aus seiner Jugend, rückte mit Streichen heraus, von denen teilweise sogar seine Frau noch nichts wusste. Und die Kids sahen ihren "Alten" in einem ganz neuen Licht. 'Der war ja auch mal jung!', war die überraschende Feststellung. Natürlich hatte der Abend allen gefallen, vielleicht könnte man so etwas öfters machen, einen Spiele-Abend nächste Woche oder so...
Bald darauf richtete Vera das Paket mit den Lebensmitteln zurecht, das sie wie jede Woche für ihre ehemalige Nachbarin Agathe besorgte. Vor sechs Monaten musste die Frau ins Altersheim ziehen - seit sie so schwer gefallen war und sich nur noch mit einer Gehhilfe bewegen konnte. Montags bekam Vera den Einkaufszettel telefonisch durchgesagt und nahm die paar Sachen bei ihrer eigenen Einkaufstour zusätzlich mit. Mittags fuhr sie dann immer zur "Seniorenresidenz Sonnenhof GmbH" und verbrachte beim Abliefern eine Weile plaudernd bei der älteren Frau.
Der offene Karton stand genau vor der Anrichte, als Stanis schon wieder seine Jagdlust in sich aufsteigen fühlte. Mit einem geschickten Pfotenhieb beförderte er die Murmel von der Anrichte - genau in den Karton. Dort landete sie zwischen den Äpfeln und einer Packung Eier und kullerte dann auf den Boden der Pappschachtel. Vera wunderte sich zwar, was Stanis so fasziniert in der Schachtel anstarrte, war aber schon spät dran und klemmte sich die Kiste nur schnell unter den Arm.
Als Agathe nach dem für sie immer so heiß erwarteten Montag-Nachmittagsgespräch die bestellten Lebensmittel aufräumte, bemerkte sie am Boden der Schachtel etwas ungewöhnlich Glitzerndes: Da lag doch tatsächlich eine große Murmel. So eine große hatte sie noch nie gesehen. Sie kannte aus ihrer Kindheit zwar die kleinen, einfachen Tonmurmeln; die aus Glas waren teuer - die konnte sie sich damals nie leisten. Diese hier war besonders schön und hatte eine strahlend gelbe Spirale im Inneren. Gelb hatte sie schon immer am liebsten gemocht. Und wenn sie genau hinschaute, sah das nicht aus wie ein Gesicht, die dunkleren gelben Flecken schien fast wie zwei Augen zu funkeln und da die Nase...
Die alte Uhr tickte leise vor sich hin. Sonst war kein Ton in der Wohnung zu hören. Nur von draußen, von der Hauptstraße, kam gedämpfter Straßenlärm herein. Für Agathe eines der wenigen lebendigen Zeichen einer Außenwelt. Verwandte hatte sie kaum, keine Kinder, und ihr Mann war nun auch schon fünf Jahre nicht mehr da. Sonst verfiel sie gerne in depressives Brüten aber heute sank die Frau glücklich lächelnd auf ihrem Sessel zurück. Ja das waren noch Zeiten! Als sie mit ihren Freundinnen im Hof ihre Geschicklichkeit im Murmelspiel unter Beweis stellen musste. Und die sonnigen Sommertage im Heu. Und dann die Herbstzeit, wenn alle nach einem arbeitsreichen Erntetag in der guten Stube saßen und Geschichten erzählten, denen sie als Kind so gerne gelauscht hatte. Heute hätte sie selbst gerne ihre Erlebnisse erzählt, aus den Kriegszeiten und danach, aber wem? -
Mitten aus ihrem Gedankengang riss sie der Türgong. Wer mochte das sein? Mühsam erhob sie sich aus ihrem Sessel, griff sich die Gehhilfe und schlurfte zum Eingang. Der Mensch hinter der Tür musste gute Nerven und langes Durchhaltevermögen besitzen; es dauerte schon seine Zeit, bis sie öffnen konnte. Aber heute hatte sie Glück. Die neue Nachbarin, die vor sechs Wochen ihr gegenüber eingezogen war, kannte sie und hatte geduldig gewartet. Sie wollte sich ein Ei, das ihr gerade noch für ihren Kuchen fehlte, ausborgen.
"Heute Abend", so sagte sie, "habe ich versprochen, meinen 'Spezial-Kuchen' zu backen. Wissen Sie, montags treffen wir uns immer zur Gesprächsrunde. Und da habe ich von meinen Jugenderinnerungen und einem Rezept meiner Mutter geschwärmt. Das hab' ich nun davon", kicherte sie mit einem Augenzwinkern, "nun darf ich das Geheimnis zum Verkosten mitbringen."
Lächelnd nahm sie das Ei in Empfang.
"Kommen Sie doch auch mit heute Abend."
Eigentlich mochte Agathe diese Zusammenkünfte überhaupt nicht. Sie fühlte sich mit ihrer Behinderung immer so ausgeschlossen. Sie nahm auch an keiner der anderen angebotenen Veranstaltungen teil.
'Warum eigentlich nicht', fuhr es ihr aber nun durch den Kopf und sie sagte zu, bevor es ihr wieder leid tun würde. Man verabredete sich für den Abend, ihre Nachbarin wollte ihr beim Hinunterweg behilflich sein.
Als sie um 19 Uhr den kleinen Saal betraten, waren die ersten schon eifrig beschäftigt, die Tische zusammenzurücken und so eine gemütliche runde Atmosphäre zu schaffen. Überrascht musste Agathe feststellen, dass noch zwei weitere Damen mit Gehhilfen anwesend waren, die sich an dem Geschehen etwas langsamer, aber dennoch nützlich beteiligten. Keiner schien deren Behinderung wahrzunehmen, ein geschäftiges Gesumme lag in der Luft. In einem kleinen Anflug von Angst hatte Agathe die hübsche Murmel von heute Mittag in ihre Jackentasche gleiten lassen, ganz so, als ob sie sich bei ihrem neu gewonnenen Mut an ihr festhalten könnte. Als sie nun so saß und zuhörte, hielt sie die geschmeidige Form in ihrer Hand. Da erging auf einmal vom Diskussionsleiter die Aufforderung, wer denn noch eine Geschichte für den heutigen Abend parat hätte. Zögernd und über sich selbst mehr als überrascht, hob sie die Hand. Erfreut wandten sich alle ihr zu und sie blickte in die auffordernden Gesichter. Da war plötzlich wieder alles da, die Jugend, ihre beste Freundin Maria, mit der sie durch dick und dünn in der damals noch so schwierigen Schulzeit gegangen war...
Der Abend verging wie im Flug. Agathe kam mit vielen der Anwesenden ins Gespräch und konnte feststellen, wie gut sich die Runde verstand und wie gut sie sich darin einfügen konnte. Man verabredete sich gleich für die nächste Veranstaltung, dort wurde schon eifrig für einen Weihnachtsbasar gebastelt und weitere geschickte Hände dringend gesucht. Und Spaß am Basteln hatte sie schon immer gehabt.
Der Tag des Basars war endlich da und Agathes Bäckchen glühten vor Aufregung. Viele Menschen kamen, bewunderten und kauften die angebotenen Sterne, Kerzengestecke und Backwaren. Der Erlös sollte krebskranken Kindern zugute kommen und die Bastelgruppe war natürlich besonders stolz über ihren Erfolg.
Es kamen auch eine Menge Verwandte der Bewohner. Darunter fiel Agathe ein kleines blasses Mädchen auf, das sich scheu gegen den Rücken seiner Mutter drückte und so einen traurigen Zug um die Augen hatte. Eva hieß die Kleine, erfuhr sie von einer ihrer neugewonnenen Freundinnen aus der Bastelgruppe, und war die sieben-jährige Enkelin einer Hausbewohnerin.
"Das Kind und die Familie haben es nicht leicht. Bei dem Mädchen ist ein Hirntumor diagnostiziert worden. Das Kind muss noch vor Weihnachten operiert werden, damit es eine Überlebenschance hat. Die Familie ist jetzt extra noch einmal zur Großmutter gekommen, dann müssen sie nach München abreisen."
Die Kleine tat Agathe leid und gerne hätte sie ihr etwas besonders geschenkt. Da fiel ihr wieder die Murmel ein, die sie an dem Tag gefunden hatte, an dem ihre Einsamkeit endete. Ob die Zeit reichen würde, sie zu holen? So schnell sie konnte, machte sie sich auf den Weg.
Der Fahrstuhl schien heute wieder besonders lange zu brauchen, bis er das richtige Stockwerk erreicht hatte, der lange Gang bis zu ihrer Tür schier endlos. Aber schließlich hatte sie es doch geschafft. Außer Atem und erschöpft betrat sie gerade dann wieder den Saal, als Eva diesen mit ihren Eltern verlassen wollte.
"Warte, Kind", kam noch etwas atemlos aus ihr heraus, "ich habe etwas für dich!"
Mit einem wissend-fragenden Blick zeigte sie die Murmel den Eltern, die die Absicht der Frau erkannten und freundlich nickten.
"Hier, meine Kleine. Die hat mir einmal schon sehr geholfen und nun möchte ich sie dir schenken."
Sie hielt dem Mädchen die glitzernde Kugel entgegen. Evas Wangen schienen einen Hauch mehr Farbe zu bekommen und in den Augen blitzte erstmals, seit sie hier war, ein Funken kindliche Fröhlichkeit auf. Stumm starrte sie auf die Murmel, drehte sie vorsichtig und rief dann ganz erfreut: "Oh, da ist ja ein Gesicht drin!"
Ihr dankbarer Blick streifte Agathe warm, bevor sie mit ihren Eltern den Saal verlies.
Draußen zeigte Eva die Kugel, noch immer aufgeregt, genauer ihren Eltern Andrea und Roland. Das durchsichtige Glas umschloss eine leuchtend türkise Spirale und die eine Seite sah tatsächlich aus wie ein Gesicht: dunkle Punkte bildeten die Augen, ein schmaler Federstrich sah wie ein lächelnder Mund aus. Eva liebte Türkis, ihr Zimmer, ihre Kleidung, alles musste in türkisen Tönen gehalten sein. Ganz fest umschloss die Kinderhand die glatte Fläche des Glases, als ob sie sie nie wieder loslassen möchte.
Auch am Tag der Operation hatte Eva darauf bestanden, die Murmel mit ins Krankenhaus zu nehmen. Unerklärlicherweise hatte dieses einfache Spielzeug es geschafft, die schreckliche Angst des Kindes vor dem gefährlichen Eingriff zu dämpfen. Das spürten auch die Eltern und waren deshalb selbst ein wenig erleichterter. Die Operation war für den Vormittag angesetzt und es konnte lange dauern, hatte man gesagt. Eva hatte dem Vater die Kugel kurz bevor sie in den Operationssaal hineingeschoben wurde, in die Hand gedrückt und sich fest versprechen lassen, dass er besonders gut auf sie aufpassen würde...
Es waren die härtesten Stunden ihres Lebens gewesen, das Warten im Krankenhaus, jetzt zwei Tage vor dem Fest. Andrea und Roland saßen meist stumm in dem langen Gang vor den Operationssälen, sahen nur jedes Mal hoffnungsfroh auf, wenn sich die Tür öffnete und eine Schwester oder ein Arzt mit eiligen Schritten an ihnen vorbei hastete. Roland hielt die Murmel vollkommen unbewusst die ganze Zeit in der Hand, merkte nur manchmal den Schmerz der Finger, die sich weiß färbten, wenn der Druck zu stark ums Glas wurde. Endlich war es soweit, der Chirurg trat vor die beiden, ein beruhigendes Lächeln umspielte seinen Mund.
"Alles gut verlaufen, der Tumor konnte ganz entfernt werden. Es werden keine Schäden zurückbleiben. Sie ist von der leichten Narkose schon wieder aufgewacht und hat nach einer Murmel gefragt. Wissen sie etwas davon?"
Lächelnd löste Roland die schweißnassen Finger von der Kugel und zeigte sie dem Arzt.
"Das da ist ihr Glücksbringer, von der hat sie gesprochen."
Vier Tage später durfte Eva schon wieder herumlaufen. Ihre natürliche Fröhlichkeit war zurückgekehrt und die früher quälenden Kopfschmerzen sollten für immer Vergangenheit sein. Neugierig schaute sie durch die offenen Türen in die anderen Zimmer. In einem lag ein junger Mann mit genauso blasser Miene, wie sie noch vor ein paar Tagen. Er starrte nur an die Decke, reagierte auf nichts. Beim dritten Vorbeigehen ging Eva einfach ins Zimmer hinein. Keiner hatte sie bemerkt. Auch der junge Mann reagierte nicht auf sie, antwortete nicht auf ihre Fragen. Starrte nur an die Decke. Stumm legte das Kind die Murmel auf das schmale Krankenhausschränkchen neben dem Bett des Patienten und ging leise wieder hinaus.
Jetzt drehte dieser den Kopf und ein schmales Lächeln huschte über seine Züge. Die glitzernde Kugel hatte eine tiefblaue Spirale in ihrem Inneren und fast schien es, als wäre da ein Gesicht. Und Blau ist doch seine Lieblingsfarbe...


Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.


»»» Weitere Weihnachtsgeschichten «««

»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««

»»» HOME PAGE «««