Kurzgeschichte Science Fiction        
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Skundige Legenden - Von Philosophen und Flaschenöffner

© Manuel Sebastian Dold


Dann warden es Aristokrateles und sein über alle Maßen weiser Schüler Patriarchon, beide ihres Zeichens Philosophen - die neuen Helden.
Eines Tages sah der allem Besitz entsagende, in einem alten Altglaskontainer hausende Aristokrateles, wie ein armer Bettler eine Bierflasche an einem Brunnenrand aufschlug und geschickt aus ihrem Stumpfe trank, ohne sich zu schneiden. Da warf er auch noch seinen Flaschenöffner weg.
Anschließend gesellte sich mit dieser Erkenntnis zum Zirkel der Philosophen, dem auch sein Schüler Patriarchon beiwohnte.
"Welch faszinierende Episode mir heut' wieder widerfuhr." "Och nö, nich' schon wieder die alte "Geh mir aus der Sonne"-Geschichte mit jemandem, der bloß sein Altglas wegbringen wollte." "Aber nein, aber nein, die habe ich ehrlich gesprochen ohnehin nur einem Buch erheiternder Anekdoten über bekannte Philosophen entnommen, ohne sie je selbst zu erleben. Heut früh hingegen erblickte ich einen armen Bettler..." "Wie außergewöhnlich, zumeist erblickt man nur reiche." "Was?" "Bettler." "Hoho." "...der trank aus einer Flasche Bier. Doch da ihm in seiner Armut kein Flaschenöffner zur Hand war, schlug er sie einfach am Rande eines Brunnens auf." "Die Armut?" "Nein, die Flasche." "Ich denke, dass wäre zu diskutieren. Ist nicht beides möglich?" "Da begann ich zu begreifen und warf auch noch meinen Flaschenöffner weg." "Ich halte es nicht für richtig, seinen Flaschenöffner wegzuwefen, Gevatter Philosoph", erhob sich die lallende Stimme Manuel Kantes über die anderen. "Er könnte sich später noch als nützlich erweisen, vielleicht zum öffnen von Flaschen, oder Ähnlichem." "Dabei kommt mir zu Sinnen, für den Abend lud mich der hohe Konsul Julisses Zähsah auf sein Anwesen ein. Die haben dort Dienstboten zum öffnen der Flaschen. Ob ich sie wohl bitten sollte, mir meine wieder zu verschließen?" "Dann, nehme ich an, werdet Ihr wieder eine Menge mitgehen lassen", meldete sich Dschon-Dschak Rüssau zu Wort.
"Wie sonst sollte ich meinen Ruf der Verschrobenheit aufrecht erhalten, der mir den Zutritt zu eben diesen Abenden sichert?" "Ihr könntet Euch ein schnittiges Lederwams zulegen, wie es gerade bei den jungen Leuten modern ist." Das war Martin Abdegger, der direkt neben mir und Gassenhauer saß.
"Alles, Hauptsache weit weg von meinem zänkischen Weib, der Schriftgelehrten Xantippse, die noch immer nicht mit meinen ersten Schriften fertig ist. Wo wäre ich nur, würd' mich diese Frau nicht antreiben. Sagt, meine Herren, habt Ihr auch noch eine Flasche für mich? - Und zack, sehr Ihr? Ab ist der Hals." "Vielleicht könntet ihr so sogar noch den Dickkopf Eures Weibes einer nützlichen Verwendung zuführen, anstatt hier Kerben in den Stein zu schlagen", mischte ich mich in die Diskussion ein und erntete lautstarkes Gelächter.
"Halt, wartet bitte einen Moment, guter Mann", wandte sich mein Meister Aristokrateles da unvermittelt an einen vorbeikommenden Passanten. "Habt Ihr Euch schon einmal gefragt, ob ihr wirklich glücklich seid?" "Willst wohl eins in die Fresse, eh? Verpiss dich Alter!" entgegnete dieser.
Mein Meister ließ sich zu uns zurückfallen: "Und da sagt man immer, die heutige Jugend würde ob ihrer Stupidität zum Untergang der Kultur." "Aber es ist doch auch wahr. Mit der Zeit verjubeln diese kiffbirnigen Jungjupies alle Werte von Anstand und Ehre, die wir jemals erkämpft haben", warf Kante ein, zischte sich noch ein Bier und fiel sturzbetrunken von seiner Mauer.
"Ich für meinen Teil halte nicht viel von Ehre, dafür sind schon zu viele intelligente Leute wegen dieser gestorben", erwiderte mein Meister dennoch, unterdessen Kantes Flaschenöffner klirrend auf dem Pflaster aufschlug. "Und was den Anstand betrifft, so ist dessen Definition eben der entsprechenden Zeit unterworfen.
Zu meiner Schande muss ich ehrlich gestehen, manchmal wünsche auch ich mir, es gäbe tatsächlich einen einzigen großen Plan hinter all dem hier und am Ende aller Zeiten würde noch jemand übrig sein, um zu sagen: "Ach so."" Mit dem Wegtreten Kantes verließen uns bald die Anderen, dass schließlich einmal mehr nur mein Meister und meine Wenigkeit über blieben. Endlich konnte ich mich in einer persönlichen Angelegenheit an ihn wenden.
"Was mach ich nur falsch?"
"Vielleicht solltest du nächstes Mal die Zeile "Deine Nasenhaare sind wie mondbeschienenes Moos" weglassen. Ich musste feststellen, selbst Menschen unserer intellektuellen Gehaltsklasse halten nicht viel von Schönheitserklärungen dieser Art, gleich welchen Genius. Oh, Gehaltsklasse, was für ein Teekesselchen!" So war mein Meister. Unglücklicherweise verstarb Aristokrateles bald darauf, als er sich die Luftröhre mit der Scherbe einer unsauber aufgeschlagenen Bierflasche aufschlitzte, noch ehe er selbst dieses Gespräch schriftlich festhalten konnte.



Eingereicht am 14. März 2006.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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