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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Rauchen gefährdet die Gesundheit

© Markus Kessler


Rauchen ist sicher nicht gefährlicher als Autofahren, da werden mir viele Raucher beipflichten. Aber beides zusammen könnte einen umbringen. Sie glauben mir nicht? Ich hab's auch nicht geglaubt, damals, im Sommer 1992.
Es war ein schöner Tag. Die Sonne hing hell an dem stahlblauen, wolkenlosen Himmel. Das Thermometer zeigte 32 Grad im Schatten.
Ich war unterwegs von der Arbeit nach Hause. Das Fenster meines VW Golf war ganz herunter gekurbelt, um den warmen, aber angenehmen Fahrtwind einzulassen. Aus dem Radio dröhnte Rolling Home von Status Quo. Mit dem linken Fuss klopfte ich den Takt mit und versuchte gleichzeitig mitzusingen. Es klang scheusslich. Als Sänger würde ich wohl nie erfolgreich sein. Aber das war auch nicht so wichtig. Ich war gut drauf, und das war alles was zählte.
Zwischendurch wischte ich mir mit dem Handrücken die Schweissperlen von der Stirn. Aber schon wenige Sekunden später waren wieder neue da. Ich freute mich auf zu Hause und auf ein kühles Bier.
Langsam hatte der Verkehr zugenommen. Ich fragte mich, ob die anderen Autofahrer auch so gut drauf waren wie ich. Aber ein gelegentliches Hupen vor oder hinter mir liess mich daran Zweifeln.
Inzwischen wälzte sich auf der Strasse Auto um Auto der Stadt entgegen. Das Tempo wurde langsamer. Anstelle von achtzig wurden jetzt nur noch sechzig Stundenkilometer gefahren. Beinahe wäre ich dem Wagen vor mir aufgefahren. Ein Blick in den Rückspiegel überzeugte mich davon, dass der Fahrer hinter mir meinen Fehler bemerkt hatte und etwas mehr Abstand einhielt. Ich hob entschuldigend die Hand und konzentrierte mich wieder auf den Verkehr vor mir.
Ich spürte, wie leise Ungeduld in mir aufstieg. Wenn die Geschwindigkeit noch langsamer wurde, könnte die Fahrt nach Hause noch mehr als eine halbe Stunde dauern. In dieser Hitze war das einfach viel zu lange. Ich würde geschmolzen sein, wenn ich zu Hause ankam. Mein Gemütszustand verschlechterte sich von Minute zu Minute.
Um dem entgegenzuwirken griff ich nach dem Päckchen Zigaretten, das für solche Fälle immer im Handschuhfach lag und fingerte mir eine Camel heraus. Ich steckte sie mir zwischen die Lippen und zog das Feuerzeug aus dem Handschuhfach.
Ich versuchte, dem Feuerzeug eine Flamme zu entlocken, doch es schien fast leer zu sein. Ich schraubte also den Regler für die Höhe der Flamme ganz nach rechts.
Inzwischen war ich vor einer ziemlich starken Linkskurve und musste das Feuerzeug auf den Beifahrersitz legen, damit ich beide Hände frei hatte, um den Wagen um die Kurve zu lenken. Kaum hatte ich die Kurve passiert, griff ich wieder zum Feuerzeug und versuchte erneut die Zigarette zu entfachen. Im dritten Versuch hatte ich es dann endlich geschafft. Ich legte das Feuerzeug zurück ins Handschuhfach und richtete den Blick wieder auf die Strasse.
Es durchfuhr mich wie ein Blitz, als ich sah, dass ich nur noch mit der linken Hälfte des Wagens auf der Strasse fuhr. Die andere Hälfte befand sich bereits auf dem trockenen Gras daneben. Und weniger als zehn Meter vor mir ragte ein riesig wirkenden Beleuchtungsmast dem Himmel entgegen.
Verzweifelt versuchte ich das Steuer nach links zu reissen, um dem stählernen Ding auszuweichen. Und beinahe hätte ich es geschafft. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Kandelaber knapp an der Beifahrertüre vorbei schoss. Und dann hörte ich einen lauten Knall. Die Zigarette, die in meinem Mundwinkel hing, fiel heraus. Mir wurde es einen kurzen Augenblick schwarz vor Augen. Ich hörte Reifen quietschen und hatte das Gefühl, mich seitwärts zu bewegen.
Wie in Zeitlupe neigte sich der Wagen immer mehr nach links. Ich wurde an die Türe gedrückt. Und plötzlich schien sich die ganze Welt um mich herum zu drehen. Was Sekunden vorher noch oben war, war jetzt plötzlich unten. Alles was nicht irgendwo befestigt war, flog mir um die Ohren. Und genauso schnell wie alles begonnen hatte, war es auch vorbei.
Der Wagen war auf dem Dach liegen geblieben. Der Geruch ausgelaufenen Benzins stieg mir in die Nase. Meine Zigarette fiel mir wieder ein. Sie musste irgendwo im Wagen liegen und vor sich hin glühen. Ich stellte mir vor, wie sich ausgelaufenes Benzin daran entzündete. Bloss raus hier, dachte ich und kroch so schnell ich konnte aus dem offenen Fenster.
Benommen setzte ich mich am Strassenrand ins Gras und sah mir die zertrümmerten Überreste meines Autos an. Kein Blech daran war mehr gerade. Die Frontscheibe war in tausend kleine Splitter zersprungen, welche sich auf dem Asphalt verteilt hatten und in der Sonne glitzerten.
Es dauerte einige lange Minuten bis ich begriff, was passiert war. Eine einzelne Träne, oder vielleicht auch nur ein Schweisstropfen rann über mein Gesicht.
Scheisse, dachte ich, Und das alles bloss wegen einer Zigarette. Mit einem letzten Blick auf das Wrack, das einmal mein Auto gewesen war, beschloss ich, ab sofort nicht mehr zu Rauchen.



Eingereicht am 28. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



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