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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Nirgendwohin

© Michael Hardegger


"Und, wohin gehst du heute Abend?", fragte Sandra. Eliane packte das Etui aus der Schultasche und zuckte mit den Schultern.
"Weiss nicht."
Sandra setzte sich neben Eliane an den Tisch und erzählte: "Ich geh mit ein paar Freundinnen in diesen neuen Club. Emanuel, wie heisst der schon wieder?"
Emanuel kratzte sich unter seinen Rastalocken und schlug zweifelnd vor: "Bananas?"
"Ne, den mein ich nicht."
"Seven Rooms!", sagte Corinne, die eben ins Schulzimmer kam, "Dorthin geh ich am Samstag."
"Mit wem?", wollte Sandra wissen.
"Mit Jenny und André."
"André?"
"Der Austauschschüler aus dem 4mb. Dieser herzige Franzose mit den blauen Augen."
"Ah, der."
Eliane nahm derweil einen Bleistift hervor, schlug das Mathebuch auf und kritzelte am Seitenrand ein paar Zeichen hin. Keine bestimmten, nur irgendwelche Ziffern, Buchstaben, Symbole. Es war ihr egal, was sie schrieb, solange sie etwas zu tun hatte. André, André, André! Sie konnte ihn nicht ausstehen. Dämlicher Franzose. Der Spitz des Bleistifts brach unter dem Druck.
"Was machst du da?" Eliane schreckte auf und bemerkte, wie Sandra sie stirnrunzelnd beobachtete.
"Ich zeichne nur."
"Und was bitte soll das sein?"
"Nichts." Sie schloss das Buch wieder und wartete sehnsüchtig darauf, dass endlich der Lehrer eintrat und damit begann, Zahlen, Formeln und Gleichungen auf die Tafel zu schreiben.
André aus dem 4mb sass zur gleichen Zeit zwei Etagen höher neben Elianes Bruder Thomas und lauschte fasziniert der Stimme Nadjas. Das Mädchen erzählte irgendetwas, keiner der beiden wusste was, aber sie sprach mit ihnen. Und das war einzigartig. Ihre Stimme klang wie die der deutschen Synchronsprecherin von Cameron Diaz und wenn sie mit den Augen zwinkerte, sah sie sogar noch etwas besser aus als die Schauspielerin.
"He, Jungs, was glotzt ihr denn so", stichelte Jenny, aber niemand schenkte Nadjas molliger Freundin auch nur die geringste Beachtung.
"... und dann ist Sandra gekommen und hat ..."
"Ruhe!" Nadja brach augenblicklich ab und wandte sich der Tafel zu. Die Deutschlehrerin war hinter ihrem Pult aufgestanden. "Schlagt die Bücher auf Seite 394 auf!"
Als der Lärm umgeblätterter Buchseiten für einige Sekunden das Tuscheln untereinander erlaubte, flüsterte Thomas zu André: "Ich glaube, sie liebt mich"
"Träumer! Sie liebte schon immer mich", entgegnete der Franzose mit starkem Akzent. Aber Thomas war sich sicher. Nadja wollte am Samstag mit ihm ins Kino gehen, während André nur mit ein paar kleinen Mädchen aus Elianes Klasse ausging.
Eliane bemühte sich derweil vergeblich, die Konzentration auf die Hyperbelfunktion zu richten und sich nicht durch das ewige Geschwätz ihrer Banknachbarin ablenken zu lassen. Doch Sandra hatte so viel zu berichten.
Unendlich Geschichten, immer, an jedem Tag, zu jeder Stunde. Sie plauderte, plauderte, plauderte. Endlos.
"Und, wohin gehst du eigentlich heute Abend?", erkundigte Sandra sich und da legte Eliane genervt den Stift nieder: "Nirgendwohin! Ich hab's dir doch schon gesagt."
Verwundert über Elianes Reaktion setzte Sandra nach: "Und morgen?"
"Nirgendwohin!"
"Aber morgen ist doch Samstag?!"
"Und trotzdem gehe ich nirgendwohin!"
"Wieso regst du dich denn so auf? Ist was?"
Eliane rückte zur Seite und stützte mürrisch ihr Kinn auf die Faust.
Sandra versuchte: "Aber ..."
"Halt endlich das Maul!" Erzürnt wandte Eliane sich um, holte mit der Hand aus und schlug zu. Sandra wurde nach hinten geschleudert, fiel vom Stuhl, krachte zu Boden. Sie war so perplex, dass sie nicht einmal zu schreien vermochte.
Einen Moment lang verharrte Eliane ohne zu realisieren, was geschehen war. Doch bald fühlte sie all die stechenden Blicke, welche auf sie gerichtet waren. Der Lehrer senkte die Kreide in seiner Hand und fragte unwirsch: "Was ist da hinten los?"
"Nichts!", schrie Eliane zurück, packte das Etui und schleuderte es in ihre Schultasche. Diese schwang sie auf den Rücken und sprang zur Türe, stiess sie auf, schmetterte sie wuchtvoll hinter sich zu. Draussen auf dem Flur begann Eliane aufgelöst zu weinen.
Im Schulzimmer jedoch hinterliess die zuknallende Türe eine bedrückende Stille.
Die Schüler sahen sich verdattert an und der Lehrer begann betreten mit der Kreide zu spielen. Schliesslich fiel ihm nichts anderes ein, als die nächste Formel an die Tafel zu schreiben. Die Kreide quietschte.
"Was war denn das?", unterbrach Corinne das Schweigen, nachdem sich Sandra wieder aufgerichtet und an ihren Platz gesetzt hatte.
"Ach, die spinnt doch." Mit einer abfälligen Handbewegung war für Sandra die Angelegenheit erledigt.
Währenddem lehnte Eliane in einer Ecke des Mädchenklos und schluchzte vor sich hin. Sie war verzweifelt, am Ende. Ihre Glieder schmerzten, der Kopf dröhnte.
Das Herz hämmerte gegen die Rippen, als wolle es den Brustkorb zersprengen. Was sollte sie tun? Zurückgehen? Das Gelächter der Mitschüler hallte qualvoll durch Elianes Schädel. Was sollte sie tun? Die Frage brannte sich in ihren Kopf ein.
Hilflos fuchtelte sie mit den Armen. Sie wollte schreien, etwas kaputt schlagen, zerstören. Ihr Herz pochte wild.
Nein, zurück konnte sie nicht. Zurück wollte sie nicht. Zurück durfte sie nicht.
Sie lachten. Sie lachten bestimmt. Entsetzliche Einsamkeit erfüllte Elianes Herz. Ganz alleine stand sie hier, in diesem dreckigen, stinkenden Klo. Alleine mit ihrem Spiegelbild, welches sich an der Wand auf und ab bewegte.
Selbstquälerisch mit sich ringend, rettungslos und verloren.
Doch dann biss Eliane auf die Zähne, verkrampfte ihre Muskeln, den ganzen Hass, die ganze Wut zusammenreissend. Niemand wollte etwas von ihr? Niemand mochte sie? Na und, sie konnte alleine bestehen, sie konnte alleine kämpfen. Die Tränen wischte sie von der Wange. Sie schniefte, hob das Kinn an, presste die Lippen zusammen und verliess das Klo.
Thomas hatte in der Deutschstunde die Türe zuknallen gehört und sich schon gefragt, ob irgendein Lehrer die Nerven verloren hatte. In der Pause aber kam Corinne zu ihm und erzählte, dass es Eliane gewesen war. Ausgerechnet Eliane, die ewig stille. Zuerst glaubte Thomas, Corinne scherze bloss, aber kurz darauf rief ihm Sandra über den Pausenplatz zu: "Sag deiner Schwester, sie sei eine dumme, verzogene Göre!"
Mit offenem Mund starrte Thomas zur rauchenden Sandra hinüber.
"Deine Schwester war nicht eben feinfühlig im Umgang mit Sandra", erklärte Corinne.
"Was hat sie denn gesagt?"
"Ich habe nur den Schluss verstanden."
"Und der lautete?"
"So ungefähr: 'Halt's Maul!' Und dann hat Eliane nach Sandra geschlagen."
"Sie wird ihren Grund gehabt haben."
Corinne zuckte mit den Schultern. "Sandras Geplapper nervt manchmal schon, aber deswegen gleich ausrasten? - Ach ja, kannst du André noch ausrichten, dass ich morgen erst um acht kommen kann?"
Thomas nickte und im selben Moment läutete die Glocke. Bedächtig schlenderte er zum Haupteingang, stieg die Treppen empor, durchtrat die Türe ins Schulzimmer, setzte sich, versank in Gedanken. Er hatte Eliane nie verstanden. Sie war ein hübsches Mädchen, hübsch und klug. Aber vor allem war sie so anders als Corinne, Nadja, Sandra und die vielen Mädchen am Gymnasium. Eliane war so viel ruhiger, so verschlossen und geheimnisvoll. Stunden um Stunden verbrachte sie eingesperrt in ihrem düstern Zimmer, hörte nur Musik und las langweilige Bücher.
"Thomas?"
Dieser schreckte auf. Der Lehrer starrte ihn an und wartete auf eine Antwort.
"Äh ..." Was wollte dieser dumme Lehrer bloss wissen? "Ähm ..." Thomas betrachtete die Tafel und behauptete unsicher: "5 ... nein 6!", ergänzte er, als er den missbilligenden Blick des Lehrers sah.
Es war 18 Uhr und die Sonne stand schon tief. In der Küche roch es nach Spaghetti. Thomas, die fünfjährige Sabrina und die Eltern sassen alle bei Tisch und warteten.
"Eliane, komm, das Essen ist fertig!", rief der Vater zum dritten Mal und als wieder keine Reaktion folgte, stand er so wütend auf, dass der Stuhl hinter ihm bedrohlich wankte. "ELIANE!" Fluchend verliess er das Esszimmer und Thomas hörte, wie der schwere Mann die Treppe hoch stampfte und an der Türe zu Elianes Zimmer klopfte. Das Mädchen schluchzte, sie wolle in Ruhe gelassen werden, aber damit gab sich Vater nicht zufrieden. "Mach die Türe auf!"
Er drückte den Griff nieder, aber das Zimmer war wie immer abgeschlossen.
"Verfluchte Göre! Wenn du wieder rauskommst, nehme ich dir den Schlüssel weg!", schimpfte der Vater und hämmerte die Faust gegen das Holz, bevor er sie alleine liess. Thomas' Mutter schwieg. Das Besteck klimperte und klirrte.
In Elianes Schlafzimmer lagen Kleider wild durcheinander, Poster waren zerrissen, Bücher bedeckten den Boden. Und mitten in diesem Chaos lag das verzweifelte Mädchen. Tränen rannen über ihre Wangen, sie wimmerte tonlos.
Als ihr Vater gegen die Türe gepoltert hatte, hatte sie sich unter dem Pult versteckt aus Furcht, er könnte das Holz einschlagen. Jetzt war sie wieder versunken in ihrer Welt, einer Welt voller Selbstmitleid und Kummer. Sie sehnte sich so sehr nach etwas Ruhe, danach, einfach zu schlafen und all die Sorgen zu vergessen. Musste sie immer stark sein? Was, wenn sie aufgeben würde? Was würde sie verlieren? Sie stellte sich vor, wie ihre Eltern vor dem blassen Körper standen. Die Kleider blutüberströmt. Die Augen offen, starr ins Nichts gerichtet. Ob sie dann weinen würden? Ob dann Sandra, ob dann Corinne, Emanuel, der Lehrer, Thomas und sie alle weinen würden? Eliane sah sie am Grab stehend, in schwarzen Kleidern. Erkannten sie dann endlich, dass sie jemanden vergessen hatten?
Stumm schöpfte Thomas' Mutter den Rest der Spaghettis in Elianes Teller, nahm Messer und Gabel und stieg hinauf zum Zimmer des Mädchens. Der Vater blickte ihr nach und schluckte den nächsten Bissen hinunter. "Ich versteh die Kleine einfach nicht. Das Essen ist doch fein?"
Er war ahnungslos. Einen Anwalt interessierten nicht die Hintergründe, sondern die Taten, die Fakten. Und Elianes Vater war Anwalt. Thomas legte das Besteck auf den Teller und trank sein Glas aus.
"Gehst du heute Abend aus?"
Thomas nickte.
"Mit dieser Nadja?"
"Nein. Mit ihr geh ich morgen ins Kino. Heute treffe ich mich mit André und ein paar Jungs aus der Klasse."
"Und Eliane? Geht sie aus?"
Wusste der Alte eigentlich nichts?
"Nein, Eliane geht nie aus."
"Aber letzte Woche war sie doch ..."
"Sie hat behauptet, sie wolle in die Disco gehen. Tatsächlich spazierte sie im Wald und schlich sich eine Stunde später wieder ins Haus zurück. Ich habe sie gesehen."
Sprachlos betrachtete der Vater die letzten Spaghettis auf dem Teller. "Und ...
und weshalb hat sie nie mit uns darüber gesprochen?"
"Sie hat sich nicht getraut, euch alles zu erzählen. Sie schämte sich. Und was hättet ihr schon ändern können?"
Eliane blätterte im Fotoalbum, betrachtete die vielen Bilder aus früheren Zeiten. Wie sie mit Thomas im Bach geplanscht hatte, wie sie jauchzend durch die Wälder gerannt war! Sie hatte oft gelacht, war ein glückliches Kind gewesen.
Doch diese Zeit war vorbei. Thomas hatte Freunde, mit denen er die Freizeit verbrachte, er hatte André. Eliane hatte keine Freundinnen. Nie gehabt. Sie wusste nicht, weshalb. Sie wusste nicht, was an ihr anders, was schlechter, was abartig war. Doch niemand wollte mehr von ihr, als ab und zu in der Pause etwas zu plaudern. Oder sie, wie Sandra, als wandelndes Tagebuch zu benutzen. Eliane war nur ein Gegenstand im Universum, kein Lebewesen, kein Mensch.
Sie stand auf und trat ans Fenster. Wie schön die Wolken glühten im Licht der untergehenden Sonne. Bald würde der Mond seinen sanften Glanz über die Wiesen und Wälder legen, die Welt in magisches Düsterblau hüllen. Eliane berührte die Fensterscheibe mit den Fingern und spürte die Kälte des Glases.
Sie fasste einen Entschluss. Sie wollte es tun.
"Aber ... Was ist mit dieser Corinne, die im Sommer hier war?"
"Das war meine Kollegin, Vater! Nicht die von Eliane. Ich hab sie nur dazu überredet, die Kleine mitspielen zu lassen."
"Und der Geburtstag?"
"Die kamen wegen mir, nicht wegen ihr. Ich hab sie eingeladen. Eliane sass den ganzen Abend da ohne ein Wort zu sagen."
"Kein Wort ..." Der Anwalt liess aufgewühlt seinen Blick durch die Stube schweifen. "Ich hab es nicht gewusst. Ich habe ... ich ... Was soll ich jetzt tun?"
Thomas hatte keine Ahnung. Eliane war kein Mensch, der sich von einem Tag auf den nächsten verändern konnte. Auch wenn Thomas am Montag ein paar Mädchen dazu überreden würde, Eliane in den Ausgang mitzunehmen, sie wäre den ganzen Abend still, tränke höchstens einen Drink, sässe unauffällig in der Ecke. André würde sie bestimmt zum Tanz auffordern, so wie Thomas den Franzosen kannte. Aber Eliane würde den Kopf schütteln und eine Ausrede erfinden. Sie war eines der Mädchen, die am Mittag in der Kantine jeweils hofften, dass sich jemand zu ihnen setzte und wenn dann tatsächlich jemand kam, sprach sie doch kein Wort.
19 Uhr. Die Kirchenglocke schlug in der Ferne. Es war Zeit. Thomas musste sich auf den Weg zu André machen.
02 Uhr. Das letzte Bier war ausgetrunken, die letzte Rechnung bezahlt.
Konzentriert darauf, nicht zu straucheln, schlenderten Thomas, André und die übrigen Jungs vom Bahnhof heimwärts.
"Mach's heute Abend gut mit den Bubis", foppte Thomas den Franzosen. Dieser lallte zurück: "Ja, ja, du und die Nadja, das kann ja nicht gut enden!"
Thomas schmunzelte, als sein Kollege über den Wegrand stolperte und sich nur mit Mühe wieder auffangen konnte.
"Alles in Ordnung?"
"Mais oui, mon frère!"
"Dann mach's gut. Wir sehen uns am Montag."
Thomas verabschiedete sich von allen und überquerte die Strasse. Eine dunkle Gasse eröffnete sich vor ihm, finstere Häuser zu beiden Seiten. In einem dieser schwarzen Gebäude wohnte er, wohnte seine Familie, wohnte Eliane.
Er eilte die Gasse hinunter, um der Kälte endlich zu entrinnen. Wie dunkel die Nacht nur war! Nicht einmal der matte Glanz des Schnees vermochte sie zu erhellen. Doch da bemerkte Thomas das Licht, welches in Elianes Zimmer brannte und verharrte. Bisher war sie noch nie wach gewesen, wenn er nach Hause kam.
Hastig trat Thomas ein, liess die Türe leise ins Schloss fallen, zog Jacke und Schuhe aus. Schnell sah er nach dem Aquarium in der Stube und fütterte die Fische, dann stieg er besorgt die Treppe in die obere Etage hinauf. Durch die Ritze unter Elianes Tür drang Licht. Thomas klopfte leise, flüsterte: "Bist du noch wach, Eliane?"
Keine Antwort.
"Hallo Eliane?"
Nichts. Vorsichtig drückte Thomas die Klinke hinunter und war erstaunt, als die Tür sich öffnete. Aber schnell merkte Thomas, weshalb nicht abgeschlossen war.
Schockiert starrte er ins Zimmer, über all die Kleider, die Bücher, die zerrissenen Poster hinweg.
"Oh mein Gott", murmelte er.
"Nadja, ich kann heute nicht kommen."
"Weshalb nicht?", fragte sie mit ihrer zuckersüssen Stimme. Selbst am Telefon war Thomas jedes Mal wie verzaubert, wenn er sich vorstellte, wie Nadja ihre Lippen am anderen Ende des Drahtes bewegte. Aber jetzt war es anders.
"Die Polizei ist hier."
"Was?"
"Die Polizei ist hier."
"Das hab ich verstanden. Aber warum?"
"Meine Schwester ist ..."
"Deine Schwester? Sabrina?"
"Nein, Eliane."
"Eliane? - Ah, jetzt weiss ich. Die schüchterne Kleine mit den grünen Augen?"
"Genau die."
"Was ist mit ihr?"
"Sie ist einfach verschwunden. Niemand weiss, wo sie sich aufhält."
Nach einer kurzen Pause fragte Nadja: "Und jetzt?"
"Ich habe keine Ahnung ... Ich muss sie suchen."
Es dauerte erneut eine Weile, bis Nadja entschlossen antwortete: "Ich komme zu dir."
"Du musst nicht ..."
"Ich will auch mithelfen."
Thomas zögerte, aber Nadja wartete gar nicht erst eine Antwort ab: "Ich bin um 7 Uhr bei dir."
"Aber ..." Der Hörer wurde aufgelegt, ein Piepston erklang. Thomas schaute entgeistert auf das Telefon, dann zu Vater, der gerade mit einem Polizisten sprach.
"Und was ist, wenn sie mitten in der Nacht von irgendwelchen Betrunkenen gefunden wurde?" Besorgt schritt der Anwalt auf und ab, alle möglichen Szenarien durchdenkend. Plötzlich wandte er sich um. "Mein Taschenmesser, wozu nur hat sie dieses mitgenommen?" Der Polizist zuckte mit den Schultern.
Mutter stand derweil am Fenster und sah hinaus. Stumm wie immer.
Ein Psychiater der Polizei trat vorsichtig zu ihr und sprach: "Ich weiss, dass es sehr schwierig für Sie ist, aber Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen.
Jugendliche sind manchmal schwer zu verstehen."
"Ich mache mir keine Vorwürfe!", entgegnete die Mutter abrupt. "Nicht mir!"
Thomas beobachtete die alternde Frau, welche sich schnaubend wieder dem Fenster zukehrte.
Klingeln. Nadja. Thomas erhob sich vom Sofa und öffnete die Haustüre. Sie war es tatsächlich, eingehüllt in einen dicken Mantel.
"Brrr. Es ist kühl."
Thomas nickte bedrückt. Eliane war draussen.
"Sollen wir hinaufgehen?"
"Okay."
Froh darüber, seinen Eltern in der Stube zu entkommen, schritt Thomas voran in sein Zimmer und setzte sich dort auf den Bürosessel, während sich Nadja aufs Bett niederliess.
"Und, wie geht's?", fragte Nadja.
Thomas zuckte mit den Schultern. "Noch keine Spur von Eliane. Und unten streiten sich Vater und Mutter seit einer Stunde. Die Polizei durchforstet im Moment die Wälder, aber sie nehmen an, dass Eliane sich schon bald irgendwo meldet."
"Wahrscheinlich", bestätigte Nadja aufmunternd. "Lange hält sie es in dieser Kälte nicht alleine aus. Vielleicht geht sie ja zu einer Verwandten oder einer Freundin."
"Zu wem denn? Unsere Grosseltern leben im Wallis und Freundinnen? Sie hat keine Freundinnen."
"Dann kommt sie halt wieder zurück."
"Das wird sie nicht tun. Als sie Sandra geschlagen hat, kam sie auch nicht einfach zurück ins Schulzimmer. Sie traut sich nicht."
Nadja dachte nach: "Weisst du was? Ich ruf Sandra an. Sie soll kommen und helfen."
"Sie wird nicht kommen. Sie hasst meine Schwester nach dem, was am Freitag geschehen ist."
"Wenn du das denkst, weisst du nicht viel über Sandra", erwiderte Nadja und nahm ihr Handy aus der Tasche.
Sandra stand aufgeregt neben Thomas' Schreibtisch und überlegte: "Also, so wie ich Eliane kenne, ist sie sicher nicht ziellos in den Wald gelaufen."
"Dann wäre sie auch längst zurück", bestätigte Nadja.
"Genau. Ich denke eher, dass sie sich den ganzen Abend überlegt hat, wie sie ihre Flucht am besten durchführt. Vor allem auch, was das Wiedergefundenwerden anbelangt."
Thomas runzelte die Stirn: "Das Wiedergefundenwerden?"
Überlegen lächelnd stellte Sandra den Kopf schief: "Du hast keine Ahnung, wie?
Weshalb läuft ein Mädchen wie Eliane von zuhause weg? Um ein neues Leben anzufangen? Nein. Dazu hat sie nicht den Mut."
Drohend stand Thomas auf. Den ganzen Abend schon spöttelte Sandra unbekümmert über Eliane, als wäre nichts geschehen. "Warum ist sie dann fort?"
"Um aufmerksam auf sich zu machen! Sie will, dass wir uns Sorgen um sie machen, dass wir Tag und Nacht an sie denken, dass wir nicht mehr schlafen können! Aber trotzdem wird sie alle Spuren zurückgelassen haben, die uns ihr Fluchtziel verraten."
Thomas setzte sich wieder. Das klang logisch, musste er eingestehen und auch Nadja senkte zustimmend ihren Kopf.
"Und wo sollen wir suchen?"
"In ihrem Zimmer natürlich."
Thomas untersuchte konzentriert die Schulmäppchen nach Spuren, Nadja klickte am PC herum, Sandra durchwühlte die Kleider. "Also, da fehlen mindestens zwei Pullover, die sie in der Schule schon getragen hat."
"Ihr rotes Kleid ist auch weg", erzählte Thomas. Seiner Mutter war das bereits am Nachmittag aufgefallen.
"Also will sie vielleicht auf einen Ball?", witzelte Sandra.
"Halt endlich die Klappe", stoppte Thomas sie nach einem Blick aus dem Fenster.
Die Nacht hatte begonnen und noch immer fielen dicke Schneeflocken.
"He, da ist was!", rief Sandra plötzlich.
"Was?"
Sie zeigte auf eine zwischen Kleidern und Büchern liegende, halb zerrissene Zeitung.
"Wie bitte?" Thomas verstand nichts.
"Schau es dir genau an! Da wurde ein Artikel herausgerissen. Nadja, sieh mal im Internet nach, was da stand."
Ein paar Klicks später berichtete diese: "Das ergibt keinen Sinn. Es ist ein Text über die russisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen im Verlaufe der letzten Jahre."
Enttäuscht kickte Sandra die Zeitung beiseite. Unterdessen aber hatte Thomas eine Spur entdeckt. Eine Quittung im Papierkorb. Eliane war also am Vortag einkaufen.
"Was hat sie geholt?"
"Sandwichs, Mineralwasser, Äpfel und ... und eine Landkarte!"
"Was für eine Karte?"
"1:10'000, Stein am Rhein."
"Stein am Rhein? Was sollte sie da bloss wollen?", wunderte sich Sandra. Thomas dachte angestrengt nach, aber er erinnerte sich an keine Bekannten oder entfernt Verwandten, die dort lebten. Schliesslich war es Nadja, welche auf die Lösung stiess: "Sandra, gib mir doch nochmals die Zeitung!"
Sie tippte einige Wörter ein und lächelte: "Da haben wir's: Eine Anzeige auf der Rückseite."
"Wofür?"
"Junge Hilfskräfte werden dringend gesucht für ein Musikfestival in Stein am Rhein. Mit Unterbringung und Verköstigung für vier Tage. Ab heute Abend."
Klirrende Kälte liess das Trio schlottern, als sie am frühen Sonntagmorgen im Winterthurer Bahnhof auf dem Peron warteten. Monoton hallte eine Stimme über die menschenleeren Bahnsteige: "Die S29 nach Stein am Rhein verspätet sich infolge starken Schneefalls um zehn Minuten. Wir bitten sie um Entschuldigung."
Thomas hatte den Arm um Nadja gelegt, Sandra hüpfte auf und ab.
"Und das wärmt?", erkundigte sich Thomas skeptisch.
Sandra entgegnete: "Nicht wirklich, aber es lenkt ab von der Kälte."
"He, ihr da!" Überrascht blickte Thomas zur Unterführung. Die Stimme kannte er, es war André! "Eine tolle Nacht gehabt?"
Aufgestützt auf Corinne torkelte er die Stufen hoch, in der freien Hand eine Bierdose haltend.
Thomas schüttelte den Kopf. "Nein."
"Und trotzdem bist du es, der Nadja in den Armen hält. Ich fass es nicht!"
Corinne zwinkerte Thomas zu und erklärte: "Die anderen sind schon um drei nach Hause, aber das hat der nicht mehr geschafft."
"Ne, hab ich nicht!", bestätigte André und fiel beinahe über die eigenen Füsse.
"Und was ging bei euch so ab."
Wieder erhob sich eine Stimme aus den Lautsprechern, die verkündete: "Auf Gleis
7 erfolgt jetzt die Einfahrt des Regionalzuges nach Stein am Rhein."
"Endlich!", seufzte Sandra, noch immer hüpfend.
"Weshalb endlich?", wollte Corinne wissen, "Wir wollen ja nicht nach Stein am Rhein."
"Ich schon", erklärte Thomas.
Der Wagon war praktisch leer, so dass sich schnell ein Platz finden liess, an dem André ungestört seinen Rausch ausschlafen konnte. Die Mädchen und Thomas setzten sich derweil in das Abteil gegenüber und Corinne fragte: "Also, Eliane ist einfach weggerannt? Weshalb?"
"Damit wir sie suchen", erwiderte Thomas. Draussen rauschte die Winterlandschaft vorbei.
"Komm, Mädchen, steh auf! Es ist Mittag!"
Der Gruppenleiter des Barteams schüttelte Eliane wach. Sie blinzelte, richtete sich etwas auf, sah das verschwommene Gesicht des jungen Mannes.
"Ist schon Morgen?", murmelte sie.
"Nicht Morgen, Mittag! Du hast in der Nacht lange gearbeitet, aber heute um 14 Uhr geht's weiter. Wir haben ein kleines Mittagessen für alle Hilfskräfte."
Eliane realisierte, dass sie in einem Lehnstuhl neben der Bühne lag, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wie sie dorthin gelangt war. Der Gruppenleiter
erklärte: "Du bist heute irgendwann nach vier Uhr eingenickt und direkt hinter der Bar liegen geblieben. Bis ins Hotel vermochte ich dich nicht zu tragen, also brachte ich dich hierher."
Allerlei Gedanken schossen durch Elianes Gehirn, Musik schallte über die Menschen, sie sah die tobende Masse. Ihr Kopf brummte. Sie hatte getrunken, das wusste sie noch. Sie hatte viel getrunken.
"Komm jetzt!"
Im Esszimmer sassen die anderen Gehilfen verschlafen am Tisch. Sie alle waren Jugendliche zwischen 16 und 20, erschöpft von der vergangenen Nacht. Es gab Riz Casimir mit Salat. Eliane mochte Riz Casimir nicht, aber sie setzte sich dennoch zu den anderen und liess sich eine Portion schöpfen.
"Wie heisst du eigentlich?", fragte ein rotwangiger Junge, der ebenfalls in der Bar arbeitete.
"Eliane."
"Schweizerin?"
"Ja."
"Ich heisse Manfred und komme aus Konstanz. Bin extra für das Festival hergekommen. Ich liebe die Musik."
"So?"
"Und du, weshalb bist du hier?"
Eliane zuckte mit den Schultern und ass wortlos weiter. Was hätte sie antworten sollen?
Kraftlos trottete Eliane über die Strasse zum Hotel, welches für die Mitarbeiter des Festivals gemietet worden war. Es war 18 Uhr, sie hatte Pause bis 22 Uhr, dann musste sie zurück in die Welt des Lärms, des Chaos, des Durcheinanders.
Sonntag. Zwei Tage waren also schon vergangen, seit sie fortgerannt war. Und noch immer suchte niemand nach ihr, noch immer war sie alleine und anonym im Nirgendwo. Ganz alleine.
"Zimmer 12", hauchte Eliane im Hotelfoyer und ihr wurde der Schlüssel ausgehändigt. Phlegmatisch schlurfte sie den Flur hinunter, betrat die enge Kammer, liess sich aufs Bett fallen. Sie presste ihr Gesicht ins Kissen, versuchte die Tränen zu unterdrücken. Doch sie schaffte es nicht. Lautlos wimmerte sie, wickelte sich ein in die Decke, zog sie über den Kopf. Niemand kam, so lange sie auch dalag.
Später am Abend richtete sich Eliane auf und stand vor den Spiegel im Badezimmer. Sie trocknete die verweinten Augen, zog sich aus und trat unter die Dusche. Eine Weile lang blieb sie stehen, liess das kühle Wasser über sich strömen. Nachher suchte sie das rote Kleid aus dem Schrank hervor. Ein schönes Kleid, geschenkt von ihrer Mutter. Es lag eng auf der Haut und reichte nur knapp bis über die Knie. Viel zu kurz für diese Jahreszeit, viel zu kalt. Aber der Stoff fühlte sich an wie Seide und Eliane wusste, sie sah bezaubernd aus in diesem Gewand. Vor dem Spiegel kämmte sie die nassen Haare und schminkte sich.
Es hatte keinen Sinn, länger zu warten. Niemand würde kommen. Und Eliane fühlte, dieses Mal hatte sie den Mut.
Also nahm sie das Taschenmesser ihres Vaters aus dem Rucksack und klappte es auf. Vorsichtig fuhr sie mit dem Finger über die Klinge und stellte zufrieden fest, wie scharf das Metall war. Sie trank noch einen Schluck Hahnenwasser und blickte ein letztes Mal in den Spiegel. Dann setzte sie sich mit dem Messer in der Hand aufs Bett.
Thomas trank sein Bier in einem Zug aus. Er konnte es noch immer kaum fassen.
Zuerst hatte der Zug Verspätung, dann rutschte Corinne auf dem vereisten Boden aus und brach sich das Handgelenk und jetzt fanden sie diesen verfluchten Festival-Saal nicht.
"Mach dir nichts draus, wir fragen einfach ein paar Leute", besänftigte Sandra ihn. Sie sassen in einem heruntergekommenen Lokal, wo sie günstig ein paar Pommes Frites und ein Bier bekommen hatten. Es war bereits Abend, der Unfall Corinnes hatte sie viel Zeit gekostet. Und noch immer war Eliane ganz alleine, irgendwo in Stein am Rhein.
"Los, gehen wir weiter."
"Wenn's sein muss", seufzte André, dessen Schädel von der vergangenen Nacht brummte. Nadja tätschelte ihm zärtlich auf die Schulter und sofort flackerte wieder Leben in seinen Augen. Er sprang auf und folgte Thomas auf die Strasse.
Der Schnee nahm den Häusern ihre Kanten und Ecken, liess alles sanft und weich erscheinen. Träumerisch wurde das Licht der Strassenlaternen auf den weissen Strassen reflektiert. In dicke Schichten aus Mänteln und Pullovern gehüllt eilte ein junger Mann vorbei. Sandra hielt ihn auf und fragte: "Entschuldigung, wissen Sie, wo das Musikfestival stattfindet?"
Der Fremde nickte. "Zwei Strassen weiter, dann rechts und da die Halle auf der linken Seite. Sind viele Leute dort."
"Danke."
Zu viert machte die Gruppe sich auf den Weg durch die stille Winterstadt. Nur das Stapfen im Schnee durchdrang die Ruhe.
"Da ist es", freute sich Nadja und zeigte auf die beleuchtete Halle, vor der zahlreiche Menschen in der Schlange standen. "Da muss Eliane sein!"
Klopfen. Eliane schreckte auf und liess das Messer fallen. Es lärmte beim Aufprall auf den Boden. Wieder Klopfen. Was sollte sie tun? Was? Sie fühlte das warme Blut über den Arm rinnen. Noch ein Schnitt und es war aus. Noch ein Schnitt.
"Hallo Eliane, bist du hier?"
Sie schniefte, schloss die Augen. Nur noch ein Schnitt und sie hatte es endlich geschafft.
"Eliane, öffne die Türe!"
Sie schluckte, nahm das Messer auf, klappte es zu. Flüsternd erwiderte sie: "Wer ist da?"
"Ich, Manfred." Der rotwangige Junge.
"Was willst du denn?"
"Wir brauchen dich für die Bar. Es sind zu viele Leute da. Kannst du nicht kommen und helfen?"
Eliane zögerte einen Augenblick, dann klappte sie das Taschenmesser wieder auf.
"Eliane? Ich war gerade bei dem Mädchen."
Thomas seufzte erleichtert. "Dann ist sie also hier?"
"Nun, nicht hier", entgegnete der Junge am Eingang, "Sie ist im Hotel.
Eigentlich sollte sie hierher kommen, wir brauchen Hilfe. Aber sie hat mich nicht mal ins Zimmer reingelassen. Sie klang ziemlich seltsam."
"Wo ist dieses Hotel?", fragte Nadja aufgeregt.
"Gleich gegenüber. Sie hat das Zimmer 12, aber vielleicht kommt sie gleich - he, was ist?" Thomas sprintete los, stürmte über die schneebedeckte Strasse, hinein ins alte Bauwerk zum Zimmers Nr. 12.
"Eliane, mach die Türe auf!", rief Thomas, als sich diese nicht öffnen liess.
"ELIANE!"
Nadja und Sandra erreichten gefolgt von André den Flur und blickten besorgt zu Thomas. "Ist sie da?"
Thomas beachtete die Mädchen nicht, sondern schrie erneut: "ELIANE! Bitte, mach doch die Türe auf! Wir sind es!"
Er schlug die Faust gegen das Holz, flehte leiser werdend: "Bitte, Eliane!"
Nadja und Sandra senkten den Blick, André lehnte sich bedrückt an die Wand. Sie ahnten, was sie auf der anderen Seite der Türe vorfinden würden, doch niemand wollte Gewissheit. "Bestimmt ist Eliane gar nicht in dem Zimmer", versuchte André seinen Kollegen aufzumuntern, aber Thomas schüttelte desillusioniert den
Kopf: "Sie ist hier."
Daraufhin zwängte sich André an Thomas vorbei und stellte sich vor die Türe.
Laut sprach der Franzose: "Eliane, hörst du mich?" Keine Reaktion, doch André fuhr ungerührt fort: "Wir können die Türe nicht öffnen! Nur du kannst das!"
Vor dem Hotel rauschte ein Auto vorbei, dann absolute Stille. Sekunden vergingen wie Stunden, Herzen pochten, angespannte Befangenheit breitete sich aus. Jeder Einsatz schien vergebens.
"Eliane", hauchte Thomas ein letztes Mal und wollte sich abwenden. Doch in dem Moment liess ihn ein Klappergeräusch einhalten. Etwas war zu Boden gefallen.
Alle schauten sich an, hörten auf zu atmen. Und dann ein Klicken. Der Schlüssel wurde umgedreht, der Türgriff niedergedrückt. Quietschen.
Ein Mädchen in rotem Kleid lugte zaghaft durch den Spalt.
"Eliane!", murmelte Thomas aufatmend. Er umarmte seine kleine Schwester und sie drückte sich an ihn. Sie weinte und lächelte zugleich. Sie lächelte wirklich.
"Glaubst du, dass sich etwas ändern wird?", fragte Nadja leise und schielte dabei zu Sandra und Eliane im Abteil vis-à-vis. Thomas zuckte mit den Schultern: "Vielleicht." Er war nicht Psychologe, wusste nicht, was Mädchen dachten und fühlten. Aber es war Eliane, welche die Türe geöffnet hatte. Nicht Thomas, nicht Sandra, nicht ihr Vater, kein anderer Mensch. Es war Eliane, welche beschlossen hatte, nicht aufzugeben.
"Hat's wenigstens weh getan?", fragte das Mädchen unbekümmert. Sandra strich abwägend über die Beule an der linken Augenbraue, welche Elianes Schlag hinterlassen hatte. "Ne, so stark bist du jetzt auch wieder nicht."
"Soll ich nochmals zuschlagen? Dieses Mal wird's weh tun!", versprach Eliane mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der Zug ratterte heimwärts durch die tiefverschneite Nachtlandschaft.



Eingereicht am 27. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



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