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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Drachenblut

© D'oroWarras


Deutlich gesetzte Schritte, in dem unausweichlichen Vorsatz zu verfolgen, bogen mit dem Opfer in die dunkler werdende leere Gasse ab. Die steigende Nervosität des Opfers, stärkende, spendende Kraft für das Verfolgende. Die Angst, sie drang in den Rücken, kroch in das immer schneller pulsierende Blut des Opfers.
Klack - klack, jeder Schritt mit Schwere auf den Gehweg getreten. Jedes Klack ein zusätzlicher Messerstich in die wachsende Angst. Nur nicht um drehen. Oder doch? Unauffällig schneller gehen, nur keine Furcht zeigen. Schnell nach Hause, oder nein, ansteigende Orientierungslosigkeit im Denken. Wo ist eine Straße mit mehr Menschen, eine Licht durchflutete Straße, ein Ort der Sicherheit. Der Atem presst sich lauter werdend durch die Lunge. Angestrengtes Lauschen auf die nicht Abstand nehmen wollenden Schritte.
Die Schritte! Fast still, eine leises, kaum noch wahrnehmbares klack - klack. Keine Erleichterung, es fehlt die Gewissheit. Doch umdrehen? Einen kurzen Blick? Sind die Schritte wirklich leiser geworden, fast schon zaghaft? Durch die Mauer der abnehmenden Lähmung der Angst den Kopf gewendet, den Blick gewagt. Kaum noch zu erkennen eine kleine Gestalt, mehr nur ein Hauch davon, die eben gerade wie beiläufig um die Ecke zu huschen scheint.
Auf breiten Schwingen flog die Angst davon. Der Rausch, so viel Macht erlangt zu haben, indem sie ihre eigene Angst in das Blut eines anderen Wesens stach, war mächtig, erleichternd, kam für den Moment dem Gefühl der Unverwundbarweit sehr nahe. Nur der Geschmack der Verwandtheit mit der eigenen Angst blieb bitter auf der Zunge zurück. Das war nicht wie in den Märchen, in denen sie sich tief, bis zu eigenen Unerkenntlichkeit, vergrub.
Siegfried, über den sie nie gelesen, aber einiges gerüchteweise gehörte hatte. Siegfried, stolz und erhaben, in Drachenblut getaucht. Unverletzbar gegen jene, die willig waren, ihn niederzustrecken, das war erstrebenswert. Doch da blieb diese Stelle im Rücken, offen, weich, verletzlich, wie einfältiges Menschenfleisch eben war. Zu gewiss war er sich gewesen. Vergaß, auf der Hut zu sein. Auch kein wirkliches Vorbild an Vollkommenheit. Sie würde ihn übertrumpfen, zur Sicherheit würde sie Schuppen aus unbezwingbaren Stahl auf ihrer Haut einweben. Jetzt allerdings galt es erst einmal in den verwunschen Turm zurückzukehren. Stufe für Stufe, immer höher hinauf, bis zu dem Reich der erhabenen Schrecklichkeit. Der Schlüssel, verzaubert, nie war er leise genug, um das Schreckliche nicht doch aufzuwecken.
Das Tor zum Gefängnis wurde aufgerissen. Plusternd, rot vor Zorn, zerrte die Schreckengestalt sie in den stickigen Turm hinein. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloß. Brüllend schubste es sie in die Zelle. Blind vor Wut nahm es einen Gegenstand mit hölzerner Fläche, Hass entblößt schlug es auf sie ein. Nichts war genug, um den Zorn zu stillen. Kauernd, wimmernd lag sie da, zusammengekrümmt, um Gesicht und Bauch zu schützen. Beständig, wie im Rausch holte das Monster aus, fuhr mit dem Holz immer wieder auf den Rücken der da Niederliegenden herunter.
Dann verstummte das Wimmern, eine Gestalt enthob sich aus dem liegenden Mädchen, eine, die ihr auf das Haar glich. Erstaunt stand diese neben der gekrümmten Kreatur, den Blick dagegen hatte sie auf das schlagende Wutgeheule gerichtet. Sie sah die wachsende Verzweiflung über den Umstand, dass kein Flehen um Gnade, kein Wimmern mehr von der da Niederliegenden kam. In der plötzliche Stille des zugefügten Schmerzes, lies das Monster, mit düsterer Schwermut das Holz aus der Hand gleiten. Der Macht beraubt, fluchte es vor sich hin. Schadete es ihr doch am meisten, wenn sie so strafend auf sie niederfuhr. Ja, ihr selbst stach der Schmerz tief in ihr zartes Mutterherz, mit jedem Schlag, den sie auf sie niederfuhr. Die Gestalt kroch zurück in ihr gleiches Wesen. Zu Stein geworden erhob sich das Mädchen, nicht lauschend der Muttermonsters Beteuerungen, die ebenso so ewiglich wiederkehrten wie die Schläge an der Zahl.
Die Zellentür fiel hinter ihr in die Verankerung. Das Drachenbad im Blute der Unverwundbarkeit hatte seine erste Wirkung gezeigt. Der Körperlichenschmerz war gebannt, hatte den Schrecken verloren. Das Mädchen sog den neu erworben Lebensatem in sich ein. Die Demütigung war tief in ihren Nimmerland vergraben. Von da ab wurde jede Grausamkeit, jede Demütigung ein Schwertgefecht, das sie mit Stummheit sich erfocht und immer öfter gewann.
Es kam die Zeit, wo sie den Fesseln Nahrung und Unterkunft entwachsen war. Sie zog, von stetiger Unruhe getrieben, auf dem Weg nach unverletzbarer Unbesiegbarkeit in die Kämpfe, die sich ihr boten. Der Rausch der Siege Kämpfe, trieb sie wie eine Feder im Sturm herum, immer auf der Suche nach neuen Schuppen aus undurchdringlichem Stahl. Nichts lies sie unversucht, keinem Kampf ging sie aus dem Weg. Immer per Du, fast schon in freundschaftlicher Umarmung mit dem Tod, der, da war sie sich gewiß, der Einzige war der noch durch die Schuppen käme.
Manchmal nur so zum Spaß, sprang sie von Klippen, kopfüber, nur mit einem Seil gehalten. Oder wettete gegen einen Strom von fahrenden Gewalten, ob sie es schaffe, den Asphalt des Flusses schneller zu überqueren, bevor die Gewalten sie erfassen würden. So zog sie durch die Zeit, der Umarmung des Todes entgegen. Bis sie eines Tages zusammen mit von außen her Gleichen an einem Tisch saß, da traf sie ein Pfeil mitten ins Herz. Sie sah in ein Blau, in ein Meer von lebendiger Leidenschaft. Ihr Herz riß sich aus ihrer Schuppenbrust, eitriges, lang gesammeltes Sekret floß unaufhaltsam aus der frisch gerissenen Wunde. Das Herz, für den Moment der Schwere enthoben, flog losgelöst auf weiten Schwingen, tief getroffen dem schimmernden, verheißenden Blau entgegen.



Eingereicht am 27. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



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