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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Ein erfreulicher Bluff

© Esther Grau


Neulich hatte ich eine kleine Angelegenheit beim Finanzamt zu regeln. Da die zuständigen Mitarbeiter gerne wechselten, wählte ich kurzerhand die Telefonnummer auf meinem letzten Lohnsteuerbescheid. Vielleicht konnte mich ja jemand zuordnen. Ein sehr freundlicher Finanzbeamte nahm ab, hörte sich gerne mein Anliegen an und erklärte dann: "Mit mir wollen Sie bestimmt nicht sprechen."
"Das würde ich jetzt so nicht sagen …"
"Nein, ich meine nur, ich bin für Bußgelder zuständig. Aber ich verbinde Sie gleich weiter."
Ich grübelte, ob ich über eine Bußgeldnummer auf meinem Lohnsteuerbescheid besorgt sein sollte, und wurde währenddessen mit klassischer Musik beschallt. Beethovens Neunte. Ich bereitete mich innerlich auf fünf bis zehn Entspannungsminuten vor, doch der Finanzbeamte ließ mich zu meinem Erstaunen nicht in der Warteschleife versauern. Vielmehr bettete er seine angenehme Stimme immer wieder zwischen die Streicher, um mich auf dem Laufenden zu halten:
"Da ist gerade besetzt. Moment, ich versuche es auf einem anderen Apparat."
"Gut, ich warte."
(Beethoven)
"Ob Sie es glauben oder nicht, aber der Kollege wollte Sie nicht."
Ehrlich gesagt, war das ein kleines bisschen mehr persönliche Ansprache als ich mir wünschte. Doch der Beamte versicherte bereits eilfertig: "Ich versuche es weiter..."
"Ja, bitte."
(Beethoven)
"Hören Sie?"
"Ja."
"Es tut mir schrecklich Leid, aber der dritte Kollege spricht auch gerade."
Sein Bedauern klang aus tiefster Seele ehrlich und ich stellte mich innerlich auf eine weitere Runde Beethoven ein. Doch da bekam ich bereits vom beflissenen Finanzbeamten die Durchwahlen samt den Namen zweier Kollegen angeboten, die ich schnell aufschrieb. Nachdem ich aufgelegt hatte, stimmte mich meine Notiz allerdings mehr als nachdenklich: Die Herren Geier und Pack schienen nur allzu gut den Ruf ihres Arbeitgebers zu erfüllen.
Wie konnte das sein? Fühlte jemand namens "Geier" den inneren Drang, sich vorzugsweise bei Geld eintreibenden Institutionen zu bewerben? Oder suchten umgekehrt diese gezielt nach Personen, deren Name Programm war? Soviel Klischee konnte unmöglich real sein.
Das Telefon ergänzte meine Überlegungen eher als dass es sie unterbrach, da ich unerwartet Herrn Geier persönlich am Apparat hatte. Zuvorkommend bezog er sich auf mein Anliegen, regelte es schnell und ohne Schwierigkeiten, wünschte mir noch einen schönen Tag und zog sich dann höflich aus meinem Gehörgang zurück. Ich war so überrascht, dass ich mit einem Mal die geniale Imagekampagne des Finanzamtes durchschaute: Es handelte sich um eine Umkehrtaktik! Inverse Psychologie! Zuerst wurden klischeehafte Erwartungen scheinbar erfüllt, um eine stärkere Wirkung zu erzielen, wenn der Kunde durch eigene Erfahrung erkannte, dass gerade das Gegenteil seiner Annahmen stimmte. Success by understatement.



Eingereicht am 26. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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