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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Einen Bettler am Mittagstisch

© Wolfgang Scholmanns


Ich schaute aus dem Fenster und da saß er wieder, dieser alte Mann. Er saß hier bei Wind und Wetter, seinen Rücken an die alte Fabrikmauer gelehnt, und darauf wartend, dass jemand sich erbarmen würde und ihm eine Münze in seinen Hut legte. Was mich immer so erstaunte war, dass er stets ein Lächeln in seinem Gesicht trug. Auch hatte er für jedermann ein freundliches Wort. Seine Kleidung war sicher schon einige Jahre alt und eine Waschmaschine hatte sie bestimmt auch schon ewige Zeiten nicht mehr gesehen. Aber, so sagte ich mir: "Kleidung macht ja bekanntlich keinen Menschen aus"! Ich nahm mir vor, ihn heute Mittag einfach mal zum Essen einzuladen, denn er war recht schmächtig und eine leckere warme Mahlzeit würde ihm bestimmt gut tun. Also stieg ich die Treppe hinab, überquerte die Strasse und ging langsamen Schrittes auf ihn zu. "Hallo", lächele er mich an. "Gerade noch habe ich dich aus dem Fenster schauen sehen und mir so gedacht, der schaut bestimmt nach dem Wetter und wenn er feststellt, dass heute ein herrlich sonniger Tag ist, wird er bestimmt gleich hinunter kommen um dieses angenehme Lüftchen zu genießen"."Ja, einen richtig sonnenwarmen Tag haben wir heute und da sollte man wirklich nicht in der Bude hocken, denn wer weiss wie lange diese Schönwetterperiode noch anhält", erwiderte ich." Aber der Grund meines Besuches bei dir ist der, dass ich dich fragen wollte ob du Lust hast heute Mittag mit mir zusammen eine warme Mahlzeit einzunehmen". Er grinste, " eine warme Mahlzeit? Ist schon einige Wochen her, dass ich meinen Magen mit warmem Essen verwöhnt habe. Aber ich komme gerne und danke dir ganz herzlich für die Einladung". " Ich geh dann noch schnell dort drüben in den Lebensmittelladen, denn ein paar Kleinigkeiten brauche ich noch". Er sah mich mit einem so zufriedenen Gesichtsausdruck an, dass ich die Welt nicht mehr zu verstehen glaubte. Wie kann man immer nur so gut -- drauf sein -, wenn man so mittellos ist, vieles entbehren muss, sich von Almosen durchs Leben schlägt und der Welt als nutzlos erscheint? Na ja, beim Mittagessen werde ich bestimmt ein wenig mehr über ihn erfahren, dachte ich mir und machte mich auf den Weg. Spaghetti Bolognese sollte es geben, heute zum Mittag. Ein Gericht, das schnell zubereitet ist und meiner Meinung nach auch noch sehr gut schmeckt. Er würde es bestimmt auch mögen. So, schnell noch den Tisch gedeckt und dann ans Fenster und dem armen Kerl zuwinken, dass er hoch kommen soll. Langsam stand er auf, schnallte sich seinen Rucksack um und winkte mir zu. " Bin sofort da! Bin mal gespannt was du leckeres auftischst". Ich betätigte schon mal den elektrischen Türöffner und hörte nach einer Weile, wie er bedächtig die Stufen hoch schritt. "Nimm schon mal Platz", sagte ich zu ihm, " ich bringe sofort das Essen" "Mmh, wenn's so schmeckt wie es riecht, wird wohl nichts mehr davon übrig bleiben", schmunzelte er. Nachdem wir beide zwei gewaltiggroße Portionen verschlungen hatten, sagte er:" Welch ein fantastisches Essen. Hätte ich auch nicht besser machen können"! "Du kannst kochen"? "Na klar", sagte er, " habe schließlich 14 Jahre in diesem Beruf gearbeitet. In den feinsten Restaurants, habe ich gezaubert, und man sagte von mir, ich sei ein Koch der Extraklasse". "Aber wie bist du dann auf die Strasse gekommen? Hast doch bestimmt ne Menge Kohle verdient und konntest es dir gut gehen lassen". "Gut gehen lassen? Na ja, hatte ein dickes Auto, eine tolle Eigentumswohnung und verkehrte in den besten Kreisen. Doch irgendwann hatte ich die Schnauze voll von alldem materiellen Kram, von vorgespielter Freundschaft und von Glück, dass nur für Momente besteht. Denn was birgt dieser ganze Prunk? Leid, Leid birgt er, Leid und Angst das Erreichte wieder zu verlieren. Es muss da noch etwas anderes geben, sagte ich mir eines Tages. In meiner Freizeit ging ich dann oft spazieren, genoss die frische Luft des Waldes, lauschte dem Rauschen des Flusses, erfreute mich an der Natur und spürte im Wechsel der Jahreszeiten ihre kraftgebende Schönheit zu mir sprechen. Ja, mein Auto, meine tolle Wohnung dies alles habe ich verkauft, habe das Geld einem Waisenhaus gestiftet. Jetzt ziehe ich durch die Lande, bettele mir hier und da ein bisschen Geld für meine Ernährung zusammen und genieße die Freiheit des Geistes". Ich war sprachlos und spürte, dass er es bemerkte. "Kann schon verstehen, dass es dir die Sprache verschlagen hat, denn wer rechnet schon damit, oder besser gesagt wer vermutet schon hinter so einem Penner einen Menschen, der einmal " mitten im Leben "gestanden hat"? Er bedankte sich noch herzlich bei mir, nahm seinen Rucksack und ging. In seinem Gesicht ein Lächeln der Zufriedenheit, der Sanftmut und des freien Geistes.



Eingereicht am 24. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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