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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Eine Affäre

© Mechthilde Vahsen


Sie begegnen sich spät im Leben, wie man so sagt, und es ist ihnen beiden recht. Friedrich ist wenige Jahre jünger als Beate, es zählt nicht. Sie heiraten und er zieht zu ihr. Beate gefällt Friedrich. Sie ist pragmatisch, natürlich und verlässlich. Friedrich erhält von ihr den Antrieb, den er für eine Veränderung braucht. Er reduziert seinen Job als Automechaniker und beginnt eine Ausbildung zum Therapeuten, genauer Ergotherapeut. Er will auch das, was Beate macht. Mit Menschen arbeiten und sie wieder gesund machen. Eine eigene Praxis. Es scheint ihm einfacher als den Meister zu machen und eine eigene Werkstatt aufzubauen. Sauberer auch, mit festen Arbeitszeiten.
Beate, verständnisvoll und erfahren, hilft ihm. Alles läuft gut. Sie haben beide eine Praxis, nah beieinander. Es gibt viel Arbeit.
Fortbildungen werden verlangt, neue Massagetechniken, Osteopathie, weiterführende Behandlungsmethoden. Sie sehen sich nicht oft. Reden über das Geschäft und die Kursangebote. Es gibt den Hund, die ersten grauen Haare. Ein Kind wollen sie beide nicht. Das geht nicht, mit zwei Praxen.
Der Hund muss reichen.
Bei einer Fortbildung trifft Friedrich Rita. Sie ist jung. Er fällt in den Bann ihrer Frische, ihrer Lebendigkeit, und widersteht nicht. Er versucht es auch nicht. Er will nur ihren Mund küssen, diesen stets plappernden Mund. Verstört fährt er nach Hause, erkennt sich im Spiegel nicht. Krise, mittlere Jahre? Friedrich hockt sich jeden Tag in sein Inneres und erzählt sich, wie gut es ihm geht und was er alles hat. Rita schiebt sich dazwischen. Ihr Bild in seinem Kopf bringt ihn zum Reden.
Heimlich, mit sich selbst.
Beate erfährt nichts. Es gibt viel zu tun in ihrer Praxis, zwei Mitarbeiterinnen haben gewechselt, sie muss Zusatztermine übernehmen.
Friedrich trifft Rita ein weiteres Mal. Sein Reden wird lauter. Sein Begehren nach sich selbst, nach diesem unbekannten Land, macht ihm Angst, noch bevor es in Worten in seinem Gehirn ankommt. Stattdessen begehrt er den Katalysator. Rita ist beeindruckt. So wichtig, so bedeutend ist sie für einen Etablierten mit Praxis, das gefällt ihr. Sie nimmt, was er ihr anbietet, seine Leidenschaft, seine Verliebtheit, seine Versprechen.
Friedrich sichert sich ab. Verlieren will er nicht und allein sein auch nicht. Erst als mit Rita alles gut läuft, verlässt er Beate, nach elf Jahren Ehe. Beate hört auf zu essen, drei Tage lang. Nimmt den Hund mit ins Bett und schwört Rache. Sie färbt sich die Haare, schminkt sich und baut ein neues Schloss in die Tür der angemieteten Doppelhaushälfte ein.
Sie löscht seine Mails, zerschneidet seine Hemden und wirft seine Post weg.
Friedrich wohnt nicht mehr hier. Für mich existiert er nicht mehr. Ihre innere Verletzung schlägt Wellen, die ihm Kopfschmerzen verursachen. Er habe ein ständiges Dröhnen im Ohr, mault Friedrich. Der Arzt sagt:
Tinnitus. Haben Sie gerade viel Stress? Na ja. Friedrich schluckt.
Beate geht zur Rechtsanwältin und vereinbart Gütertrennung. Sie präpariert ihre Wohnung, so dass Friedrich bei seinen spärlichen Restbesuchen über Kondome und Pillenrezepte, feines Geschirr und Dessous stolpert. Rita wird es langweilig, Friedrich will Ruhe und Entspannung, wo sie Action will. Er fordert Rücksicht ein, die Praxis, die Trennung, die viele Arbeit ohne die Unterstützung seiner Frau.
Die Anwältin spricht von einem Trennungsjahr. Auf Beates Frage, ob er glaube, dass ihre Ehe noch eine Chance habe, sagt er: Nein. Das Wort schlüpft über seine Lippen, wiegelt sich zwischen Friedrich und Beate hin und her und löst sich mit einem schmatzenden Plopp auf. Schweigen.
Als seine Praxis fast abbrennt, glaubt Friedrich noch an ein Versehen.
Es geht alles gut, der Brand wird früh entdeckt. Rita ist genervt, sie hatte sich alles spaßiger vorgestellt, lockerer. Friedrich bemerkt, dass sie ihn ebenfalls nervt, er ist zu feige, es zu sagen. Seine innere Stimme wispert. Das Dröhnen wird stärker. Es macht ihn fahrig, nervös und schreckhaft. Medikamente helfen nicht. Den Bus hat er wahrscheinlich nicht gehört, sagt der Polizeibeamte. Friedrichs Mitarbeiterinnen bestätigen den zerrütteten Gesundheitszustand des Chefs. Kein Wunder, dass er dem Auto direkt vor den Kühler gelaufen ist. Niemand weiß, ob er an dem Tag in Begleitung gewesen war, Beate hatte in ihrer Praxis sehr viel zu tun, und Rita hatte sich von ihm getrennt. Trotz Moos nix los, hatte sie ihren Rücktritt erklärt.
Friedrich war sehr verwirrt gewesen in letzter Zeit, vielleicht wegen der Medikamente.
Beate trägt Trauer, drei Wochen lang. Dann übernimmt sie seine Praxis.



Eingereicht am 23. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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