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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Herr Fröhlich

© Katrin Girgensohn


Herr Fröhlich stand bei uns allen in hohem Ansehen. Deshalb verstehe ich nicht, wie es zu dieser Geschichte kommen konnte. Ich kann sein Gesicht nicht vergessen. Zwanzig Jahre lang hat er mir sein "Na, Elsken?" entgegen geschmettert, wenn er zur Probe kam. An seinen Windjacken war immer der Aufhänger ab, vielleicht weil er so schwungvoll war. Ich habe immer gedacht: Nee, der Herr Fröhlich, wie der Name passt!" Wenn er abends sang sah er so elegant aus im Anzug, das hat mir gefallen. So sieht mein Reiner nie aus.
Na, der steht ja auch nicht auf der Bühne, der steht in seinem Imbiss.
Manchmal hat auch Herr Fröhlich bei Reiner eine Erbsensuppe gegessen, nach der Probe, bevor er mit der S-Bahn rausfuhr nach Grünau. "Aber sag's nicht meiner Frau!", bat er dann. Frau Fröhlich erwartete ihn ja mit dem Essen.
Weil die Töchter nicht mehr da wohnten war es immer reichlich. Herr Fröhlich konnte gut ´ne Erbsensuppe mehr vertragen. Der brauchte ja Kraft zum Singen.
Dem Reiner sein Imbiss, der steht an einer guten Stelle. Da kommen alle lang, ob sie zum Kaufhof wollen oder zum Bahnhof. Ich rieche das schon von weitem, schon wenn ich die Treppe im Bahnhof runtergehe rieche ich dem Reiner sein Frittierfett. Stört mich nicht mehr, der Geruch, hab ich mich dran gewöhnt, obwohl es in der Oper natürlich viel feiner riecht. Ich schnuppre gerne an den ganzen eleganten Mänteln. "Meine Damen und Herren an Gleis 3, es fährt ein, Regionalexpress aus Wittenberge. Und Vorsicht bei Abfahrt des Zuges." Sowas hört der Reiner den ganzen Tag.
Ich hör Musik. Arien und so was. Der Herr Fröhlich hat schön tief gesungen. Ich mag es nicht, wenn sie so trällern. Nach all den Jahren mag ich es immer noch nicht.
Am Freitag hatte Herr Fröhlich wieder Erbsensuppe gegessen beim Reiner.
Manchmal haben wir den Weg zum Bahnhof ja zusammen gemacht, nach der Probe, aber am Freitag war ich noch in der Oper, weil abends die andere Truppe sang. Als Herr Fröhlich seinen Teller - Reiner nimmt lieber Teller als das Plastikzeug, lieber wäscht er ab, sagt er, als dass die Dinger überall rumfliegen - als Herr Fröhlich also seinen Teller auf den Stehtisch zurückstellte, ist er am Bordstein umgeknickt. Das ist ein bisschen vertrackt dort hinter dem Bahnhof. Die olle Kopfsteinpflasterstraße zwischen dem Platz und dem Ausgang ist ja befahren, das ist ja immer noch keine Fußgängerzone, obwohl sie schon alles neu gemacht haben mit dem bisschen Rasen und den weißen Pflastersteinen. Da ist er also umgeknickt und aus dem Gleichgewicht gekommen und ist dabei gegen so einen Araber gerempelt. Reiner sagt, es war ein Araber, der kennt sich ja aus mit all den Nationalitäten da am Bahnhof. Der Araber hat gleich angefangen, den Herrn Fröhlich zu beschimpfen. Auf Arabisch natürlich. Herr Fröhlich war wohl erst mal sehr erschrocken, aber dann hat er angefangen, auch zu schimpfen. "Du blöder Trottel" und so. Herr Fröhlich hat auf Deutsch geschimpft. Mit seiner Opernsängerstimme war er natürlich im Vorteil, sagt Reiner. Viel lauter. Das hat den Araber wohl wütend gemacht und er hat auf Herrn Fröhlich eingeprügelt. Richtig draufgehauen, mit den Fäusten. Da kam dann auch Reiner aus seinem Wagen und hat sich auch noch eingemischt und schon hatten sie die schönste Prügelei. Was dann genau passiert ist, kann Reiner mir nicht sagen.
Als ich später kam, saß er ganz verstrubbelt in seinem Imbisswagen, hatte einen Kratzer auf der Backe und ein blaues Auge. Das war vielleicht ein Schreck auf den Feierabend! Da wusste ich ja noch nicht, was noch kommen würde. Reiner sagt, Herr Fröhlich war plötzlich weg. Einfach verschwunden.
Das haben die beim Prügeln gar nicht mitgekriegt. Als die Polizei kam, wollte sie die Geschichte von Herrn Fröhlich gar nicht glauben. Beinah hätten sie dem Reiner noch eine Ordnungsstrafe verpasst, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses oder so, aber dann haben sie ein Auge zugedrückt weil der Reiner seinen Wagen schon immer da hat und bekannt ist als friedlicher Mensch.
Seitdem hat keiner mehr Herrn Fröhlich gesehen. In der Oper singt Herr Westermann die Arien und Frau Fröhlich heult sich die Augen aus dem Kopp.
Aber der Araber, der war am nächsten Morgen wieder da und hat Reiner angebrüllt: "Ey, wo is der Schlüssel, Alter?" Ich verstehe es ja auch nicht.
Wahrscheinlich hat er beim Prügeln seinen Schlüssel verloren. Reiner hat die Polizei geholt, weil er Angst bekam. Der war so aggressiv, der Araber. Er hat gesagt, er zündet ihm die Bude an. Dabei kam raus, dass er einen Schließfachschlüssel sucht. Er wollte nicht sagen, was er darin hatte. Es war wohl leer gewesen, das Schließfach, kurz nach der Prügelei.
Gestern hatte Reiner einen Briefumschlag in der Post, da waren 2000 Euro drin. Das haben wir der Polizei aber nicht gesagt. Und auch nicht Frau Fröhlich. Das hat ja vielleicht auch gar nicht mit dem Herrn Fröhlich zu tun. Schade, dass er verschwunden ist!



Eingereicht am 20. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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