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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Stadtgeräusche

© Katharina Winkler


Tagein, tagaus dasselbe. Sie hat es satt. Aufstehen um 8, raus in die Kälte, pünktlich um 9 in die Arbeit und dies jeden lieben Tag. Die überfüllte Straßenbahn, das übliche Desinteresse der Kollegen, das monotone Grau der Straßen. Ein Leben im Häusermeer, die drohende Erdrückung und das gleichmäßige Prasseln des Regens. Sie zieht sich den Mantelkragen bis übers Kinn, kuschelt sich ein wenig fester in das weiche Material ihres Pullovers.
Nach außen wirkt sie völlig angepasst, eine angepasste junge Frau in einer angepassten von Jugend dominierten Welt. Doch innerlich ist sie alt, müde geworden von den Bemühungen nicht aufzufallen, ihre Abneigung gegen die Stadt, welche nicht ihre Heimat ist, zu verbergen. Noch 3 Straßen bis zur Haltestelle, strömender Regen. Jeder Tropfen hinterlässt ein schmerzendes Prickeln auf ihrer Haut. Sie spornt sich an schneller zu gehen. Weiter! Gut so, du darfst nicht zu spät kommen. Das Dröhnen in ihrem Kopf wird stärker.
Schon seit Wochen hat sie Kopfweh. Das kommt vom vielen Grübeln, würde ihre Mutter sagen.
Ganz im Gleichklang ihres Herzschlages versunken überquert sie die Straße, übersieht das auf sie zu eilende Auto. Taumelnd sinkt sie auf den regennassen Asphalt, spürt das sanfte Rieseln ihres Blutes. Ein kleiner Bach, welcher von ihrer Stirn über die Rundung ihrer Wangen läuft und einen kleinen roten See auf ihrem Pullover bildet. Sie hört die gellenden Schreie der Sirenen, die Rufe der Passanten, den Lärm des morgendlichen Verkehrs, doch alles scheint weit entfernt zu sein. Die Welt um sie hat mit ihrem Leben nichts mehr zu tun. Beatmen, schreit ein Sanitätsarzt, Herzmassage ruft er, als sie in Ohnmacht versinkt. Sie spürt keine Schmerzen, sogar das Dröhnen in ihrem Kopf ist verschwunden.
Ein Sonnenstrahl durchbricht die mächtige Wolkendecke, ein einziger dünner Sonnenstrahl, welcher die gesamte Stadt zu erleuchten scheint. Ein kleiner Schmetterling tanzt in seinem Licht. Sie folgt ihm. Wie ein Magnet zieht sie das kleine Insekt an. Barfuß geht sie dicht hinter ihm, gemächlich durch das ihr so verhasste Straßenlabyrinth. Sie fühlt sich in eine andere Welt versetzt. Freundlich wirken die grauen Betonriesen. Die Menschenmassen und die ganzen schmerzenden Geräusche scheinen verschwunden, ebenso wie der bedrohliche Stadtgeruch. Wie in Trance läuft sie, als ob sie niemals etwas anderes getan hätte. Plätze werden überquert, Distanzen überwunden. Sie lässt die Stadt hinter sich, passiert eine Blumenwiese, Felder, Wälder. Ihre Augen sind nur auf den Schmetterling gerichtet. Irgendwann steht sie vor einem Abgrund und instinktiv weiß sie, dass ihre Reise zu Ende ist. Sie lässt sich fallen, stürzt sich ohne zu Zögern in den bedrohlich wirkenden Abgrund, hat keine Angst vor der Tiefe. Das Gefühl von Freiheit ist unbeschreiblich. Sie wacht auf, um sie herum alles weiß, ein Krankenhauszimmer, das monotone Surren der Geräte, doch sie fühlt sich gut.
Gleich morgen wird sie ihren Job beenden, noch mal ganz von vorne anfangen, weit entfernt von den beengenden Mauern der Stadt.



Eingereicht am 09. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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