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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Schlüsselerlebnis

© Armin Steigenberger


Es war ein Scheißtag für Schmidt. Der Tag war einfach komplett in die Hose gegangen. In den Schlagzeilen stand Germania kaputt, nach diesem 1:5 gegen Rumänien! Das kratzte schon an Schmidts Ehre. Schmidt ging nach Hause. Es regnete natürlich in Strömen, weil es an solchen Tagen natürlich wie im Film in Strömen regnen muss, es goss regelrecht! Es schüttete. Es flogen Katzen, Hühner, Kälber und ganze Sauen vom Himmel herab. Schmidt bediente sich einer anderen Sprache.
Es war, wie anfangs gesagt, ein Scheißtag für Schmidt. Germania kaputt! Sein Führerschein war seit gestern futsch, weil er nach dem Totalausfall der deutschen Mannschaft seinen Frust in Schorschis Kneipe mit einem halben Dutzend Weißbiere ertränkt hatte. Auch heute konnte er es nicht lassen, auf diesen Frust hin erneut sechs oder sieben Mal den Weizenkelch zu lupfen.
So angesäuselt schlappte Schmidt mit aufgeweichten Füßen durch den Regen nach Hause. Er ging diesen Weg bereits zum zweiten Mal, denn nachdem Schmidt mit Rosi - jener nicht mehr ganz jungen Blondine, welche in besagtem Lokal bediente - einen unnötigen Streit um ein nicht ganz sauber gespültes Weißbierglas vom Zaun gebrochen und das Lokal hernach brüskiert verlassen hatte, danach den weiten Weg zu Fuß heimgewackelt war (der letzte Bus war bereits gefahren), hatte er just an der Wohnungstür festgestellt, dass er seinen Schlüssel im Lokal vergessen hatte.
"Ach du lieber mein Vater!", war von Schmidt zu hören, bevor ein ordentliches Donnerwetter von derb ausgesprochenen Fäkalworten losging, das einige Minuten in seinem prasselnden Takt dem Regen wahre Konkurrenz machte.
"Schorschi hat schon zu, jetzt werd' ich bei dieser beschickerten Gans klingeln müssen, oje oje oje."
Wieder prasselte eine Kanonade Fäkalmaterial aus seinem Mund.
"Ich könnt' sie anrufen, nein, hab' die Nummer nicht ..." Schmidt murmelte und schlappte schweren Herzens den Kilometer retour zum Lokal, das schon geschlossen hatte. Bis auf die Unterhose nass stand er vor Schorschis Kneipe und linste hinauf zu Rosis Fenster, die dort ihr Zimmer hatte.
"Blöde Furie!", wetterte er und machte eine unfeine Geste hinauf. "Wart' du nur!", schimpfte er leise. Dann klingelte er, einmal, zweimal, dreimal. Nach geraumer Zeit erschien ein Gesicht am Fenster. Das war nicht Rosi, das war irgendein Kerl! Das Fenster wurde geöffnet, ein Kopf schaute heraus.
"Was gibt's denn?", bellte eine Stimme von oben. Schmidt glaubte, die Stimme zu kennen.
"Wo ist Rosi?", fragte Schmidt.
"Ah, unpässlich", sagte der Mann.
"Kann nicht sein ... Bist du das, Kalle?"
Der Mann zögerte. Dann fragte er, etwas gedämpfter: "Schmidt?"
Das war für Schmidt ein tiefer Schlag in die Magengrube. Kalle oben bei Rosi, Rosi unpässlich (was immer das heißen mochte), Kalle, sein liebster Kumpan, der sonst kaum je ein gutes Wort über Wort über Rosi verloren hatte und mit ihm einer Meinung war, dass das Flittchen, wie sie sagten, kein Gut war. Der Grund dafür war eher darin zu sehen, dass sowohl Kalle als auch Schmidt bei all ihren Versuchen, ein Landungsboot in Rosis Liebeshafen einlaufen zu lassen, gescheitert sind. Zehn Jahre hat Schmidt hingebaggert und schließlich kapituliert. Und jetzt das. Jetzt Kalles blöde Visage oben am Fenster!
Kalle schloss das Fenster. Doch Schmidt, im Alkohol erst Recht erzürnt, klingelte Sturm. Nach zwei Minuten Sturmklingeln ging das Fenster wieder auf, etwas flog heraus und landete mit Geklirr vor ihm auf dem nassen Pflaster. In der Pfütze vor Schmidt lag ein Schlüsselbund. Von oben kam noch ein Wort herunter, "Du Blödarsch!", bevor das Fenster rasch wieder zu ging. Wieder ließ Schmidt eine halbminütige Salve an derbsten Vokabeln an die Hauswand prasseln, diesmal eher personenbezogene Schimpfwörter. Ein paar Fenster der Nachbarschaft öffneten sich, von oben ertönte eine grantige Herrenstimme: "Hoizmaidubsuffmswongscheitundtrogdeinrauschhoamsunstkimmtbollzei!", was Schmidt stantepede befolgte. So lief Schmidt nach einer wahren Odyssee endlich, klitschnass und komplett durchgefroren, im Hafen der Heimat ein. Beim Versuch, hektisch die Tür aufzusperren (Schmidt war noch voller Zorn), brach der Schlüssel im Schloss.



Eingereicht am 09. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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