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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Ein dummer Hund

© Bernhard Ost


Der kleine Hund war gerade damit beschäftigt auf dem Gehweg eine Stelle abzuschnuppern, als der alte Mann über ihn stolperte und hinfiel. Mit seinem Gehstock fuchtelte er wütend in der Luft herum und schrie hinter dem aufgeschreckten und flüchtenden Hund her: "Du dummes Vieh, - man sollte dich erschlagen."
Eine junge Frau, welcher der Hund offenbar gehörte, half dem alten Mann hoch und sagte, dass der arme Hund doch nichts dafür könne, wenn er nicht gesehen wird und jemand über ihn stolpert. Der alte Mann aber war wütend und riss sich, nachdem er wieder aufrecht stand, unwirsch von der Frau los und wetterte weiter: "So eine blöde Kreatur gehört wenigstens an die Leine, damit sie kein Unheil anrichten kann."
Die Frau war verärgert, dass er so abfällig über ihren Hund sprach und antwortete, dass so mancher Mensch dümmer sei als mancher Hund. Einige Passanten hatten das Geschehen neugierig beobachtet und auf einmal war der Kreis der Streitenden größer geworden.
"Hunde gehören überhaupt nicht in die Stadt, denn sie machen überall auf dem Gehsteig ihr Geschäft und die Passanten treten dann hinein", sagte eine Frau mit Kinderwagen und Kleinkind.
Die Hundebesitzerin gab zur Antwort, dass es nur eine Frage der Erziehung sei, ob Hunde auf den Bürgersteig machen oder nicht, läge nur an den Besitzern und schließlich gäbe es auch jede Menge unerzogene Kinder, die als Kleinkinder machen dürfen, was sie wollen und später Autoantennen abknicken, Graffitischmierereien an Hauswänden produzieren und Automaten knacken und Gewalt ausüben. Da wären ihr Hunde lieber als unerzogene Menschen. "Nicht mal im hohem Alter wissen manche Menschen, wie sie sich zu benehmen haben", sagte sie mit deutlicher Anspielung auf den tobenden Alten und die Mutter mit Kinderwagen.
"Ein Hund ist ein unhygienisches Vieh, welches auch nicht in einen Haushalt gehört", meinte eine weitere Frau in Begleitung der erregten Mutter. "So ein Hund läuft doch mit seinen Dreckspfoten von der Straße durch die ganze Wohnung", fügte sie noch hinzu.
Nun schaltete sich ein junger Mann ein und sagte zu den beiden keifenden Frauen gewandt: "Sie und Ihre Kinder laufen mit Ihrem Schuhwerk über die gleiche Straße wie der Hund und laufen mit den Straßenschuhen durch Ihre Wohnung - nur mit dem Unterschied, dass ein Hund niemals auf der Straße in einen Scheißhaufen tritt, sondern nur die Menschen - und nun überlegen Sie mal, wer wohl eher Keime von der Straße in die Wohnung verschleppt."
Der kleine Hund hatte sich nach dem ersten Schreck wieder vorsichtig der Gruppe genähert, in welcher immer noch sein Frauchen stand. Kaum hatte der alte Mann den Hund in seiner Nähe gesehen, hob er seinen Stock und stürzte auf den Hund zu und wollte nach ihm schlagen. Der Hund war natürlich schneller, aber der alte Mann war so voll blinder Wut, dass er versuchte hinter ihm her zu rennen. Nach wenigen Metern war der alte Mann erneut gestürzt, aber diesmal sah es sehr schlimm aus. Er konnte sich mit fremder Hilfe nicht mehr aufrichten, denn sein rechtes Bein gehorchte einfach nicht und unter starken Schmerzen knickte er wieder ein und die helfenden Leute legten ihn flach auf den Boden und jemand schob eine leere Plastiktragetasche unter seinen Kopf, damit er nicht direkt im Dreck der Straße liegt. Er blutete aus einer großen Platzwunde an der Stirn und er wimmerte leise vor sich hin vor lauter Schmerzen.
Ein Rettungswagen war längst unterwegs und die Leute standen ratlos und zum Teil neugierig um den weinenden Mann herum. Sein leises Wimmern hatte auch der kleine Hund gehört und es regte sich bei ihm sein angeborenes Mitgefühl, welches er immer verspürte, wenn es einem Menschen in seiner familiären Umgebung nicht gut ging. Er spürte jede Trauer und war sofort da, um durch Schmusen oder Lecken oder sogar leises Mitweinen seine Anteilnahme zu zeigen. Hatte er sich nun so vertan, dass er nicht wusste, dass jener weinende Mensch dort auf der Erde nicht zu seiner Familie gehörte, sondern sein Feind war?
Er kam vorsichtig angekrochen und legte sich neben den Kopf des alten Mannes auf die Erde.
Entweder hatte der Alte es nicht bemerkt oder er hatte vor lauter Schmerzen keinen Sinn für den Hund.
Als der Hund merkte, dass ihm nichts passierte, begann er vorsichtig die Haare des alten Mannes zu lecken und als ihm immer noch nichts passierte, robbte er um den Mann herum, sodass er in sein Gesicht schauen konnte. Der Alte schaute den Hund an und es schien, als wäre ihm alles egal. Er reagierte überhaupt nicht auf den Hund. Eine Weile schauten der Hund und der Alte sich gegenseitig mit zunehmender Neugier in die Augen. Dann war für den kleinen Hund offenbar das Eis gebrochen und er wagte es den Handrücken des alten Mannes zu lecken. Der Alte ließ es geschehen und er drehte seine Handinnenseite nach außen und versuchte den Arm zu heben. Es sah aus, als wollte er den Hund streicheln, aber die Schmerzen waren zu groß und er ließ seine Hand wieder fallen.
Der kleine Hund aber schien gespürt zu haben, dass der Mann ihn streicheln wollte und er drehte sich nun mit seinem Kopf liebevoll in die offene Hand des alten Mannes und die Finger des Alten begannen ganz langsam zu kraulen. Der alte Mann sah nicht mehr die gaffenden Gesichter über sich und hörte nicht den Streit der Leute um die Diagnose, sondern sah nur noch auf seine eigene Hand und den kleinen Hund.
Erst als die Sanitäter ihn auf die Trage heben wollten, war der Hund gewichen, denn er wurde wieder davon gejagt, doch diesmal von den Rettern. Nachdem der Rettungswagen mit Blaulicht davongerast war, löste sich die kleine Menschenansammlung auf und dort, wo sich alles abgespielt hatte, saß ein kleiner dummer Hund.



Eingereicht am 07. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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