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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Bis dass der Tod uns scheidet

© Daniela Julia Daum


Die Sonne strahlte mit allem was sie hatte, keine Wolke trübte den tiefblauen Himmel und warf auch nur den geringsten Schatten auf unseren kleinen Ort. Monatelang hatten wir gebangt, wie das Wetter am schönsten Tag im Leben unserer Freundin Marie werden würde. Und wir hatten tatsächlich Glück. In penibler Kleinarbeit hatten wir das Essen ausgewählt, Einladungen geschrieben und verschickt, auf die erfolgreiche Suche nach dem perfekten Brautkleid mit Sekt angestoßen und kleine Spielchen für die anschließende Feier ausgewählt und vorbereitet. Und nun war es endlich so weit. Ich bin mir sicher, dass wir mindestens so aufgeregt waren wie Braut und Bräutigam selbst.
Nachdem wir den ganzen Morgen damit verbracht hatten, Marie wie eine Prinzessin zu behandeln, die Haare hochzustecken, das Make-Up aufzutragen und sie schließlich mit viel Mühe in ihr Kleid zu stecken, konnte man die Anspannung, die schon den ganzen Morgen herrschte, nicht mehr unterdrücken. Als es an der Tür klingelte und mein Mann den Brautstrauß brachte, liefen Marie schon die ersten Tränen über die Wangen. Jochen war die Situation augenscheinlich sehr unangenehm - er wusste nicht, wo er zuerst hinsehen sollte. Marie ging auf ihn zu und nahm ihm mit einem Lächeln den Strauß aus den Händen. Als sie so vor ihm stand und er keine andere Möglichkeit hatte, als ihr direkt in die Augen zu sehen, flüsterte er so leise, dass nur Marie es hören konnte; "Du bist wirklich eine wunderschöne Braut!" Dann drehte er sich um und ging, ohne uns andere auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Ich bin mir sicher, in seinem Augenwinkel eine Träne aufblitzen gesehen zu haben.
Marie stand noch eine ganze Weile reglos da, sah uns dann an und meinte, es wäre wohl an der Zeit. Sophia und ich, die wir die Ehre der Brautjungfern hatten, nahmen sie noch einmal in den Arm. "Du schaffst das, da bin ich mir sicher!" Ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen.
Die Kirche war wundervoll geworden. Die Blumen, die wir in langwierigen Diskussionen für die perfekte Dekoration ausgewählt hatten, die vielen Kerzen - alles zusammen wirkte so vollkommen. Als wir langsam den Gang entlang schritten, ging ein Raunen durch die Gemeinde. Marie blieb kurz stehen und ich dachte schon, dass es zu viel für sie würde. Aber sie gab sich einen Ruck und ging beharrlich auf den Altar zu.
Sie hatten sich mit Roman wirklich viel Mühe gegeben. Der Anzug saß perfekt und das kleine Blumenbouket an seinem Kragen war aus denselben weißen Rosen wie Brautstrauß und Dekoration. Er sah sehr friedlich aus - wie er da in seinem Sarg lag.
Roman hatte eine Woche vor der Hochzeit einen Arbeitsunfall. Die Ärzte meinten, er hätte den Aufprall nicht einmal mehr gespürt. Es war Maries Wunsch gewesen, ihn an ihrem geplanten Hochzeitstag zu beerdigen und alles so herzurichten wie vorbereitet. Sie stand eine Ewigkeit vor dem offenen Sarg, bis sie sich schließlich über ihn beugte um ihm einen letzten Kuss auf den leblosen Mund zu geben. Sie zitterte am ganzen Körper, so dass ihr Schleier über die bebende Schulter rutschte und sanft über ihre Wange strich. Eine Ewigkeit schien sie so dazustehen. Nicht fähig, Roman gehen zu lassen. Sie schien die letzte Kraft aus sich heraus zu fordern, als sie Roman noch einmal liebevoll die Haare aus dem Gesicht strich und ihm ins Ohr flüsterte "Siehst du, wie wunderschön ich für dich bin?". In der Kirche war es totenstill. Ich hatte das Gefühl, die Anwesenden trauten sich noch nicht einmal zu atmen. In diesem Moment erklang von der Ballustrade ihr Lied - Amazing Graze. Marie drehte sich zu mir um und sah mich mit tränenüberströmtem Gesicht an. Ich ging zu ihr, nahm sie an die Hand und lächelte. "Das ist unser Hochzeitsgeschenk an euch."
Ich habe noch nie einer so ergreifenden Beerdigung beigewohnt und es wird nichts geben, was mir das Unbedeuten und die Kleinigkeit der Probleme mit meinem Mann deutlicher machen wird als der Anblick dieser wunderschönen Braut vor dem Sarg ihres Bräutigams.



Eingereicht am 28. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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