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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Nur ein kurzer Besuch

©Angelika Flotow

Mein Autoschlüssel führt plötzlich ein Eigenleben. Er bläht sich vor meinen Augen auf wie ein Ballon und schrumpft in Zeitlupe auf seine ursprüngliche Größe zusammen. Passt er überhaupt ins Schloss? Meine rechte Hand, die mit dem Schlüssel herumstochert, fühlt sich schweißnass an. Wie dunkel es ist, dabei haben wir doch erst Nachmittag! Endlich dreht sich der Schlüssel und ich öffne die Tür.
Blinzelnd schaue ich in einen Licht durchfluteten Raum. Ich bin schon einmal hier gewesen. Aber wann, und wer hat mich damals begleitet? Grübelnd löse ich mich vom Türrahmen und gleite auf eine Sitzgruppe zu.
Meine Tante, die in einem der Sessel sitzt, lächelt mich an und deutet auf den Platz neben sich. Ein wenig befangen folge ich ihrer Aufforderung und setze mich. Ein paar Wochen vor ihrem Tod sind wir im Streit auseinander gegangen. Danach haben wir uns noch einmal gesehen und beide nichts von dieser Auseinandersetzung erwähnt. Selbst jetzt, wo dieses Ereignis 25 Jahre zurückliegt, fühle ich mich schuldig, keine richtige Versöhnung herbeigeführt zu haben. Sie aber schenkt mir Tee ein und sagt schlicht: "Ich weiß, dass du nicht lange bleiben kannst, aber ich freue mich, dich zu sehen." Ich will ihr alles erklären aber sie legt einen Finger auf die Lippen und deutet mit den Augen auf das Sofa uns gegenüber. "Pst", flüstert sie, "deine Mutter muss sich ausruhen!" Ich gehe hinüber und knie mich neben meine Mutter, die mit geschlossenen Augen unbeweglich auf dem Sofa ausgestreckt ist. Beim Aufräumen ihrer persönlichen Sachen waren mir so viele Fragen eingefallen, die ich ihr zu ihren Lebzeiten nie gestellt hatte in der Annahme, dazu wäre später noch Zeit. Auch jetzt müssen diese Fragen warten.
Links von der Sitzgruppe führt eine Terrassentür in einen weitläufigen Garten. An dessen Ende entdecke ich meine beste Freundin aus der Schulzeit. Als Erwachsene führten uns unsere Wege in verschiedene Richtungen und nachdem wir noch eine zeitlang brieflich und telefonisch miteinander Verbindung hielten, fühlten wir beide, dass wir uns nicht nur räumlich auseinander gelebt hatten. Ich stehe auf, will zu ihr. Doch sie wendet sich ab und verschwindet jenseits der Hecke. Wie gerne möchte ich ihr folgen! Vorbei! Widerstrebend drehe ich mich um und schwebe zur Tür, durch die ich hierher geraten bin. Meine Tante hat Recht. Ich darf nicht länger bleiben. Zeit zu gehen!
Ich öffne die Tür und blicke in die besorgten Augen einer Krankenschwester. Verständnislos schaue ich mich um. "Sie sind im Krankenhaus. Sind vor ihrem Auto zusammengebrochen. Keine Angst, es ist bestimmt nur für kurze Zeit!"
"Ja", ich nicke lächelnd, "ich weiß, ich kann nicht lange bleiben."


Eingereicht am 21. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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