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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Schlüsselerlebnis

©Petra Lehr

Was ist eigentlich ein Schlüsselerlebnis? Ist es eine Erfahrung, ein Gedanke oder ein Ereignis, was das Leben in andere Bahnen lenkt? Ist es etwas, das unser Leben verändert? Wenn ja, dann denke ich, haben wir tagtäglich solcher Schlüsselerlebnisse, nur, dass manche Dinge schwerer wiegen als andere.
Es ist nun vier Jahre her, seit Martin sich von mir getrennt hat. Natürlich steckte eine andere Frau dahinter und ich war die Leidtragende! Zwölf Jahre hatten wir zusammen Seite an Seite verbracht und nun war es plötzlich zu Ende. Ganz ohne Vorankündigung erklärte er mir an einem Sonntagmorgen, dass es vorbei sei. Ich war wie vom Donner getroffen. Mir zog es buchstäblich den Boden unter den Füßen weg und meine heile Welt lag in Trümmern. Erst am Tag zuvor hatte ich meine Ausbildung zur Management Assistentin abgeschlossen. Zwei Jahre hatte diese Ausbildung gedauert und natürlich hatte unsere Beziehung etwas darunter gelitten. Es bleibt nun mal weniger Zeit an den Wochenenden, wenn man die meiste Zeit für Lernen aufbringen muss. Aber ich hatte doch auch Geduld und Ausdauer bewiesen, als er nur ein Jahr vor mir mit seiner Meisterschule begonnen hatte. Er hatte nur wenige Monate vor mir seinen Meisterbrief erhalten. Was ist so schlimm daran, wenn man sich als Frau mal auf sich selbst konzentriert und der Mann etwas zurückstecken muss?
Da stand ich nun mit meinen 32 Jahren, Mann und Freundeskreis waren von der einen Minute auf die andere aus meinem Leben verschwunden und ich wusste nicht mehr weiter. Ich verfiel in eine tiefe Depression, die sich mit unglaublicher Wut abwechselte. Auf der Suche nach neuen Freunden, einem neuen Mann und einem neuen Lebensziel verirrte ich mich immer mehr. Mein Tag hatte 20 Stunden, ständig war ich unterwegs, suchte mir neue Hobbys, welche aber alle nicht das Richtige waren und nichts konnte mich wirklich davon ablenken, mir immer wieder die Frage zu stellen, wie es denn nun weiterginge. Es war mir einfach immer noch unbegreiflich, nur drei Wochen zuvor hatte er von einer möglichen Heirat gesprochen - und nun wusste ich einfach nicht mehr weiter. Meine Eltern hatten dann die Idee mich als Ablenkung auf eine zweiwöchige Kreuzfahrt in die Karibik zu schicken. Sonne, Strand und Meer und Tausende von neuen Eindrücken. Es war eine tolle Zeit und endlich fing ich an, wieder zu mir selbst zu finden. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich mich in der Partnerschaft aufgegeben hatte. Er wollte nie in Urlaub, und ich finde es so toll, fremde Städte zu erkunden. Er wollte immer nur zu Hause bleiben und ich bin die pure Abenteuerlust. Er trank immer mehr und ich verabscheute es von Mal zu Mal mehr - nicht zuletzt, da er immer aggressiver wurde und meine Prügel nicht mehr lange auf sich warten ließ.
Dieser ganze Prozess dauerte sechs Monate und natürlich blieb die Veränderung, die ich durchmachte, auch im Geschäft nicht verborgen. Ich fing an wieder Selbstbewusstsein aufzubauen, verwandelte mich von der Jasagerin zur Kämpferin - was ein Problem darstellte. Ich wurde zur Feindin meiner weiblichen Kollegin der Geschäftsleitung. Ich möchte nicht in Konkurrenz mit jemandem stehen, bin auch nicht karrieregeil, aber sie sah es anders. So begann meine Mobbingphase. Jeder wird nun denken, warum hat sie nichts unternommen, aber glaubt mir, so einfach ist das nicht. Wenn Intrigen geschmiedet werden, Verleumdungen aufkommen, der Chef beeinflusst wird, und er sich auch beeinflussen lässt von Gerüchten, die aufgestellt werden, nur weil die andere Dame lieblicher flüstern konnte als ich, so sitzt man schlichtweg am kürzeren Hebel. Ich biss die Zähne zusammen und dachte, irgendwann wird sie schon die Lust verlieren. Nach gut einem Jahr ebbte das Ganze auch tatsächlich ab. Aber dann kam die große Entlassungswelle, wie es bei fast allen Betrieben in Deutschland üblich war, so dass jeder von Tag zu Tag mehr um seinen Arbeitsplatz bangte und das große Sägen an den Stühlen der Anderen begann. Meine Kollegin musste dann auch zu ihrem Entsetzen feststellen, dass ich mir inzwischen einen sehr guten Namen in der Firma gemacht hatte, zeitweise wurden mir mehrere Arbeitsgebiete zeitgleich überlassen, welche ich alle gut miteinander verbinden konnte und zum Teil auch eine sehr zufriedenstellende Arbeitsquote erreichte. Ihr Stuhl fing an zu wackeln und wie man, leider, die Frauen so kennt, sind diese sehr ideenreich, wenn es um den eigenen Hals geht, so wurde das Mobbing wieder aufgenommen, nur noch schlimmer. Es zerfraß mich fast. Ich ging mit Nervenflattern zur Arbeit, konnte nachts nicht schlafen und meine Nerven fingen an blank zu liegen. Ich konnte einfach nichts ausrichten gegen diese Frau, die mir das Leben zur Hölle machte. Ich konnte nicht einfach kündigen, so einfach ist es nicht, bei einer Arbeitslosenquote von 10% eine neue Stelle zu finden und ich arbeitete doch sehr gerne dort. Ich liebte meine Arbeit und auch meine Kollegen, nur SIE war der einzige Haken, aber ich war einfach machtlos. Ich weiß, es trifft auf Unverständnis, wenn man das so hört und liest, aber glaubt mir, ich konnte nichts tun. Wie oft sagte meine Mutter: "Valerie, lass den Kopf nicht hängen, du hast dir nichts zu Schulden kommen lassen und jeder bekommt irgendwann, was er verdient hat!" Aber ich konnte nicht länger. Inzwischen hatte ich enormen Bluthochdruck und hatte auch keine Lust, nur wegen dem Frust an der Arbeit mit 33 schon einen Schlaganfall zu erleiden. So entschloss ich mich, mich auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu machen. Ich hinterlegte mein Profil im Internet und schwor mir, bei der ersten Gelegenheit, die sich mir bietet, das Handtuch zu werfen und ihr das Feld zu überlassen.
Und es vergingen wieder die Monate und dann, als ich dachte, nun geht es wirklich nicht mehr weiter in meinem Leben, bekam ich ein Arbeitsangebot aus dem Ausland. Zuerst dachte ich, das könne ich nicht machen, meine Familie verlassen, die mir immer beigestanden hatte, meine wenigen neuen Freunde verlassen, wo es so schwer war, wieder auf die Füße zu kommen ...
Aber nun sind auch schon wieder sechs Monate ins Land gegangen und ich habe noch keine Minute meinen Schritt bereut, dass ich den Mut gefasst habe, wirklich ALLES hinter mir zu lassen. Ich habe den Job im Ausland angenommen. Na ja, Ausland hört sich hochtrabend an, aber letztendlich sind es nur 300 km von zu Hause, und ich könnte nicht glücklicher sein. Mein Traum hat sich erfüllt. Ich habe den Traumjob gefunden mit einem Chef wie aus dem Bilderbuch. Ich wohne in einer traumhaften Wohnung in paradiesischem Umfeld. Auch ein neuer Freundeskreis baut sich wieder langsam auf. Ich kann meinen Hobbys nachgehen, die ich inzwischen schätze und liebe. Nur vier Wochen nach meinem Umzug hatte ich wieder meinen inneren Frieden gefunden. Alle gesundheitlichen Probleme waren wie weggeblasen. Ich bin wieder glücklich, froh und ausgelassen. Auch das Thema Mann wird sich in meiner neuen Heimat klären, da bin ich mir ganz sicher, denn ich denke, das war alles Schicksal und ich hatte einfach diese Zeit gebraucht. Ich hatte diese Zeit gebraucht um wieder zu mir selbst zu finden und auch alle diese Erlebnisse, sonst hätte ich nie den Schritt in ein neues Leben gewagt und nicht den Mut für einen Neubeginn gehabt.
Zitat: "Fürchte dich nicht vor einem großen Schritt, denn mit zwei kleinen kannst du keine Schlucht überwinden!"


Eingereicht am 05. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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