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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Eva und die Männer - ein Nachmittag zu Hause

© Rita König

Männer sind Machos, sinnierte Eva. Oder Weichlinge. Am schlimmsten ist diese Mischung aus beiden, die dir den Hundeblick aufzwängt, wenn du gerade den starken Typen zu lieben beginnst. Sie sah verträumt aus dem Fenster. Liebe pur, Zärtlichkeit, Nähe, die einsperrt und dann in Abständen diese Cowboy-Touren: "die Freiheit des Mannes ist das höchste Gut".
Als wenn uns jemand fragen würde, wann wir Ruhepausen halten - fern jedes Kindergeschreis und ohne Verpflichtung zum nächsten Essen.
Eva marschierte in die Küche und räumte das Geschirr in den Schrank. Als sie das Abendbrot vorbereitete, seufzte sie in sich hinein. Peter zum Beispiel: glaubte wohl, mit seinen rötlichen Locken jede in seinen Bann ziehen zu können. Sein Lieblingswitz, den er zu jeder unpassenden Gelegenheit von sich gab, lautete nämlich: Die Frau gehört an den Herd und der ins Schlafzimmer.
Macho. Vielleicht hatte er Angst, dass eine hinter die Fassade blicken könnte und die ganze Coolheit dann zusammenfällt wie ein hübsch gebautes Kartenhaus im Wind.
Na gut, um den brauchte sie sich nicht zu sorgen.
Zufrieden mit ihren Vorbereitungen verließ Eva die Küche und schlüpfte in den engen samtenen Vollbody. Sie scheute sich, das Wort Catsuite auszusprechen, weil sie, wie sie Elvira einmal erzählte, beim Ausziehen desselben sonst das Gefühl haben müsste, ihr würde das Fell über die Ohren gezogen. Eva nahm die kleineren Reifen vom Haken, ehe sie sich auf den Flokati legte und langsam mit Beinkreisen begann. Ihr erneutes Seufzen ging in ein schiefes Grinsen über. Der Flokati lag noch im Schaufenster, als Norbert ihr mit Gesprächen die Abende verkürzte. Manchmal massierte er ihr den Rücken. Nicht mal den Pulli traute sie sich auszuziehen, und dass Norbert auf ihrem Po saß - ja, wie hätte er sie sonst ordentlich massieren können? Eine Krankenpritsche gab es nicht, oder hätte sie ihn ins Schlafzimmer einladen sollen? Na also.
So souverän fühlte sie sich in dem Moment allerdings nicht, als plötzlich ihr Mann in der Tür stand. Und Norbert gesenkten Kopfes die Wohnung verließ.
Eva hatte das Schlüsseldrehen nicht gehört.
Jetzt die Bauchübungen. Als Eva den harten Boden durch Flaum und Samt bis ins Innerste spürte und die Bewegungen den Kreislauf so richtig in Schwung brachten, dachte sie nur noch: Ferdinand. Ferdinand aus Schwabenland. So amüsierten sich die Kolleginnen, als die ersten Fotos kursierten von den Herren der anderen Seite. Joint venture nannte sich das. Ein Betriebsausflug nach Schwaben. Beim Essen übte er leise Konversation. Seine Umsichtigkeit schmeichelte ihr. Wie - fast zärtlich - er sich nach jedem Gang mit der Serviette über die weichen Lippen fuhr, erregte sie.
Wie wird's denn sein mit ein'm aus dem Westen?
Könnte sie nach den Jahren der Abstinenz - zwölf Jahre mit einem Mann! - andere noch verrückt machen, hämmerte es in Evas Kopf.
Sie beendete die Übung auf dem Bauch, wollte sich jedoch nicht wieder auf den Rücken legen.
Ferdinand. Sie küssten sich nicht. Sie ließ sich auch nicht überzeugen sich auszuziehen, aber da war der durch ihren Kurzhaarschnitt freie Nacken und die leicht zu öffnenden Knöpfe der blauen Bluse. Die sie seitdem nie wieder trug, wie ihr durch den Kopf schoss.
Als sie dieses wohlige Stöhnen neben ihrem Kopf vernahm und die kurzen Bisse dicht neben den silbernen Ohrringen, wollte sie sich nur noch in den dichten, duftenden Bart kuscheln. Eva stellte sich das zerwühlte Bett vor und prustete los. Sie drehte sich auf die Seite und streckte das linke Bein in Richtung Zimmerdecke, als könne sie mit den Zehen die Leinwand durchstoßen, von der die Urlaute der Lust die Hose rhythmisch beben ließen.
Sie hatte geschafft, was sie wollte. Der Westmann war genauso empfänglich.
Bei den Kniebeugen und Liegestützen träumte es sich schwer. Eva pustete, schnaubte und schwitzte. Setzte sich einen Moment zum Ausruhen auf den Boden.
Wenn Robert nur da wäre. Er hätte sie verstanden. Mit ihm konnte sie reden.
Er konnte zuhören. Nein, das war ungerecht. Zuhören konnte ihr Mann ebenso gut. Das zeichnete ihn schon damals aus. Nur - damals tat er es auch.
Freiwillig und gern.
Warum hatte sie Robert weggeschickt? Zumindest nicht widersprochen, als er vom Großauftrag erzählte, neuen Chancen und etwas Abstand, den sie doch erbat. Aber musste es gleich Australien sein? In Berlin oder München könnte sie ihn jetzt anrufen. Robert. Die Luft füllte sich schon mit elektromagnetischen Wellen, wenn sie an ihn dachte. Erschrocken war sie zurückgewichen: Es brannte wie vor zwanzig Jahren! Robert gewann, weil er nicht da war.
Ihr Mann war immer da. Physisch. Oder empfand sie so, seit sie Robert kannte?
Ihr Mittelfinger malte wiederkehrende Kringel auf die Stirn. Im Bad fuhr die Hand zur Schulter, streifte den künstlichen Samt von der Haut und malte weitere Kringel auf den samtigen Körper. Im Aufblicken stolperte sie über den schwarzen Punkt im Haus gegenüber. Laut auflachend drehte sie sich langsam um die eigene Achse, bevor sie in die Wanne und der Duft des Schaumbades in ihre Nase stieg. Ihre Erinnerung lachte noch immer. Der fremde Mann gegenüber. Sie wusste nicht einmal seinen Namen. Sie wusste nicht, wie er aussah, noch wie alt er war.
Eines Tages hatte sie vom Nachbarfenster aus gesehen, wie er das Fernglas unvorsichtig weit aus dem Fenster hielt, um einem jungen Mädchen auf der Straße nachzuschauen. Der Nachbarblock war vielleicht fünfzehn Meter entfernt. Ein Prickeln umgab ihren warmen Körper, das seine Ursache nicht im Sprudelbad hatte.
Nach einem Trockenrubbeln am Fenster spazierte Eva nackt durch die Wohnung.
Sie hängte den Sportanzug ordentlich in eine Schrankecke, zog die geblümte Schürze heraus und schloss die unteren drei Knöpfe.
In der Küche stand das Abendbrot auf dem Tisch. Ihr Mann würde pünktlich um 19:00 Uhr den betagten Schlüssel in das geölte Schloss stecken.
Und sie würde auf jede Art von Hunger vorbereitet sein.


Eingereicht am 07. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.

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