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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Gott ließ ihn endlich fallen

© Noah Lucas

Die Sonne blendete mich, als ich aufwachte und Richtung Fenster sah. Es war Mitte Juli und wahnsinnig warm. Eigentlich hatte ich gar keine Lust aufzustehen, aber da kam ich ja nicht drum rum. Als ich dann in die Küche kam und mich an den Küchentisch setzte, merkte ich wieder, dass mir etwas fehlte. Seit zwei Jahren war ich nun schon Single; wie oft hatte ich dieses Wort schon in Verbindung mit meinem Namen gehört, ich kannte kaum noch andere Vokabeln. Auch die ewigen Verkupplungsversuche meiner Freundinnen konnten daran nichts ändern. Natürlich traf man ab und zu mal brauchbare Typen, aber entweder stellte sich heraus, dass sie nur das 'Eine' wollten, oder nebenher noch 'gute' Freundinnen hatten, die man ja nicht vernachlässigen durfte, oder einfach nur Blender waren. Außerdem fehlte mir das Gefühl, dieses Kribbeln im Bauch, dieses pulsierende Klopfen im Hals, dieses verlegen werden, das Aufregende.
Eigentlich hatte ich es eilig rechtzeitig zur Arbeit zu kommen, aber meine Haare wollten mal wieder nicht im Haarband bleiben und meine Kontaktlinsen nicht ins Auge passen. Nach fünfzehn Minuten Fummelarbeit sah ich dann irgendwie so aus, als ob ich doch gerade erst aufgestanden sei.
Als ich ins Auto steigen wollte, sah ich ihn, eigentlich nur von hinten, aber das reichte erstmal schon. Vor lauter Hinsehen merkte ich nicht, dass da ein ziemlich schnell fahrender Radler auf mich zu kam und im letzten Moment sprang ich mit einem extrem peinlichen Aufschrei zur Seite, fiel dabei halb in mein Auto und klemmte mir den Zeigefinger in der Tür, weil ich mich daran festhielt. Natürlich wurde der Grund für meine Unachtsamkeit dadurch auf mich aufmerksam. Als er sich umdrehte, wäre ich beinahe noch einmal ins Auto gefallen, plötzlich konnte ich meinen Puls hören. Wäre das möglich? Endlich ein Lichtblick am dunklen Horizont! Oh man, warum war ich nicht eher aufgestanden, hatte mich geduscht und ordentlich frisiert? Das konnte ja nur wieder mir passieren. Er kam auf mich zu. Hoffentlich hatte ich guten Atem? Hält mein Deo dieser Aufregung stand? Saß mein Top noch? Na toll, warum gerade diese hässlichen Shorts? Er öffnete den Mund und ich hörte das erste Mal seine Stimme, eine Stimme die ich nie vergessen sollte. Er fragte ob alles in Ordnung sei. Sicher, aber dass mein Finger gleich abfallen würde, erwähnte ich natürlich nicht.
Ich erfuhr seinen Namen und nannte ihm meinen. Meine Ohren hörten ihn und meine Augen sahen ihn, erkundeten jedes kleine Detail an ihm. Wie in Trance sprach ich mit ihm, schloss mein Auto ab und folgte seiner Einladung ins Cafe um die Ecke. Alles andere vergaß ich, auch leider die Arbeit.
Je länger wir uns unterhielten, desto weniger versuchte ich wie eine Dame zu sitzen, nicht zu kleckern, perfekt auszusehen oder lustig zu sein. Alles lief von ganz alleine und ich fühlte mich einfach nur wohl. Ich merkte es gar nicht, aber es waren schon einige Stunden vergangen und wir saßen noch immer in diesem hübschen Cafe, ich hatte noch nie bemerkt wie gemütlich es dort war. Flüchtig berührten wir uns ab und zu, mal beabsichtigt, mal nicht, aber jedes Mal reagierte mein Körper mit einer Gänsehaut, die jedes gerupfte Federtier vor Neid erblassen ließ. Als das Klingeln seines Handys uns in die Realität zurückholte, mussten wir uns leider voneinander trennen, denn auch dieses wundervolle Geschöpf musste eigentlich heute arbeiten.
Nachdem auch ich mich dann endlich in der Firma gemeldet und erklärt hatte, dass ich einen Ohnmachtsanfall hatte, was ja nicht ganz gelogen war, bereitete ich mich auf mein Date vor. Ich hatte drei Stunden Zeit um aus einem verschwitzten, ungeduschten, schlecht angezogenen Körper eine unwiderstehliche, verführerische, aber dennoch unnahbare Frau zu machen. Nachdem ich alles aus meinem Schrank gerissen, vieles anprobiert und alles wieder in die rechte Schrankhälfte gequetscht hatte, war das passende Outfit gefunden. Bei meinen Haaren gab ich mir dann doch viel mehr Mühe als heute Morgen. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Seid sehr langer Zeit hatte kein fremder Mann mehr mein Reich betreten. In Rekordzeit verschwanden alle Peinlichkeiten in Schränken, Schubladen und im Mülleimer. Und um kurz nach acht hörte ich dann endlich wieder diese wundervolle, erotische, liebevolle Stimme. Es fühlte sich so an, als ob mein Magen sich auf aufregende, angenehme Weise permanent von links nach rechts und wieder zurück drehen würde oder war das vielleicht ein Kribbeln?
Schon damals und nach vielen weiteren Treffen, wunderschönen Abenden, Tagen und Erlebnissen weiß ich heute, dass es definitiv ein Kribbeln gewesen ist.
Jeden Morgen könnte ich Gott dafür danken, dass er für mich und meinen Mann damals den Schlüssel für die Tür mit der Aufschrift: 'Gemeinsames Leben, zwei Kinder, Liebe, Geborgenheit, Zufriedenheit und Ewigkeit' vom Himmel fallen ließ.


Eingereicht am 30. November 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.

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