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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Schutzengel

©  John Valentine

Schon wieder muss ich arbeiten. Es ist zum verrückt werden. Und dieser Job ist einfach nur die Hölle für mich. Aber was soll man denn schon tun. Ich mit meinen 44 Jahren und einem Kind, dessen Vater mich nach der Geburt verlassen hat. Ich schmiere mir meine Butterbrezel, stelle die Butter zurück in den Kühlschrank und setze mich an den Esszimmertisch. Zumindest eine kleine Wohnung kann ich mir von den paar Kröten, die ich verdiene, leisten. Ich schaue auf die Uhr. Es ist schon 10, in einer Stunde muss ich an meinem Arbeitsplatz sein. Im Winter ist es bereits schon ab 17 Uhr abends dunkel. Nachdem ich meine Brezel gegessen habe, pack ich meine kleine Handtasche und verlasse das Haus um mich in Richtung U-Bahn zu begeben. Meine langen blonden Haare werden durch orkanartige Böen im U-Bahn Schacht total verzwirbelt. Ich schaue auf die Anzeigetafel, dir mir signalisiert das ich noch 4 Minuten auf die Bahn warten muss. Ich hasse unterirdische U-Bahn Haltestellen, ich fühle mich immer völlig unsicher und verletzlich. Die Bahn kommt eine Minute früher als angezeigt. Leute steigen ein, Leute steigen aus. Nachdem mich die Bahn an meine Haltestelle bringt, gehe ich meine übliche Bahnsteigtreppe hoch und laufe direkt in meine Bar. Was heißt meine Bar, es ist Bill, dem die Bar gehört. Er ist ein Schwein, nichts weiter, er weiß genau was ich für Laster habe, ihn interessiert nur der Profit. Gleich als ich reinkomme, macht er wieder eine Gestik, die mir gleich den Abend verdirbt, er sieht mich und verdreht die Augen.
Dreckskerl. Schnell umziehen, Bill hat für heute Abend besondere Gäste, alles müsste perfekt von der Bühne gehen. Ich bin die Einzige, die heute Abend mit ihm bedient, und da es Samstagabend ist und somit extrem viel Arbeit auf mich wartet, könnte ich schon wieder davon rennen. Ich bin unter Stress, die einen wollen dies, die anderen jenes zu trinken, mein Chef selbst rührt seinen fetten Hintern nicht vom Fleck, lediglich Befehle gibt er an mich, er behandelt mich wie ein Stück Vieh. Ein Mann fällt mir auf, er trinkt langsam ein Pils. Er schaut immer zu mir. Ich frage mich was er von mir will. Nach einiger Zeit gehe ich erneut an ihm vorbei, daraufhin spricht er mich an. "Warum muss so eine schöne Frau in so einem Schuppen enden?" Seine Betonung geradezu angewidert, aber auch bemitleidenswert.
Ich erzähle ihm ein bisschen, er ebenfalls von sich. Ehe ich noch etwas sagen möchte, winkt der Chef schon wieder, und ich wünsche einen schönen Abend. Jetzt kommen endlich die Freunde von Bill. Natürlich bin ich gleich zur Stelle, es wird gleich einmal eine Runde Bier bestellt. Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Biertrinkerei noch auf weitere 3 Stunden ausdehnen würde, manche liegen bereits fast unter dem Tisch. Die anderen Gäste wollen auch andauernd was von mir, mein Chef redet nur die ganze Zeit mit einem seiner Gäste. Als ich ein weiteres Bier für einen seiner Freunde bringen möchte, passiert das wovor ich mich schon immer gefürchtet habe. Ich fliege über die Kante die zum Stammtisch führt, das Maß Bier fliegt etwa einen Meter weit nach vorne und landet wenige Zentimeter vor einen Gast von Bill. Die Sauerei ist perfekt, mein Chef tobt, und auch der Gast, der mittlerweile nur noch schwankt, schreit auf mich ein. Alle Gäste gucken was los ist. Derjenige, der das Bier abbekommen hat, beleidigt mich, ich wäre ein billiges Flittchen. Der Chef muss seinen Kommentar abgeben, dass ich nicht mal für so was zu gebrauchen bin. "Das wirst du noch bereuen!", donnert der Angetrunkene. Ich mache mir daraus nichts, ich hoffe nur nicht, dass ich nun meinen Job verliere. Zum Glück habe ich bald Feierabend. Der Betrunkene geht, ihm ist es sichtlich nicht mehr wohl. Kaum zur Tür kommt er hinaus, torkelt und stützt sich. Eine Schnecke läuft schneller als er. Hoffentlich verliere ich nicht meinen Jobb, hoffentlich sagt mein Chef nichts Weiteres. Ich rede erneut mit dem Gast von vorhin, der das Geschehen beobachtet hatte. "Ihr Chef ist ein richtiger Idiot", meint der Gast. Ich bestätige das, doch gleichzeitig werde ich von Bill in den Personalraum gerufen. Das wars, er meint ich könnte meine Sachen packen, meine Existenz ist nun vernichtet. Mir läuft eine Träne hinunter. Aber ich kann nichts machen, nun muss ich eben zum Sozialamt, ich werde meine Wohnung verlieren, einfach alles was mir mal lieb war, und jetzt auch noch das. Voller Trauer gehe ich, nachdem ich den Rest der Scherben auf dem Boden weggekehrt habe, nach draußen. Ich schaue noch einmal zu dem Gast, mit dem ich vorhin geplaudert habe. Alles vorbei. Die frische Luft draußen tut richtig gut, sie ist aber auch gefüllt mit Angst, denn hier in der Gegend weiß man um 5 Uhr morgens nie, was einem widerfahren kann. Einige Meter sind es bis zur U-Bahn Station. Ich sehe den Typen, dem ich vorhin das Bier ins Gesicht schüttete. O Nein, nicht der. Jetzt habe ich noch mehr Angst. Es gibt nur einen Trott-Wart, und auf der Straße zu laufen ist zu auffällig. Verdammt. Ich versuche ganz langsam hinterher zu laufen, damit er mich nicht sieht. Schnell zur U-Bahn, vielleicht sind ja da schon Leute, wobei dies üblicherweise nie vorkam in dieser Gegend. Doch was sehe ich da, er geht ebenfalls zur U-Bahn. Ich gehe langsam hinterher, er setzt sich ans Ende der Station, ich bleibe am Eingang sitzen. Hoffentlich sieht er mich nicht, ich habe meine Arbeit verloren und meine Familie. Ich will nicht noch mehr Probleme haben. Ich höre, wie er sich übergibt. Mein Gott, hoffentlich kommt jemand. Die Anzeige der Bahn steht auf 15 Minuten. 15 Minuten des Grauens, ich brauche einen Schutzengel. Ich bitte und bete, doch niemand kommt. Als dieser ekelhafte Typ sich ausgekotzt hat und das erbrochene mittlerweile vom Bahnsteig in den U-Bahn Schacht tropft, schaut er zur Seite. Mein Herz schlägt schneller. Ich höre wie er schreit ich wäre eine billige Schlampe, er kommt langsam auf mich zu. Was soll ich machen. Verdammt, hoffentlich tut er mir nichts. Er kommt immer näher. Ich möchte fliehen, raus aus der U-Bahn Station doch ich kann nicht. Ich stehe wie ein Stein an meinem Platz. Er murmelt irgendetwas, ich versuche wegzugehen, doch im selben Moment packt er mich. Ich fange an zu schreien, er hebt mir mit seinen ekelhaften Händen den Mund zu. Im selben Moment höre ich jemanden kommen. Ich versuche mich zu wehren, es gelingt mir ihn ein wenig zur Seite zu drängen. "Verschwinde du Schwein!", höre ich. Im selben Moment sehe ich den Gast von vorhin, der dem Trunkenbold einen Schlag ins Gesicht verpasst und dieser am Boden umherwimmert. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen?", fragt der Mann mich. Ich nicke, noch immer unter Schock. Erneut plaudern wir ein bisschen, er hat so eine beruhigende Art an sich, ich kann es gar nicht beschreiben. Er hat ein ähnliches Schicksal wie ich zu ertragen, seine Frau ist damals wegen einem Gehirntumor ums Leben gekommen. Einen Sohn hat sie ihm hinterlassen, der Sohn ist sobald er 18 war von Zuhause abgehauen, Freunde haben ihm sein Leben verdorben. Schon schlimm so was, wenn man denkt man selbst ist schlimm dran und dann so was hört, dann ist man trotz allem froh, dass man in seiner eigenen Haut steckt. Er ist 51 Jahre alt, heute war sein Geburtstag, den er alleine verbringen wollte. Die Härte so was. Wir reden noch immer, plötzlich versucht der Betrunkene sich wieder aufzurichten und nach mir zu greifen. Der Gast, dessen Name Eric ist, wehrt ihn erneut ab, diesmal jedoch mit einem Schlag mit der flachen Hand, so dass der Trunkenbold endgültig regungslos am Boden liegen bleibt. Bevor Eric und ich durch die anfahrende U-Bahn getrennt werden, tauschen wir unsere Telefonnummern. Ist es Liebe auf den ersten Blick oder ist es lediglich ein Schutzengel gewesen, der für mich da war - ich weiß es nicht, doch ich weiß, dass zwei verlorene Seelen zueinander gefunden haben.


Eingereicht am 25. Oktober 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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