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Science-Wittchen

Von Torsten Houben


Die Kommandantin der Weltraumbasis "Omega" saß in der Zentrale und schraubte an einer defekten Computer-Platine. Und wie sie so daran arbeitete und durch eines der Bullaugen den blauen Planeten Terra ansah, an dem sie soeben vorüberschwebten, stach sie sich mit dem spitzen Schraubenzieher in den Finger und drei Tropfen ihres grünen Blutes tropften auf die silberne Platine. Und weil das Grün auf dem Silber so schön aussah, dachte sie bei sich: "Hätte ich doch ein Kind, so silbern wie Metall, so grün wie Blut und so blau wie der Planet Terra, auf dem diese komischen Menschengeschöpfe wohnen."
Bald darauf benutzte sie die Klon-Maschine und schuf sich ein Mädchen, dessen Haut war so blau wie der Planet Terra, die Lippen so grün wie Blut und es hatte Haare, so silbern wie hochglanzpoliertes Metall. Deshalb bekam es den Namen Sciene-Wittchen. Leider hatte die Klon-Maschine ein lockeres Kabel. Die Kommandantin bekam einen Stromschlag und starb.
Die Raumstation bekam eine neue Anführerin. Es war eine schöne Frau, doch sie war stolz und hochmütig und hasste es, wenn jemand sie an Schönheit übertraf.
Sie hatte einen Roboter mit hochempfindlichen Sensoren und einem Überschallantrieb. Wenn sie zu ihm ging und auf einen Kopf drückte sprach sie:
"Roboter mit Überschall,
wer ist die schönste Frau im All?"
Da antwortete der Roboter:
"Frau Kommandantin,
Ihr seid die Schönste im All."
Da war sie zufrieden, denn sie wusste, dass der Roboter immer die Wahrheit sagte.
Science-Wittchen aber wuchs heran und wurde immer schöner. Und als das Kind sieben Jahre alt war, übertraf es die Kommandantin an Schönheit. Als diese sich einmal bei ihrem Roboter erkundigte:
"Roboter mit Überschall,
wer ist die schönste Frau im All?"
So antwortete dieser:
"Frau Kommandantin, Ihr seid die Schönste hier,
aber Science-Wittchen ist tausendmal schöner als Ihr."
Da erschrak der weibliche Captain sehr und ihre ohnehin schon grüne Haut wurde noch grüner vor Neid. Von nun an wuchs der Hass in ihr, wann immer sie Sciene-Wittchen erblickte und sie hatte Tag und Nacht keine Ruhe mehr.
Da rief sie den Hauptmann der imperialen Sturmtruppen und gab ihm einen Befehl: "Nimm dir einen Hyper-Raumgleiter und bringe Science-Wittchen damit in eine andere Galaxie. Wirf sie dort in ein Schwarzes Loch, damit sie für immer aus dieser Dimension verschwindet. Zum Beweis, dass du es auch wirklich getan hast, bring mir danach die Aufzeichnungen des Bordcomputers."
Der Hauptmann gehorchte. Er lockte Science-Wittchen in den Raumgleiter, indem er versprach, ihr einen wunderschönen Schwarm Sternschnuppen zu zeigen und startete durch.
Kurz vor dem Schwarzen Loch, öffnete er die Luftschleuse und wollte das arme Kind hinausstoßen, doch Science-Wittchen flehte um ihr Leben: "Bitte Herr Hauptmann, werft mich nicht in eine andere Dimension. Setzt mich auf dem nächstbesten Planeten ab und ich will auch nie wieder zurück zur Raumstation kommen."
Weil das Mädchen aber so schön war, hatte der Hauptmann der Sturmtruppen Mitleid. Er zog einem ausgedienten, verrosteten Roboter einen Raumanzug an, der dem von Science-Wittchen ähnlich sah und warf diesen dann in das Schwarze Loch. Die Außenkamera des Raumfahrzeugs filmte alles mit. Anschließend flog der Hauptmann einen kleinen lilafarbenen Planeten hinter den Saturnringen an, der einigermaßen freundlich aussah und setzte Science-Wittchen darauf ab.
Nach seiner Rückkehr zur "Omega", sah sich die Kommandantin die Aufzeichnungen des Bordcomputers an und konnte beobachten, wie eine Gestalt, die ihrer Stieftochter ähnlich sah, in einem bedrohlichen schwarzen Loch verschwand. Sie war zufrieden.
Science-Wittchen aber lief auf dem kleinen lila Planeten umher und fand kein Zeichen von Leben darauf. Es war kalt und der Wind heulte um die riesigen rosa Felsen, die überall standen. Schließlich erreichte Science-Wittchen eine kleine runde Wohneinheit. Sollte es doch Bewohner auf diesem kleinen Planeten geben? Weil das Mädchen so hungrig und müde war, öffnete es die Türe und ging hinein. Was für ein Glück, dass die elektronische Sicherheitsverriegelung nicht aktiviert war. Inzwischen wurde es langsam dunkel und Science-Wittchen schaltete mit einem Druck auf den Lichtschalter die Halogenstrahler ein. Sie entdeckte einen Tisch, der für sieben Personen gedeckt war. Die Stühle waren winzig und die Tellerchen ganz klein. Sieben kleine Trinkbecher standen ebenfalls dort. Sie nahm von jedem der Teller ein wenig genetisch manipulierte Schonkost, weil sie niemandem alles wegessen wollte und trank aus jedem der Becher einen Schluck Proteindrink.
Dann ging sie in den Ruheraum und legte sich in eine der sieben Hyperschlafkapseln, wobei sie die Beine anzog, denn auch die Hyperschlafkapseln waren sehr klein.
Als die fünf Sonnen untergegangen waren, kamen die Bewohner der kleinen Wohneinheit von ihrer täglichen Arbeit in den Uran-Minen zurück. Es waren sieben kleine grüne Männlein mit großen roten Nasen, jeweils fünf Armen und jeder von ihnen hatte drei Augen. Die radioaktive Strahlung des Urans hatte sich in all den Jahren doch bemerkbar gemacht.
Die sieben Grünlinge bemerkten gleich, dass ihre Wohneinheit nicht mehr so steril war, wie sie diese am Morgen verlassen hatten. Der erste Grünling sagte: "Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?"
Der zweite: "Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?"
Und so ging es Reih um, bis der siebte Grünling das fremde Mädchen entdeckte und sprach: "Wer liegt da in meiner Schlafkapsel?"
Die anderen kamen herbeigewatschelt und riefen: "Ach, wie schön das blaue Kind ist!"
Sie ließen Science-Wittchen bis zum Morgen schlafen. Als sie erwachte, erschrak sie vor den dreiäugigen Grünlingen, aber diese waren freundlich und als sie die traurige Geschichte von Science-Wittchen hörten, da luden sie das Kind ein, bei ihnen zu bleiben. Science-Wittchen freute sich sehr darüber und bot als Dank an, den Grünlingen ihre Wohneinheit sauber zu halten und das Essen zu kochen. Von nun an war es so, dass die Grünlinge morgens in die Uran-Mine gingen und Science-Wittchen kümmerte sich um Sauberkeit und genetisch manipulierte Schonkost.
Bevor die Grünlinge zur Arbeit gingen, warnten sie das Mädchen: "Hüte dich vor der bösen Kommandantin! Sie wird bald den Planeten gescannt haben und wissen, dass du hier bist. Lass niemanden herein."
Die Kommandantin aber, nachdem sie die Computeraufzeichnung gesehen hatte, war zu ihrem Roboter gelaufen, schaltete ihn ein und stellte die Frage:
"Roboter mit Überschall,
wer ist die schönste Frau im All?"
Der Roboter antwortete:
"Frau Kommandantin, ihr seid die Schönste hier,
aber Science-Wittchen hinter den Saturnringen,
bei den sieben Grünlingen,
ist tausendmal schöner als ihr!"
Da merkte die Kommandantin, dass ihr Hauptmann sie betrogen hatte und ließ ihn von einer Laserkanone eliminieren. Nun überlegte sie aufs neue, wie sie Sciene-Wittchen aus dem Weg räumen konnte. Schließlich zog sie die Kleidung eines galaktischen Händlers an, setzte sich in einen Raumgleiter und flog zu dem kleinen lila Planeten. Mit einem holographischen Trick veränderte sie ihr Gesicht und ging so zur Wohneinheit der Grünlinge. Dort klopfte sie an die Türe und rief: "Schöne Laserschwerthalter. Sonderangebot!"
Science-Wittchen kam heraus und ließ sich von dem vermeintlichen Händler die Ware zeigen.
"Dieser Gürtel mit farblich passendem Laserschwert ist besonders schön."
Das ahnungslose Science-Wittchen bat den Fremden darum, ihr beim Anlegen des Gürtels zu helfen, doch dieser stellte die automatische Schnalle so fest ein, dass Science-Wittchen nicht mehr atmen konnte und wie tot hinfiel.
"Nun bist du die Schönste gewesen", rief die böse Kommandantin, ging zu ihrem Raumgleiter und flog davon.
Als am Abend die Grünlinge nach Hause kamen, fanden sie Science-Wittchen am Boden liegen.
"Das ist bestimmt das Werk der Kommandantin!", sagten sie.
Der Älteste unter ihnen kannte sich mit Laserschwertern aus. Er zog es aus dem Halter, der dem Kind die Luft nahm und schnitt den Gurt damit durch. Science-Wittchen erwachte.
Das böse Weib aber, als es zurück auf der Raumstation war, fragte ihren Roboter:
"Roboter mit Überschall,
wer ist die schönste Frau im All?"
Der antwortete:
"Frau Kommandantin, ihr seid die Schönste hier,
aber Science-Wittchen, hinter den Saturnringen,
bei den sieben Grünlingen,
ist tausendmal schöner als ihr."
Die Kommandantin tobte und schmiedete einen neuen Plan. Dieses Mal verkleidete sie sich als Mitarbeiter der Raumpatrouille und flog erneut zu dem kleinen lila Planeten.
"Haben Sie eine Aufenthaltsgenehmigung für diesen Planeten? Hatten Sie eine Landeserlaubnis?", fragte die Kommandantin so getarnt.
"Nein, das habe ich nicht", sagte Science-Wittchen wahrheitsgemäß.
"Dann müssen Sie diese Plakette tragen, die Sie als Besucherin ausweist!"
Die Kommandantin heftete dem Mädchen einen Besucherausweis an, dessen Nadel aber vergiftet war, so dass Science-Wittchen sich zum zweiten Mal in die Horizontale begab.
"Nun bist du die Schönste gewesen", sagte die Kommandantin und flog zufrieden zur Basis zurück.
Am Abend kamen die Grünlinge zurück, fanden Science-Wittchen und sahen auch die Plakette. Der Klügste unter ihnen entfernte das Teil und Science-Wittchen war erneut gerettet.
Zurück in der Weltraumbasis "Omega" befragte die Kommandantin erneut ihren treuen Roboter:
"Roboter mit Überschall,
wer ist die schönste Frau im All?"
Der Roboter antwortete:
"Frau Kommandantin, Ihr seid die Schönste hier,
aber Science-Wittchen, hinter den Saturnringen,
bei den sieben Grünlingen,
ist tausendmal schöner als Ihr."
Als sie den Roboter so reden hörte, bebte die Kommandantin vor Zorn und sie beamte sich eilig in die tiefste Ebene der "Omega". Dort befand sich ihre geheime botanische Sammlung. Viele Jahre ihres Lebens hatte sie von jedem Planeten, die sie jemals besucht hatte, seltene und seltsame Pflanzen mitgenommen und so ihr privates Museum aufgebaut. Es gab dort Grimpfe von Alpha Centauri, Affenbrotbäume vom Planeten B612 und auch das giftigste Gewächs von allen. Nur die starken Mägen der Menschenrasse konnte dieses Gift verdauen. Für alle anderen Weltraumbewohner ist es absolut tödlich. Vorsichtig nahm die Kommandantin den Korb mit der Aufschrift "Äpfel! Vorsicht giftig!" aus einen Regal. Dann hüllte sie sich in Lumpen, um sich als Bettlerin zu tarnen und bestieg zum dritten Male den Raumgleiter auf dem Weg zum kleine lila Planeten hinter dem Saturn.
Science-Wittchen ahnte nichts von der drohenden Gefahr, als sie die arme, alte Frau auf einen Proteindrink in die Wohneinheit bat. Zum Dank für die Gastfreundschaft hielt die Alte ihr eine merkwürdige rote Frucht hin, die das Mädchen noch nie gesehen hatte.
"Das sieht seltsam aus. Was ist das? Wo wächst so etwas?", fragte Science-Wittchen die Bettlerin.
"Das ist ein Apfel. Der wächst auf dem fernen Planeten Terra."
"Terra? Man erzählte mir einmal, dass meine Haut so blau wie der Planet Terra sein soll. Es ist bestimmt sehr schön dort."
"Das ist es. Und die Äpfel schmecken so gut. Beiß nur hinein. Es wird dir gut tun. Hab keine Angst."
Science-Wittchen vertraute dem Bettelweib und probierte ein Stück von dem Apfel. Wie alle Aliens vertrug sie die menschliche Kost nicht und sah sich erneut den lila Boden ganz aus der Nähe an.
"Nun bist du die Schönste gewesen", rief die böse Kommandantin und eilte davon, als sie die Grünlinge hörte, die aus der Uran-Mine kamen.
Die Sieben waren sehr traurig, als sie Science-Wittchen fanden. Es war diesmal nichts an ihrem Körper zu sehen, was sich entfernen ließe, so sehr sie auch suchten. Niemand konnte ihr helfen.
"Nun ist sie wirklich tot. Die Kommandantin der "Omega" hat gewonnen", weinte der Jüngste Grünling und silberne Tränen liefen ihm über das Gesicht.
Die Grünlinge brachten es nicht übers Herz das schöne Science-Wittchen in den Tiefen des Planeten zu begraben und so beschlossen sie, den Körper erst einmal in einem Kühlsystem frisch zu halten. Der Kasten war durchsichtig, so dass die Grünlinge das Mädchen betrachten konnten wann immer sie wollten.
Die Kommandantin schaltete inzwischen wieder die Sensoren ihres Roboters ein und fragte:
"Roboter mit Überschall,
wer ist die schönste Frau im All?"
Nun bekam sie zur Antwort:
"Frau Kommandantin, Ihr seid die Schönste im All!"
Da hatte die Kommandantin endlich Ruhe und konnte sich wieder um die vernachlässigte Führung der Raumstation kümmern.
Auf dem kleinen lila Planeten landete einige Wochen später ein sportliches goldenes Raumschiff der neuesten Baureihe. Aus ihm stieg ein junger Alien mit blondem Fell, kräftigen Tentakeln und wunderschönen roten Augen - und gleich acht Stück davon. Er fand gleich die Wohneinheit der Grünlinge, die um das Kühlsystem standen und trauerten.
"Ich bin Prinz Wusel von der Venus und habe mich verflogen. Könnt ihr mir sagen wie ich zu meinem Planeten komme?"
"Venus? Da hättest du am Merkur rechts abbiegen müssen."
"Ach ja? Danke. Dann mache ich mich mal wieder auf den Weg."
Prinz Wusel wollte sich schon umdrehen, als er das schöne Wesen in dem durchsichtigen Kasten erblickte. Er war sofort verliebt. Er bat die Grünlinge darum, Science-Wittchen mitnehmen zu dürfen. Weil die Kleinen aber so große Herzen hatten, erlaubten sie dem Prinzen, das Kühlsystem an Bord seines Raumschiffes zu beamen. Dabei geschah es aber durch einen technischen Fehler, dass das Apfelstück, welches Science-Wittchen immer noch im Halse steckte, nicht mitgebeamt wurde, eine Sekunde allein gelassen in der Luft schwebte und auf den Boden fiel. Nun befand sich das Gift nicht mehr im Körper des Mädchens und es erwachte aus seinem Schlaf. Wie freuten sich die Grünlinge da und Prinz Wusel versprach, Science-Wittchen mit zur Venus zu nehmen und sie dort zu heiraten.
Die Kommandantin der "Omega" bekam bald darauf eine Einladung zur Hochzeit des Prinzen der Venus. Sie zog sich ihren besten Raumanzug an und stellte sich vor den Roboter, um sich ihre Schönheit bestätigen zu lassen:
"Roboter mit Überschall,
wer ist die schönste Frau im All?"
Der antwortete:
"Frau Kommandantin, ihr seid die Schönste hier,
aber die junge Königin der Venus ist tausendmal schöner als Ihr."
Da konnte die Kommandantin es nicht abwarten ihre Rivalin zu sehen und flog unverzüglich zur Venus. Dort wurde ausgelassen Hochzeit gefeiert. Als die Kommandantin aber Science-Wittchen erkannte, da tobte sie vor Zorn und war gar nicht mehr zu beruhigen. Nur der gezielter Schuss eines Photonenstrahlers konnte sie zum Schweigen bringen - für immer.



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Eingereicht am 27. März 2004.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.



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