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Kabausche

© Manfred Schröder


Ich lag auf der Wiese und träumte, dass etwas in meiner Nase juckte. Ein kleines, krabbelndes Tier wollte es sich darin gemütlich machen. Mit meiner Hand schlug ich kräftig zu. Ei, tat das weh und ich wurde wach. Als ich die Augen öffnete, blickte ich in ein kleines, lachendes Koboldgesicht. Ein kleines Mädchen hatte es sich mit ihren Armen auf meiner Brust gemütlich gemacht. In der Hand, hielt es einen langen Grashalm.
-Warum schlägst du dich?-, fragte sie
-Ich habe nicht mich geschlagen, sondern wollte ein kleines Beißerchen aus meiner Nase vertreiben.- Sie betrachtete mein Gesicht aufmerksam.
-Ich sehe aber kein kleines Beißerchen-, bemerkte sie.
-So, so-, sagte ich. - Und was hat dann da gejuckt?- Sie lachte und ihr kleines Näschen kräuselte sich.
-Ich weiss es nicht-, erwiderte sie und wedelte mit dem Grashalm.
Ich richtete mich auf.
-So, so. Du weisst es nicht. -
Sie schüttelte wie zur Bekräftigung mit dem Kopf, an den zu beiden Seiten kleine, blonde Zöpfe baumelten.
´Ein kleiner Schelm´.
-Wie heißt du eigentlich?-
Sie blickte mich einen Augenblick an und überlegte, ob sie mir ihren Namen denn nennen sollte.
-Ich bin Kabausche. Und du.-
´So siehst du auch aus´, dachte ich. ´Kabausche´.
-Ich bin der Mande.-
Sie neigte ihren kleinen Kopf zur Seite.
-Das ist aber ein komischer Name.-
Ich legte meine Stirne in Falten.
-Warum komisch? Und was ist Kabausche!-
Ihr kleiner Mund schmollte.
-Ein schöner Name. Der schönste der Welt.- Und dann, als wollte sie mir doch eine Freude machen, sagte sie:
-Auch Mande ist ein schöner Name.-
Sie lächelte mich freundlich an.
-Na, ja-, sagte ich-, wenn auch nicht so schön wie Kabausche.- Einen Augenblick schwiegen wir. Sie blickte zum gegenüberliegenden Baum, wo sich ein Rabe niedergelassen hatte.
-Kennst du ein Märchen-? fragte sie plötzlich.
Ich bekam einen Schreck. Den bekomme ich immer, wenn Kinder mich danach fragen. Ein Märchen.
-Die Märchen, die ich kenne, kennst du bestimmt auch-, versuchte ich mich herauszureden.
Jetzt legte sich ihre Stirne in Falten. Sie dachte nach.
-Erzähle mir ein ganz neues Märchen, das noch niemand kennt.- Ach, du grüner Heinrich. Was mache ich denn nun. Wäre ich wie meine Großmutter. Ja, die konnte Märchen so einfach aus dem Ärmel schütteln.
Doch ich. Ich überlegte krampfhaft.
-Hör mal, Kabausche. Wir können das so machen. Du erzählst mir zuerst ein Märchen und dann ich; ja?- Sie spitzte ihren Mund und blickte mich an, als wollte sie sagen, `Na, ich weiss nicht so richtig.´ Es dauerte eine Weile, bis sie nickte.
-Gut; aber dann musst du mir eine erzählen.- Ich atmete erleichtert auf. Das wäre erstmal geschafft. Ich legte mich wieder auf den Rücken und sie begann.
-Es war einmal ... -
Wie lange ich zugehört hatte, weiss ich nicht mehr. Ich bin dann wohl eingeschlafen. Ein Kitzeln in der Nase weckte mich. Ich richtete mich auf und rief vorwurfsvoll:
-Kabausche!-
Dann bemerkte ich, dass meine kleine Tochter Ilona vor mir stand, mit einem langen Grashalm in der Hand.
-Papa, wir haben dich die ganze Zeit gesucht. Mama ist schon richtig böse.
Du weißt doch, dass wir Tante Liisa vom Bahnhof abholen müssen.- -Ach, ja, Tante Liisa.- Auf dem Heimweg fragte mich Ilona:
-Was ist Kabausche ?-
Ich lächelte.
-Ich erzähle es dir heute Abend vor dem Schlafengehen.-



Eingereicht am 03. April 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.



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