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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Im Schnee gefunden

Von Vanessa O.


Schritt für Schritt kämpfte sie sich vorwärts. Sie hatte ihren Kopf nach unten geneigt und versuchte erbittert gegen die Kälte, den Wind und den Schnee anzukämpfen. Fast eine geschlagene Stunde klappte es, dann brach sie erschöpft und halb erfroren mitten im Wald zusammen. Sie kam nicht mehr voran, ein paar Bewegungen schaffte sie noch, mühsam kämpfte sie sich immer wieder auf die Beine, doch es nützte nichts, all ihre Kraft verließ sie. Sie musste liegen bleiben, aber wach, das sagte sie sich immer wieder. Und ganz klein musste sie sich machen, damit ihr Körper wenigstens etwas Wärme behielt. Ganz klein und zusammengekauert lag sie nun also da, mitten im Schnee, mitten im Wald, zwischen den riesigen dunklen Tannen und ganz allein. Irgendwann schlief sie dann doch erschöpft ein.
Plötzlich schreckte sie aus dem Schlaf hoch, sie blickte erschrocken um sich. Alles war weiß, ein lauer Wind wehte zwar noch, aber es hatte aufgehört zu schneien. Vorsichtig stand sie auf und schüttelte die weiße Schneedecke von ihrem Fell. Sie guckte sich suchend um. "Aus welcher Richtung bin ich nur gekommen?", fragte sie sich. Sie lief ein Stückchen und schaute immer wieder in der Umgebung umher. Keiner begegnete ihr. Sie war verzweifelt und irgendwann fing sie leise an zu fiepen. Eine kleine Träne lief ihr über die Nase und tropfte kurze Zeit später auf den schneebedeckten Boden. "Bitte, ist hier denn keiner!?", flehte sie fragend in den Wald hinein. Es blieb leise. Langsam ging sie weiter. Der Schnee schien immer dichter zu liegen.
Auf einmal sah sie etwas, etwas sehr kleines huschte über den Boden.
"Hey, bleib doch bitte stehen!", rief sie.
Die kleine Maus stoppte, sie zitterte.
"Bitte, hab keine Angst, ich tue dir nichts!", bat sie und lief zu der Maus hinüber.
"Wer, wer bist du?", brachte diese leise und sehr ängstlich hervor.
"Ich heiße Ran und bin ein junges Reh, und du?", brachte Ran der Maus freundlich zu verstehen.
"Ich heiße Fips!", stellte sich nun die Maus vor und fragte dann "Was machst du den hier alleine, Reh?"
"Ich, ich suche, ich suche ein Zuhause", sagte Ran und wurde dabei immer leiser, sie senkte traurig den Kopf.
"Oh" Fips guckte plötzlich ebenfalls trauriger als zu vor. "Ich auch", wisperte er dann.
Es herrschte Stille. Die Bäume rauschten um sie herum im Wind. Es schien als spielten die Blätter ein leises Lied für die beiden und es schien aufzumuntern. Auf Fips' Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. "Vielleicht können wir ja erst mal zusammen bleiben!"
"Ja, das ist eine schöne Idee!", sagte Ran auffällig fröhlicher in der Stimme. "Kennst du einen Weg zu einer geschützten Stelle oder einen Ort, an dem es etwas zu fressen gibt?"
"Hm ... ich glaube ja, doch, es müsste eigentlich gehen!", antwortete Fips nachdenklich. "Ich kenne einen kleinen Steinbruch mit einer Höhle, dort kannst auch du mit hinein."
"Schön, dann las uns gehen. Ich trage dich, dann geht es schneller!"
Und Ran senkte den Kopf so, dass Fips hinaufklettern konnte.
"Du hast schöne warme Ohren!"
Ran ging los und folgte der Wegweisung Fips'. Nach bereits 15 Minuten waren sie an einem im Dunkeln versteckten Höhleneingang, eines Steinbruches angekommen. Fips sprang von Rans Kopf auf einen Felsen und flitzte ihn hinunter. Dann gingen sie gemeinsam durch den schmalen, etwas bedrohlich wirkenden Eingang.
"Schön warm ist es hier!", fand Ran und legte sich in eine der Ecken nieder.
"Warte hier!", rief Fips eben noch und war dann um eine winzige für sie zu kleine Rundung in der Wand verschwunden. Er kam nach etwas längerer Zeit wieder und zog rückwärts ein Blatt mit Bucheckern hinter sich her. "Ich hoffe, das magst du!", sagte Fips und deutete auf das mitgebrachte Futter.
"Ja klar, aber woher hast du das denn?", wollte Ran wissen.
"Wir, meine Familie und ich haben früher einmal hier unsere Vorräte gesammelt. Sie sind zwar schon etwas älter, aber ich denke, sie schmecken noch!"
Fips stupste mit seiner Nase eine Buchecker zu Ran hinüber.
Diese nahm die Ecker genüsslich in den Mund und kaute. "Ja, die schmecken wirklich sehr gut", stimmt Ran zu und gemeinsam aßen sie sie schweigend auf.
Dann sagte Ran: "Ich bin froh, dass ich dich getroffen habe!"
"Ich bin auch sehr froh!", stimmte Fips zu.
Die Nacht war schon länger angebrochen und so ging der Tag von Reh und Maus langsam zu Ende.



Eingereicht am 16. November 2004.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.



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