Der Yeti
© Elvira Frankenheim
"Komm, wir suchen jetzt den Yeti. Am Mount Everest." Klaus klappt das Buch zu. "Okay", sage ich unüberlegt. "Bin mit dabei." Wir gehen ins Reisebüro. "Zweimal Katmandu." "Um diese Jahreszeit nach Nepal? Was wollt ihr denn da?" fragt die Frau vom Reisebüro. "Wir suchen den Yeti", sagt Klaus. "Den gibt es doch gar nicht." "Doch, ich habe ein Foto von ihm in Reinhold Messners Buch gesehen", meint Klaus und ich schweige.
Wir fliegen nach Katmandu. Bei der Passkontrolle fragt man uns. "Was wollen sie in Nepal?" "Wir suchen den Yeti", sagt Klaus und ich schweige.
Die Eisenbahn zum Mount Everest geht erst am nächsten Tag. Wir gehen in ein Hotel. "Ein Zimmer für zwei", sagt Klaus zum Hotelbesitzer. "Könnt ihr haben. Was macht ihr in Nepal?" will er wissen. "Wir suchen den Yeti", sagt Klaus und ich schweige.
Am nächsten Tag fahren wir mit der Eisenbahn durch den Himalaya. Als der Zug an einem kleinen Dorf hält, steigen wir aus. Ein Sherpa fragt uns: "Was wollt ihr hier am Fuße des Mount Everest?" "Wir suchen den Yeti", sagt Klaus und ich schweige.
Am nächsten Morgen gehen wir den höchsten Berg der Welt hoch. Klaus schwitzt schon stark, als wir über ein Schneefeld gehen. Plötzlich ruft er: "Da drüben ist der Yeti." Er nimmt sein Betäubungsgewehr und schießt. "Treffer!" freut er sich, als der Yeti hinfällt. Wir eilen zur Beute und Klaus meint
nur: "Siehst du, den Yeti gibt es wirklich und wir haben ihn gefangen." Ich beuge mich über den Yeti, drehe ihn auf den Bauch und entdecke einen riesenlangen Reißverschluss im Fell, der vom Kopf bis zum Arsch geht. Wir ziehen der Person das Yetikostüm aus und zum Vorschein kommt ein nackter Mann. "Mensch, das ist ja Reinhold Messner", sagt Klaus und ich schweige.
Eingereicht am 01. Dezember 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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