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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Viagra-Ritter

© Frank Moné


Mit zunehmendem Alter kommt man manchmal ins Grübeln. Über Dies und Das. Und wenn's ganz schlimm kommt, über seine momentanen sexuellen Aktivitäten. Tja, was soll ich sagen: Der Wille ist stark, das Weib ist billig, nur das Fleisch, das ist nicht willig.
Da fielen mir Peters Worte wieder ein: "Mensch", hatte er gesagt, "hol dir ein paar Pillen Viagra. Das hilft. Garantiert". Laut ihm stand seine Lanze wieder, wie einst die DDR-Fahne zu Honneckers Geburtstag.
Also besorgte ich mir diese blauen, dreieckigen Ständerdragees. Über das Internet. Aus Amerika. Per Luftfracht. Inkognito. Auch die Verpackung. Kostete 120 Dollar mehr.
Mit einem tiefen, erwartungsvollen Atemzug warf ich mir, entspannt gespannt auf meiner Couch sitzend, eines dieser Teile ein und wartete. Und wartete ... nichts geschah. Vielleicht brauchte mein anscheinend desolater Körper mehr Input? Noch eine. Nichts. Kein Output. Eine Dritte. Zutiefst betrübt und dem Selbstmord nahe starrte ich auf die sinnentleerte Stelle meiner Hose, wo einst heroisch ...
Der Türgong riss mich aus meinen suizidtriefenden Gedanken. Ich stand auf und öffnete die Tür. Frau Maiwald, unsere Postbotin, beugte sich über ein schweres Paket, das sie vor sich auf der Türschwelle abgestellt hatte. Sie war nett adrett, gelb gekleidet und genauso breit und tief wie hoch. Ein Pakete transportierender Postwürfel, sozusagen.
"Guten Morgen, Frau Maiwald. Was bringen Sie denn heute?"
"Hallo, Herr Moné." Langsam richtete sie sich auf. "Ein Paket für ..."
Mitten in der Bewegung hielt sie inne und starrte mit weit aufgerissenen Kuhaugen auf meine Körpermitte. Mein Blick folgte dem Ihren und traf auf ... eine freche Beule in meiner Hose. Eine Beule? Tatsächlich. Straff spannte sich der Hosenstoff über eine längliche Ausbuchtung. Ein entzückter Schrei platzte aus mir heraus. Schorsch war wieder da. Und wie.
"Herr Moné. Das ist mir ja ... noch nie passiert, das ein Mann ... äh ...", stammelte die noch immer stierende Frau Maiwald. "Ich wusste ja nicht ... dass Sie ... wegen mir ..." Ein seltsames Leuchten trat in ihre Augen, während ich einfach nur stumm da stand und sicher so häufig die Gesichtsfarbe wechselte wie ein Chamäleon in der Disko.
Mit einem Aufschrei schlug ich die Tür zu und flüchtete in die Sicherheit meiner Wohnung. Dass ich der armen Frau Maiwald mit der Tür eine Piginesen-Nase beschert hatte, erfuhr ich erst einige Zeit später.
Über alle Maßen erfreut wollte ich meine wieder erwachte Fruchtbarkeit doch mal nackt in Augenschein nehmen. Plötzlich, von der einengenden Unterwäsche befreit, schnellte der Auferstandene machtvoll nach oben, genau in meinen Solarplexus. Stöhnend ging ich mit glücklich verdrehten Augen zu Boden.
Ich rappelte mich auf und dachte: Mann, was für ein Gerät. Hätte König Artus so ein Ding besessen, hätte er Excalibur in der Jauchegrube versenkt.
Wie der blitzende Degen eines stolzen Musketiers stand der Gute von mir ab.
Fasziniert und stolz fuhr mein Blick liebevoll über dieses schon verloren geglaubte Monument meiner Männlichkeit. Ein großer, straffer, blutgeschwollener Schwellkörper. Dann wurde mir schwindelig und ich fiel erneut um.
Die Natur hatte sich bei uns Populationspikadieren etwas Geniales einfallen lassen. Wenn die Gier nach Verbreitung in die männlichen Lenden fiel, pumpte sie Blut in die Stoßstange. Vorzugsweise aus dem Körperteil, welches der Mann am wenigsten (ge-?)braucht. Aus dem Hirn. Denn zum Auf- und Niederhoppeln musste man ja nicht viel denken.
Bei den Frauen dagegen bleibt das Blut größtenteils im Kopf, deshalb können sSie dich, auch während des leidenschaftlichsten Beischlafes, fragen, ob du den Müll schon rausgeschafft hast.
Nur mal so nebenbei.
Des ersten Hochgefühls zum Trotz begann das Ding nun aber immer mehr richtig wehzutun. Erinnerte mich der erste, leichte Schmerz noch an pubertäre, feuchte Träume, nach denen ich immer weiß-verkrustet aufwachte, wurde er mittlerweile ziemlich heftig. Ebenso stellte ich mit Entsetzen fest, dass meine Haut solcher Expansion wohl nicht mehr gewachsen war und riss. Na Klasse. Jetzt hatte ich Schwangerschaftsstreifen am Pimmel. Sollte das Ding je wieder zu gefälliger Größe zurückkehren, war ich der erste Mann mit Zellulite an der Wasser-lass-Zielvorrichtung.
Mittlerweile grub der Schmerz Gletscher in mein Gesicht. Was sollte ich nur tun? Nun, krasse Situationen verlangten nun mal krasse Mittel. Also riss ich mit verbissenem Gesicht einen Vorhang vom Fenster, bog unter Aufbietung aller Kräfte den aufwärts strebenden Speer nach unten und band ihn am linken Bein fest. Ganz langsam und vorsichtig richtete ich mich auf. Doch schon bei der nächsten Bewegung schnellte der Steh-auf-Sepp nach oben, riss mein linkes Bein mit und ich landete zum dritten Mal auf dem Boden.
Als ich wieder zu mir kam, hatte ich eine fette Gehirnerschütterung, gepaart mit einer großen Platzwunde am Hinterkopf. Ich hoffte, dass sie anständig blutete und ich, gewissermaßen, leer laufen durfte.
Ich guckte an mir runter. Wie er so abstand, sah er irgendwie ... schmutzig aus. Wenn man wenigstens die Form verändern könnte, so dass er wieder unauffällig in eine weite Hose passte. Da kam mir, aufgrund der stetig steigenden Pein, eine verwegene Idee ... ich rückte Dirty Harry mit einem Nudelholz zu Stange.
Boing. Boing. Boing. Nach dem die diabolischen Schmerzen und mein Wehgeschrei etwas nach gelassen hatten, besah ich mein Werk. Außer ein paar kleinen, länglichen Dellen am oberen Rund zeigte die rabiate Behandlung keine Wirkung. Also zähmte ich den Widerspenstigen mit Sekundenkleber ans Nudelholz und rollte.
Herr im Himmel. Was hatte ich mir dabei nur gedacht?
Nachdem ich wieder Luft durch die heisere Kehle bekam und sich, durch die rötlichen Schleier vor meinen Augen, wieder Konturen meiner Umgebung abzeichneten, glotzte ich bestürzt nach unten. Ganz hervorragend. Guinessbuch der Rekorde. Ich war der erste und einzige Mann mit einem Spirelli zwischen den Beinen.
Vier 20er Packungen Dolormin Extra später war der Schmerz fast weg. Aber auch meine Zurechnungsfähigkeit. Gackernd wie ein liebestoller Hahn jonglierte ich, spastisch lächelnd in den Keller und machte von meinem nächsten Bändigungswerkzeug, dem Bello, Gebrauch.
Wie in einem heroischen Western gesehen, schob ich ein Stück Lattenzaun zwischen meine Zähne und haute mit dem Vorschlaghammer auf mein Dickes Dummes Ding ein wie ein antiker Schwertmacher auf seinen Amboss. Viel half's nicht. Der hyperaktive Samen-Pistolero hatte jetzt zwar die Form eines Wok, war aber immer noch hart wie Krupp-Stahl. Sollte ich jemals wieder zum Baden gehen, verfügte ich jetzt über ein riesiges, körpermittiges Paddel.
Eine Flasche Whisky und ich spürte gar nichts mehr. Außer den Schmerzen, die kamen wieder.
So mussten sich Frauen mit großen Brüsten fühlen, schoss es mir durch den Kopf. Ständig Kreuzweh und immer in Angst das Gleichgewicht zu verlieren und nach vorne auf die Schnauze zu fallen.
Ich war am Ende. Der Schmerz wurde unerträglich und ich japste nach Luft, wie ein Apnoe-Taucher auf 500 Meter. Jetzt konnte nur noch eine Frau helfen. Schmerzlich dachte ich an Frau Maiwald. Allerdings bestand die Gefahr der Erdolchung ... bei meinen jetzigen Ausmaßen. Und vorher musste ich unbedingt noch selbst Hand an mich legen. Das abgestandene Zeug konnte man ja niemanden mehr anbieten.
Doch würden das meine Hoden mitmachen? Ich sah sie nicht mehr. Trotz aller Schmerzen, über eine komplizierte Anordnung von Spiegeln stellte ich sicher, dass sie noch da waren. Ängstlich klammerten sie sich an die körpermittige Naht zwischen den Oberschenkeln. Da wo man die neuen Babys immer zusammenflickte. Jedenfalls wenn es nach meiner Großmutter ging.
Aber zurück zum Thema. Vielleicht sollte ich, um meinem Problem Herr zu werden, nach Thailand fliegen. Die Damen dort kannten sich bestimmt aus mit älteren, europäischen, notgeilen Viagra-Konsumenten. Nur ... als Handgepäck ging das Teil nicht durch und der Schmerz hätte mich bis dahin schon hinweggerafft.
Ich schleppte mich wieder in die Küche und donnerte, bar jeglicher Feinmotorik, mit dem Super-Sepp durch die Scheibe des Holzfensters.
Mein Gott, wenn das jemand sieht. Panisch riss ich meinen Körper zurück ... und dem Sepp einen fetten Spreißel in die Unterseite. Gequält schrie ich auf und versuchte an die Wunde zu kommen. Vergebens. So weit reichten meine Arme nicht. Na ja, sicher eiterte das Ding in ein paar Wochen von allein wieder raus.
Ein letzter, finaler Gedanke durchsickerte mein sich langsam verabschiedendes Hirn: Blutzufuhr stoppen. Abbinden. Aber mit was? Mein Blick hetzte durch die Wohnung, blieb an der Was-keinen-Platz-findet-kommt-da-hinein-Schublade meines Küchenschrankes hängen. Kabelbinder. Ich torkelte auf den Schrank zu, doch bevor meine Hand die Schublade zu fassen bekam, krachte ich mit Schorsch dagegen. Mist. Aber Not macht erfinderisch und grausame Pein genial. Vorsichtig drehte ich mich um 180 Grad herum, zeriss Hose und Unterwäsche und schob mich mit meinen vier Buchstaben an den Schrank heran. Dann bückte ich mich, was zur Folge hatte, dass die beiden besten Freunde etwas auseinander drifteten. Einen kleinen Schritt zurück, ich spürte den kühlen Knauf der Schublade an meinem überhitzen Darmausgang und richtete mich auf. Die Freunde fanden wieder zusammen und der Knauf klemmte im Allerwertesten. Zwei Schritte nach vorne und die Schublade nickte aus meinem Hinterteil. Ich wackelte mit meinem neuen Schweif und schüttelte den Inhalt heraus. Mit fahrigen Händen fasste ich zwei Kabelbinder ... Ritsch ... Ritsch ... Gefesselt und geknebelt. Es zeigte jedoch nicht die gewünschte Wirkung. Er blähte sich nur auf und nach zwei Minuten grinste mich das Michelin-Männchen an.
Dann hörte der Schmerz auf. Wahrscheinlich waren die entsprechenden Nervenenden wegen unbezahlter Überstunden in den Streik getreten.
Keine Ahnung wie ich ins Bett kam. Ich hatte meine Bettdecke, wie ein Cowboy sein Lasso, über dieses unselige Organ geworfen. Eigentlich um mich zuzudecken. Aber die Zipfel der Decke berührten nicht mal meinen Bauch. Ich fror erbärmlich, allein Megazipfel war es kuschelig warm. Dann begannen die Schmerzen wieder.
Schweißüberströmt und stöhnend erwachte ich aus meinem Tagtraum. Ich sah auf die blauen Pillen in meiner Hand und beschloss, mich doch so zu akzeptieren wie ich nun mal war. Ohne Pillen. Und was konnte man mit fünfundsiebzig Jahren auch noch von seiner Libido verlangen?
Der Türgong riss mich aus meinen Gedanken. Ich stand auf und öffnete die Tür. Frau Maiwald, unsere Postbotin, beugte sich über ein schweres Paket, das sie vor sich auf der Türschwelle abgestellt hatte. Sie war sehr nett, adrett gekleidet, kurz vor der Rente und besaß eine ansprechende Rubens-Figur.
"Guten Morgen, Frau Maiwald. Was bringen Sie denn heute?"
"Hallo, Herr Moné." Langsam richtete sie sich auf. "Ein Paket für ..."
Mitten in der Bewegung hielt sie inne und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf meine Körpermitte. Mein Blick folgte dem Ihren und traf auf ... eine freche Beule in meiner Hose. Eine Beule? Tatsächlich. Der Hosenstoff spannte sich, etwas wellig, über eine längliche Ausbuchtung. Schorsch war wieder da. Etwas verhalten, aber ...
"Herr Moné. Das ist mir ja ... noch nie passiert, dass ein Mann ... äh ...", stammelte die noch immer stierende Frau Maiwald. "Ich wusste ja nicht ... dass Sie ... wegen mir...". Ein kleines, seltsames Leuchten trat in ihre Augen, während ich einfach nur entschuldigend lächelnd da stand.
"Frau Maiwald, nehmen Sie es bitte als ein ehrliches, unbeeinflussbares Kompliment. Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee?", sagte ich und hielt ihr gentlemanlike die Tür auf, während sie eintrat.



Eingereicht am 19. Juli 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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