www.online-roman.de       www.ronald-henss-verlag.de
Kurzgeschichte Kurzgeschichten

An das Bahnhofsmanagement Köln Hauptbahnhof

© Walter Schäfer


Liebe Frau Bodden,
wieder einmal kommt der Winter ins Land und es wird saukalt. Und weil es so saukalt wird, hat mein Papa gesagt, er möchte nach Sizilien fahren, weil es da immer gleichmäßig warm ist. Ich weiß zwar nicht, woher er das weiß, aber mein Vater weiß viel, was ich nicht weiß. Das weiß ich.
Jedenfalls hab ich zu ihm gesagt, dass ich nicht nach Sizilien fahre, weil ich Angst hab, da doch so viele Unfälle bei der Bahn passieren und das Fahren mit der Eisenbahn doch sehr unsicher ist. Da kotz ich vor lauter Angst sicher wie ein Reiher. Ich hab da eine saumäßige Angst vor.
Ich will Ihnen jetzt keine Angst einjagen, doch so ausgereift kann das mit dem Eisenbahn fahren noch gar nicht sein. Ich weiß nicht, ob Sie nicht schon mal was von der Fliehkraft in Kurven gehört haben. Aber die Fliehkraft zieht die langen Züge immer in entgegengesetzter Richtung in Kurven aus den Schienen, als dass der Zug eigentlich fahren will. Und deswegen sind ja auch schon eine ganze Menge Züge umgekippt und es war alles nur noch ein einziger Trümmerhaufen neben den Gleisen. Wenn ein Zug auf einer Brücke über einem Fluss umgekippt ist, fällt er natürlich ins Wasser und die Trümmer sind dann weniger. Aber kaputt geht der Zug auf jeden Fall, weil die Fliehkraft und nicht zuletzt auch die Schwerkraft daran schuld ist. Neulich ist Papi mit dem Auto in der Kurve auch hinten weg gerutscht und stand bei einem Bauern mitten im Gemüsegarten. Da war anschließend eine Mordssauerei an unserem Auto, vor allem die Tomaten an den Fensterscheiben haben viel Dreck gemacht. Aber das war immer noch besser, als wenn das in einem Wald passiert wär, da hätt' er unser Auto sicherlich aus den Baumkronen einsammeln müssen.
Ich weiß, dass Eisenbahnzüge sehr schnell fahren können. Auch wenn sie so lang wie Würmer sind und immer den Schienen nachfahren müssen, weil sie sonst den Weg nicht mehr finden und sich total verfahren. Aber ich würde mich so einem Apparat nie anvertrauen, weil man halt nie genau weiß, wie lange so ein Zug am Fahren bleibt. Wenn man sich vorstellt, dass man gerade durch so einen langen Tunnel in der Schweiz fährt und mittendrin stecken bleibt, oder es bricht ein Rad ab. Auch wenn es auf gerader Strecke ist. Und dann wird sich überschlagen. Und dann kommt der Zerschellungsvorgang. Wenn man den überlebt, wird man wahrscheinlich nass und holt sich vielleicht eine Lungenentzündung und schwimmt damit vielleicht mutterseelenallein im Meer, wenn man sich gerade an der italienischen Riviera befindet. Und dann ist kein Arzt da, aber vielleicht kommt ein Haifisch daher. Ich will das gar nicht ganz ausmalen, mir ist jetzt schon wieder schlecht.
Das wollte ich Ihnen aber alles gar nicht schreiben, weil mein Vater nämlich trotz allem nach Sizilien will, auch auf die Gefahr hin, dass er sich im Meer eine Lungenentzündung holt und damit vielleicht von einem Hai gefressen wird. Und Lungenentzündung ist vermutlich ansteckend. Und ein Hai mit Lungenentzündung hätt im Überlebenskampf wahrscheinlich überhaupt keine Chance nicht. Um den tät es mir Leid.
Ich hab zu meinem Vater gesagt, ich fahre nur dann mit, wenn wir mit so einem antiken Bummelzug fahren wie lange vor dem ersten Weltkrieg, mit deutscher Wertarbeit gemacht und der dadurch viel präziser ist und zuverlässiger, weil der viel intensiver auf den Schienen haftet als so ein modernes ICE-Teil und dafür aber nur etwas mehr Benzin verbraucht.
Aus Sicherheitsgründen sollten auch zwei Lokomotivführer mitfahren, damit der andere weiterfahren kann, falls es einem schlecht wird unterwegs und der umkippt.
Wenn Sie mir das versichern können, dann fahr ich mit im Januar nach Sizilien, aber anders nicht, das können Sie sich aber ganz sicher sein!
Eine Bekannte von mir, eine ganz Ausgebuffte, der ich das erzählt hab, hat gesagt ich soll mich nicht so blöd anstellen, weil Zugfahren viel sicherer sei als Autofahren. Aber die glaubt wahrscheinlich, ich glaub alles und bin auf der Erbsensuppe dahergeschwommen.
Vielleicht können Sie mir sagen, wie das mit dem Eisenbahnfahren ist, das sollte aber bald sein, weil im Januar will es mein Vater schon packen mit Sizilien.
Dankeschön
Ihre Iris Schäfer



Eingereicht am 02. Juni 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


»»» Kurzgeschichten: Humor, Satire, Persiflage, Glosse ... «««
»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» HOME PAGE «««

Blogs mit lustigen Gedichten
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» HOME PAGE «««