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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Gebt der Meute was sie braucht!

Christian Schmidt


Ich habe nichts dagegen, den genetischen Fingerabdruck zu speichern und für die Verbrechensbekämpfung einzusetzen. Ganz und gar nicht, denn ich habe mir nichts vorzuwerfen. Von mir aus können sie von jedem Menschen die genetischen Fingerabdrücke nehmen, vielleicht auch ein- bis zweimal im Jahr eine Spermaprobe. Einzige Voraussetzung: die Cheerleader der Dallas Cowboys müssen die Proben nehmen!
Irgendwann wird sowieso jeder Mensch bei seiner Geburt kategorisiert, mit einem Chip zur Ortbestimmung versehen und natürlich der genetische Code entschlüsselt zur späteren Verwendung gespeichert. Ein kluger Mann hat in einem klugen Buch einmal geschrieben: "Was einmal gedacht wird, wird auch umgesetzt." Wehren ist also sowieso zwecklos.
So ist es bisher leider immer gewesen und glauben Sie mir, der Staat und die Krankenversicherungen stehen schon in den Startlöchern. Die Verträge der Cheerleader der Dalls Cowboys wurden auch schon geändert. Alle sind bereit!
Krankenhaus 2032: Familie Unverzagt hat ihr erstes Kind bekommen. "Ist der Kleine gesund?", fragt die besorgte Mutter nach der Niederkunft. "Fr. Unverzagt, die Ergebnisse sind gerade gekommen. Körperlich ist er bis auf einige Kleinigkeiten gesund. Er wird aber wahrscheinlich Raucher werden und wenn sie Pech haben auch Trinker. Er hat die Tendenz zu Furunkeln und Akne. Geistig ist er wohl auch kein Einstein. Die Krankenversicherung wird 1230 Euro zusätzlich im Jahr kosten und die Therapien für Alkoholismus und Krebs sind ausgeschlossen. Die Prognose für die berufliche Entwicklung ist nicht gerade positiv. Vielleicht könnte er in den Uran-Minen unterkommen. Wollen sie ihn denn jetzt noch behalten oder soll sich der Staat um ihn kümmern? Er wird dann später in der Armee oder in den Minen eingesetzt werden und wir werden eine passende Frau finden, die allerdings sterilisiert wird. Ihm wird es an nichts fehlen und sie haben keinen Ärger. Was sagen sie? Ich kann Ihnen ja mal das Formular hier lassen. Aber nehmen Sie ihn doch erst mal in den Arm!"
Eine schreckliche Vorstellung? Ja sicherlich, aber es wird immer realer. Ich erinnere mich an die vielen warnenden Bücher. 1984, Brave New World, Die Farm der Tiere, Die Welle usw. Die waren doch so bedrückend, aber ernst genommen haben wir sie wohl doch nicht genug, oder?
Es gibt doch auch viel wichtigere Dinge im Leben. Solange wir uns noch neue Fernseher und die tollsten Schlitten kaufen können ist doch alles in Ordnung. Deshalb hat unsere Regierung ja auch eine Heidenangst vor dem Rückgang des Konsums. Durch diesen Rückgang werden die Menschen vielleicht etwas wacher.
Ich persönlich glaube dies zwar nicht, dazu reicht ja schon eine Runde durch ein Kaufhaus Ihrer Wahl. Sehen Sie dort Menschen, die besonders wach erscheinen? Ich sehe zumeist Menschen, die eingeschläfert durch diese Welt laufen.
"Herr Müller, haben sie es schon gehört, der neue Megatanker ist vor einem Korallenriff gesunken, hat alle Arten vernichtet und treibt auf die Küste zu. Er hat 1/100 unserer Ölreserven verloren!"
"So eine Schande, jetzt steigt der Benzinpreis schon wieder!"
Gebt der Meute was sie braucht! Nicht Religion ist Opium für's Volk, sondern der Konsum. Der beruhigt, der schläfert uns ein, der raubt uns die klaren Gedanken. Wenn man ein bisschen helle im Kopf ist, kann man natürlich beides verbinden: "Heh, ihr da oben, wisst ihr was, ich habe mir gerade einen neuen Fernseher und einen DVD-Player gekauft, aber ich bin trotzdem gegen die Streichung von Sozialleistungen!"
Typisch ist aber eher dieses Beispiel: Eine Demonstration gegen Plan 724 ist im Jahre 2032 in Berlin geplant. Es wird mit 500000 Menschen gerechnet, die zum Teil gewaltbereit sein sollen. Die Regierung unter Kanzler Schischer ist beunruhigt. Nach diversen Rückschlägen möchte man verhindern, dass auch noch Plan 724 (Enteignung von Grund und Boden für die Industrie) scheitert. Seit Stunden sitzen die Industriebosse und ihre Marionetten (die Regierung) im Bundeskanzleramt und endlich hat Dr. Doll, Vorstandsvorsitzende der wiedererstärkten ATOM-AG den lange erwarteten Einfall: "50%!" "50%?" "Ja, wir könnten diese Woche in allen Bau- und Elektromärkten 50% Rabatt gewähren und so die Leute in die Läden locken!", erläutert Doll. "Eine geniale Idee und bezahlt wird der Verlust aus dem Steuertopf!", stimmte Hr. Giriig, seines Zeichens Wirtschaftsminister, ein.
So wurde es dann beschlossen und die Läden wurden voll und noch voller. Wer hat da noch Zeit für eine Demo, wenn es Laminat für 3 Euro gibt! Die Gewaltbereiten, die eigentlich zur Demo gehen wollten, legten einen Baumarkt in Schutt und Asche als Protest, aber das war es auch schon. Zur eigentlichen Demonstration in Berlin kamen gerade mal 2000 Menschen, die sich aber kaum Gehör schaffen konnten, da das Knistern der Einkaufstüten aus den Bau- und Elektromärkten ihre Stimmen übertönten.


Eingereicht am 21. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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