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Das Horoskop

Dorothee Sachinian


Der Wecker piepst los und ich schrecke aus dem Tiefschlaf hoch. Komisch, sonst kam mir das Piepsen auch wie Piepsen vor. Heute klingt es, als säße ich direkt neben einer tönenden Kirchenglocke. Ich taste nach dem Wecker, um diesen Lärm abzustellen. Beim dritten Anlauf erwische ich ihn endlich und bereite diesem Horror ein Ende. Ich atme tief durch. Noch fünf Minuten … Der Wecker erinnert mich an mein Vorhaben, aufzustehen. Diesmal klingt es nicht mehr ganz so schlimm. Mühsam ist es trotzdem. Schnell schlage ich die Bettdecke zurück, damit ich nicht doch wieder meine Meinung ändere und lasse schon einmal meine Füße auf den Flokati vor dem Bett sinken. Aaaaach! Ist das kalt! Wo ist der Flokati? Er liegt irgendwo, zusammen geknubbelt am Fußende des Bettes. Ich wandere ins Bad, nachdem ich schnellstens meine Pantoffeln angezogen habe und bekomme dort den nächsten Schock:
Wer ist die Person dort?! Wirres Haar um ein Gesicht, das mich schwach an meines erinnert. Meines war nur niemals soo gesichtsalt. Schnell schnappe ich mir die Zahnbürste, versehe sie mit Zahnpaste. So ausgerüstet eile ich in die Küche. Während ich mir die Zähne schrubbe, wird die Kaffeemaschine angeworfen. Vorher jedoch hänge ich über der Spüle und spucke im hohen Bogen alles das aus, was ich da gerade im Mund habe. Ins Bad zurückgekehrt, stelle ich fest, dass es die Handwaschpaste war, die ich auf die Zahnbürste gestrichen hatte.
Also, noch einmal von vorn:
Ich streiche mir die Zahnpaste auf die Zahnbürste und eile in die Küche, um die Kaffeemaschine anzuwerfen. Ich gieße Wasser in den dafür vorgesehenen Behälter, die Hälfte daneben. Die Kanne auf die Platte und schnell das Wischtuch geholt, bevor mir alles auf den Boden entgegenläuft. Ich schalte die Maschine ein und eile mit Schaum vor dem Mund zurück ins Bad. Zumindest die Zähne blitzen mir jetzt schon wieder entgegen. Eine Katzenwäsche ist alles, was ich hinkriege. Sei nicht so eitel, das muss reichen, denke ich mir. Während ich mir das Gesicht mehr sauber als trocken rubbele gehe, ich zurück in die Küche, um den Toaster in Gang zu setzen. Im Flur stehe ich aus diesem Grunde wieder auf, denn ich war auf der herunter getropften Zahnpaste ausgerutscht und mein Hinterteil bekam zu spüren, dass es noch keinen Airbag besitzt. Mit dem Handtuch putze ich also jetzt den Boden sauber. In der Küche angekommen schiebe ich das Brot in den Toaster und schalte ihn ein. Daraufhin sprüht dieser Funken. Ich hole das Brot ungetoastet heraus und fische einen Nagel heraus. Den hatte ich gestern in die Wand schlagen wollen, doch er war mir heruntergefallen und ich hatte ihn nicht wieder gefunden. Das Brot wandert nun wieder in den Toaster. Aus dem Schrank hole ich mir eine schöne große Kaffeetasse, denn eine große Menge davon, die habe ich heute wirklich nötig. Die Kaffeemaschine fängt an zu rülpsen - ein sicheres Zeichen dafür, dass ich jetzt wenigstens schon einmal den stärkenden Kaffee schlürfen kann. Ein Blick auf die Maschine macht mir klar, dass das nicht gehen wird. Ich hatte das Kaffeepulver vergessen. Also, die ganze Chose noch einmal. Dabei fliegt mir fast die ganze Kaffeemaschine um die Ohren, denn schließlich bin ich gerade dabei, kaltes Wasser in die heiße Maschine zu füllen. Denken kann ich heute Morgen einfach noch nicht. Die Kaffeemaschine läuft jetzt also wieder und es riecht so, als gäbe es gleich Kaffee. Der Toaster fängt gerade an zu qualmen, denn das Brot hat sich verklemmt und kommt nicht heraus. Nachdem ich den Stecker am Kabel einfach nur schnell aus der Steckdose gerissen habe, sinke ich auf dem Küchenstuhl zusammen. So viel Hektik früh am Morgen, das kann nicht gut gehen. Nachdem ich also endlich zwei Scheiben fertigen Toasts vor mir liegen habe, schalte ich das Radio ein. Vielleicht werde ich etwas abgelenkt, wenn ich mir die Neuigkeiten des Tages anhöre. Der Kaffee steht nun auch endlich in meinem großen Becher dampfend und duftend vor mir. Im Radio verliest der schrecklich gut gelaunte Moderator die Horoskope.
Was für ein Blödsinn! Noch nie habe ich auch nur ein zutreffendes Horoskop gelesen oder gehört.
…und nun das Tageshoroskop für den Schützen: Von waghalsigen Unternehmungen sollten die Schützen heute besser Abstand nehmen…
Aufstehen und Frühstück machen ist doch nicht waghalsig! Passiert war mir allerdings schon soviel, das reichte eigentlich für ein ganzes Jahr!
… große Herausforderungen nehmen sie bitte besser an einem anderen Tag an …
Es ist wahrlich eine Herausforderung Kaffee zu kochen und einen vernünftigen Toast fertig zu bekommen. Weil mein Horoskop mir heute nicht gut gesonnen scheint, mutiert es zu einem Horrorskop. Vielleicht sollte ich es heute ganz langsam angehen lassen und alles nur noch wohlbedacht planen.
… und da heute Freitag der 13. ist, liebe Leute, sollten wir uns alle ein bisschen in Acht nehmen. Wir wollen die Rettungsdienste heute nicht überfordern. Bleibt zu Hause, macht Euch einen schönen Tag! Meldet Euch krank. Wenn Ihr nicht raus geht, kann Euch am wenigsten passieren …
Man hat mich auf diese Art und Weise vollkommen davon überzeugt, dass dieser Tag, sollte er so weiter laufen wie bisher, nur in einem entsetzlichen Desaster enden kann. Ich beschließe, meinem Horoskop zu vertrauen, denn sicherer kann man mir mein heutiges Schicksal nicht schildern! An Freitag den 13ten werde ich wohl oder Übel auch glauben müssen. Die Prognosen sind entsetzlich und ich werde nun meinen Chef anrufen und ihn um einen freien Tag bitten. Vielleicht hat auch er sich schon frei genommen, denn mit Freitag dem 13ten sollte man nicht spaßen.
Ich wähle die Nummer unseres Betriebs. Von der Sekretärin lasse ich mich gleich mit Herrn Meier verbinden. Herr Meier, …
Mensch Kunze! Alter Schwede. Wie sind Sie denn nach Hause gekommen? Also, dass Sie so viel vertragen, das hätte ich auch nicht gedacht! Wie geht es Ihnen denn?
Soviel zum Thema Horoskope! Vielleicht hätten sie auch gleich eins für meinen dicken Kater verlesen sollen. Vielleicht wüsste ich dann, was gestern Abend passierte, wie ich nach Hause kam und warum ich mit dem Chef einen trinken war…


Eingereicht am 02. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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