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Nachts um halb drei

Von Tessa Noel


Nachts um drei Uhr aus dem Bett zu kommen, war einfach grausam. Jeder Zipfel des Bettes zog mich unbarmherzig in Richtung Traumland. Und nach dem akuten Schlafmangel der letzten Tage, besonders. Wenigstens hatte dieses Stilzimmer bequeme Sessel, in die man sich wirklich gemütlich hineinkuscheln konnte. So ein Teil musste ich mir unbedingt zulegen. Wenn ich schon die kommenden Monate, zwecks Stillen, mir meinen kostbaren Schlaf ruinieren würde, so sollte das doch wenigstens stilvoll geschehen.
Meine ungefähre Vorstellung von Geburt, Babys und dem ganzen drum und dran, hatten mich stets bewogen, das Thema Kind weit weg zu schieben. Viel zu sehr war ich mit meiner sogenannten Selbstverwirklichung beschäftigt. Wobei nicht die Karriere als solches das entscheidende Kriterium wahr. Ich hatte einfach nur keine Lust, das Haus zu hüten. Nach einem anstrengenden, stressigen Tag gab es nichts Anheimelnderes als sich gemütlich aufs Sofa zu platzieren und ein gutes Glas Rotwein zu genießen. Vielleicht noch ein Buch lesen oder einem anderen Hobby nachgehen. Doch den ganzen Tag Hausfrau und Mutter spielen, stellte kein erstrebenswertes Ziel für mich dar. Manches Mal schnellte so ein Kinderwunsch schon durch einige graue Winkel.
Mit dem Resultat, das Ganze auf später - viel später zu verschieben.
Dass ich trotzdem so schnell in das Vergnügen gekommen bin, Mutter zu werden, war wohl der größte Schock überhaupt in meinem Leben. Die Euphorie, in die Frauen gerieten, sobald irgendwo ein Baby auftauchte, war für mich ein unerklärliches Phänomen, von dem ich vollkommen verschont blieb. Womöglich waren bei mir einige weibliche Gene defekt, die für gewöhnlich Frauen in ein ,guchi, guchi, guchi' sprechendes und in rosa und hellblau sehendes Muttertier verwandelten.
Was fanden Frauen nur so Besonderes daran, stolz über ihre Schmerzen während der Geburt zu protzen. Oder sich gegenseitig zu übertrumpfen, wer wohl länger in den Wehen lag. Gab es für diese Frauen nichts Gigantischeres als endlich Mutter zu werden?
Ich fragte mich ständig, was wohl so Besonderes daran ist, vollgemachte Windeln zu wechseln, schreiende Babys zu trösten und Berge von Wäsche zu waschen.
In eine derart verändernde Rolle zu schlüpfen fiel eindeutig in die Kategorie - unakzeptabel.
Und nun! Nun war ich seit vier Tagen ein Muttertier. Ich saß in einem urgemütlichen Sessel, im Stillzimmer des Krankenhauses um drei Uhr morgens. Meinen kleinen Sohn hatte ich gerade die vollgemachte Windel gewechselt und hielt ihn nun im Arm, während er begierig an meiner Brust saugte.
Seltsamerweise und trotz der frühen Stunde vollkommen zufrieden. Ja, ich war stolz auf mein Baby, und glücklich und derart hin und weg... Ich konnte mich nicht satt sehen, an dem winzigen Gesicht. Ständig staunte ich über die unglaublich kleinen Hände und Finger. Es war das Wunder schlechthin, diesen perfekten kleinen Menschen in Armen zu halten.
In meinem Kopf herrschte noch immer das totale Chaos. Es war ein eher einlullendes Gefühl. Ich versuchte noch immer die Mutter in mir zu finden. Vielleicht war drei Uhr morgens einfach nur die falsche Zeit dafür.
Also widmete ich mich wieder meinem Sohn, der inzwischen selig schlummernd an Mamas Brust eingeschlafen war. Mühsam, weil jede Bewegung noch Schmerzen verursachte, zog ich ein Bein vom anderen. Wenigstens waren mir die Geburtsschmerzen erspart geblieben. Wirklich schade, wenn man schon eine Stellung gefunden hatte, die keine Schmerzen verursachte, war sie von garantiert kurzer Dauer. Wobei ein paar Stunden Schlaf auch nicht zu verachten sind. Also, musste ich wohl, ob ich wollte oder nicht.
Behutsam legte ich mein süßes Baby ins Bettchen, und versuchte aufzustehen. Am besten mit einem Ruck hoch.
Das... war wohl keine gute Idee. Au - tat das weh.
In demütiger Haltung, schlürfenden Schrittes, begab ich mich in Richtung Zimmer. Hauptsache mich würde so niemand sehen. Aber wer sollte schon drei Uhr morgens hier langspazieren.


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