Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Voku Hila und Co

Von Susanne Eugorisse


Meine Oma, eine strenge Frau vom alten Schlag, konnte zwei Dinge absolut nicht leiden - Haare, die nicht ihrem Geschmack entsprachen und unfrisierte Haare. Vielleicht lag das auch daran, dass ihr Mann Friseur gewesen war, aber möglicherweise hatte sie auch eine Phobie, gegen alles was nicht ihrem Sinn für Schönheit entsprach.
Bei Männern waren so genannte Voku Hila (vorne kurz - hinten lang) Frisuren der absolute Tiefschlag. Gleich danach kam die "Entenbürzel" Frisur. Diese Haartracht hatte den Namen von der Tatsache, dass, wenn die Haare am Hinterkopf etwas zu lang gerieten, sich diese wie ein Entenbürzel am Kragen aufstellten. Natürlich standen auch die "Zopferlbuben" auf ihrer Abschussliste. Ein Mann hatte eine streng geschnittene, wenn möglich gescheitelte, Haarpracht zu tragen. Jedes abstehende Haar musste sofort mit Brillantine oder Schere bekämpft werden. Das Einzige an Unregelmäßigkeit, das sie ertrug, war die "Reindl" Frisur. Reindl nennt man bei uns den Kochtopf. Wenn jemand sich den Friseur nicht leisten konnte, setzte er ein Reindl auf und die Haare wurden danach rund um den Kopf geschnitten. Die Freunde, die wir zu ihr mitnahmen, was äußerst selten vorkam, wurden wie folgt eingeteilt: der nette Blonde mit dem Seitenscheitel, der verwahrloste Zopferlbua, der hübsche Schwarze mit dem Bürstenschnitt oder der Schmuddelige mit den Schafslocken.
Natürlich bekamen auch die Frauen ihr Fett ab. So konnte sie zum Beispiel den modernen Frisuren, die aussehen, als wäre man gerade in eine Starkstromleitung geraten, nichts abgewinnen. Kurzes Haar bei Frauen fand sie schlichtweg untragbar, wenigstens schulterlang hatten sie zu sein. Müßiggang war ihr ein Gräuel, außer man verbrachte Stunden damit seine Haare in Schwung zu bringen. Locken gefielen ihr besonders gut, aber nur wenn sie aussahen wie bei den Engeln in der Kirche, nur ja kein abstehendes Strähnchen durfte das Kunstwerk verunzieren. Wie das bei einer etwas steiferen Brise machbar sein sollte, konnte allerdings nicht einmal sie sagen. Allein schon deshalb hatte sie eine Vorliebe für streng geflochtene Zöpfe. Auch ein Dutt, aus dem kein Härchen heraus fiel, wurde toleriert. Stirnfransen waren verpönt, weil man damit das halbe Gesicht verdeckte. Eine hohe Stirn, die alle kleinen Unregelmäßigkeiten eines Gesichts freilegte, war dagegen gern gesehen, auch wenn man sich damit keineswegs wohl fühlte.
Kinder waren großteils vom Frisurenkult befreit, bis auf einige Ausnahmen ... Meine Schwester und ich hatten immer lange Haare und heute weiß ich auch warum meine Cousinen, zum Leidwesen meiner Oma, Kurzhaarfrisuren hatten. Wenn Oma uns mit unseren Pferdeschwänzen ankommen sah, zückte sie sofort den großen schwarzen Kamm. Bürsten sind zum Haare streicheln, Kämme zum Frisieren, war ihre Devise. Der schwarze Kamm hatte eine grob gezinkte und eine fein gezinkte Seite. Zuerst wurden mit der groben Seite die schlimmsten Verflechtungen entfernt und danach mit der feinen Seite die kleinen Knöpfe entfernt. Wenn nach dieser Tortur noch Haare auf dem Kopf verblieben waren, wurden diese streng nach hinten frisiert und geflochten. Ein Facelifting hatten wir damals noch nicht nötig, aber ich bin mir sicher, würde sie mich heute frisieren, ich würde wieder aussehen wie mit 17 Jahren.
Zum Schluss noch ein Punkt, der das Färben von Haaren betrifft. Männer hatten sich grundsätzlich die Haare nicht zu färben. Bei Frauen tolerierte sie es, allerdings nur dann, wenn die Farbe der Naturhaarfarbe der Trägerin entsprach und nur dazu diente etwaige weiße Strähnen zu kaschieren. Waren endgültig alle Haare weiß oder grau, so sollte man sich damit abfinden, dass man alt ist und die Haare nicht mehr färben.
Oma hatte lange Zeit dunkelblonde, lange, dichte Haare. Erst natur, später nachgefärbt und als sie merkte, dass die weißen Haare die Oberhand gewannen und diese noch dazu zunehmend schütterer wurden, ließ sie sich die Haare kürzer schneiden und verzichtete auf die Farbe. Wäre sie heute noch am Leben, hätte sie eine gepflegte Glatze, denn eine Perücke ist sowieso das Allerletzte.




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Eingereicht am 25. August 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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