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Karl und Carla

Von Stefan D.


Der sonderbare Karl verliebte sich in die noch sonderbarere Carla. Carla folterte ihn mit einem Geheimnis - doch davon später mehr!
Er lernte sie an einem Sommerabend über Carlas Freunde kennen, die teilweise auch seine Freunde waren. Eine Woche später trafen sie sich zufällig an einem glutheißen Mittag im August vor dem Tierpark Hellabrunn. Sie wanderten auf schattenlosen Wegen durch den Zoo und beobachteten die Tiere. Die rätselhafte Carla redete am Anfang zusammenhanglos und Karl war, wie immer, wenn er jemanden noch nicht so gut kannte, verstockt und schweigsam. Doch seine Schweigsamkeit und ihre Zusammenhanglosigkeit lösten sich bald.
Sie verabredeten sich erneut und gingen auch wieder im Tierpark spazieren. Beide liebten Tiere und sie kamen beim Beobachten der Tiere auf die merkwürdigsten Gedanken. Verrückt, verquer und seltsam waren diese Gedanken manchmal.
Karl hat ein Hasengesicht und seinen Freunden hatte er einmal erzählt, dass er sich manchmal vorstelle, ein Hase zu sein. Um glaubhaft zu wirken, machte er einige Sätze vor seinen verblüfften Freunden. Er hoppelte aber auch in der Öffentlichkeit. Einmal ging er mit Carla die Treppen zum Bahnsteig runter und als er sah, dass der Zug schon einfuhr und sie sich beeilen mussten, deutete er mit den Zeigefingern die Ohren eines Hasen an und macht mit beiden Füßen gleichzeitig einige wenige Sätze zum Bahnsteig. Carla hüpfte ihm hinterher und beide hüpften dabei einigen umstehenden Passanten auf die Füße. Diese beschwerten sich, doch sie kümmerten sich nicht um die Passanten.
Vor seinen Freunden prahlte Karl, dass er Carla rumgekriegt hätte und sie seine Freundin sei. Aber das stimmte nicht. Er kannte sie jetzt schon einige Wochen und sie trafen sich häufig, waren ernst und witzig, nachdenklich und leidenschaftlich und doch schreckte Carla vor körperlicher Nähe zurück. Es blieb bei flüchtigen Umarmungen.
"Karl", sagte Carla, als sie mal wieder zusammen im Cafe saßen, "da ist etwas, was ich dir sagen muss und ich werde es dir auch sagen, - aber nicht heute, hab ein wenig Geduld". An diesem Abend hatte Karl krause Gedanken. "Was könnte das sein", dachte er dramatisch. Er glühte vor Neugierde und fragte sie immer wieder. Doch sie wehrte jedes Mal ab und lenkte auf ein anderes Thema. Mit der Zeit zwang er sich, nicht mehr darüber zu grübeln, denn er wusste, dass sie es ihm sagen würde, sie hatte es ja versprochen. Aber sie sagte es ihm lange nicht!
Einige Monate vergingen bis Carla von ihrer Firma nach Amberg berufen wurde. Nun kam die Zeit der Trennung. Sie telefonierten nur noch wenige Male miteinander. Es muss Ende März gewesen sein als Karl eine Ansichtskarte von ihr erhielt. Sie lud ihn übers Wochenende ein und er könne bei ihr schlafen. An diesem Wochenende, das spürte Karl, würde ihm Carla ihr Geheimnis verraten.
Am folgenden Samstag stand Karl früh auf. Es war noch dunkel als er zum Bahnhof ging. Restschnee lag schwer und matt auf den Straßen. Er betrat als einer der ersten an diesem Morgen die kleine, spärlich erleuchtete und zu dieser frühen Morgenstunde menschenleere Bahnhofshalle. Der Schalter war von einer Frau besetzt, mit der Karl flüchtig bekannt war, so wie in Murnau jeder mit jedem flüchtig bekannt ist. Er kaufte sich eine Fahrkarte nach Amberg, löste sie am Bahnsteig und stieg in den Zug ein, der schon am Gleis bereitstand. Als der Zug aus dem Bahnhof rollte schaute er träumerisch aus dem Fenster. Draußen dämmerte es, die Morgensonne verdrängte die dichten, grauen Wolkenschichten der letzten Tage und durchflutete den Waggon mit rotem Licht. Während der Fahrt versank Karl in Gedanken über die gemeinsamen Tage, die monatelange Trennung und die bevorstehende Wiedervereinigung mit Carla. Dann fiel er in einen unruhigen Schlaf, aus dem er erst kurz vor Amberg von den auf und ab trippelnden Fahrgästen geweckt wurde. Wie verabredet holte ihn Carla am Bahnsteig ab. Sie umarmten sich, überquerten den Bahnhofsplatz und bogen in die belebten Einkaufsstraßen der Innenstadt. Es war einer der ersten schönen Tage in diesem Jahr. Ein warmer Südwind fegte den schon viel zu lange anhaltenden Winter aus den Straßen und die letzten Inseln aus schmutzigweißem Schnee schmolzen zu tausend kleinen Rinnsalen, welche im milden Vormittagslicht glitzerten. Runde Straßentische wurden auf die Trottoirs gerollt und Schirme aufgespannt. Sie setzten sich an einen der Tische und Carla erzählte von ihrer neuen Umgebung. Karl war zerstreut. "Du hörst gar nicht richtig zu", meinte Carla.
Er hörte tatsächlich nicht richtig zu, denn Carlas merkwürdiges Geheimnis stand gerade mal wieder im Mittelpunkt seiner Gedanken und diese Gedanken drehten sich unablässig um jenen Punkt so wie sich die Planeten um die Sonne drehen. Er schmunzelte und machte dann eine komische Handbewegung über die Stirn, so, als ob er versuchen würde, sich diese Gedanken einfach wegzuwischen. Carla musste lachen. Dann bummelten sie weiter durch die Stadt.
Am Abend stiegen sie die abgetreten Holzstufen zu Carlas Wohnung empor, welche unweit vom Stadtkern lag. Als sie das Zimmer betraten amüsierte sich Karl wie schon damals in Murnau über die Einrichtung: Mehrere Matratzen und Decken, Tücher, bunte Kissen, Räucherstäbchen und weiterer Plunder lagen kreuz und quer auf dem Boden. Das Zimmer war eigentlich gar nicht eingerichtet, so wenig, wie es in Murnau jemals eingerichtet war.
Draußen begann es zu dämmern und Carla zündete die vielen Kerzen und Räucherstäbchen an, die über die gesamte Fläche des Bodens verteilt waren. Sie trug ein ärmelloses T-Shirt und ihre nackten Schultern glänzten bronzen im Kerzenlicht. Karl legte seinen Kopf auf ihre ausgestreckten Beine. Der Duft der Räucherstäbchen umnebelte sie und aus dem Kassettenrecorder säuselte eine leise, sentimentale Melodie. So verträumten sie einige Zeit bis Carla plötzlich aufstand und eine Kerze nach der anderen ausblies. Auch Karl löschte rasch die ihm umstehenden Kerzen. Jetzt fiel nur noch das blasse Licht der Straßenlaternen ins Zimmer.
"Heute sage ich dir, was mit mir los ist", sagte Carla mit fester Stimme und sah ihn dabei ruhig an. "Ich reiße mir meine Haare aus und wenn sie wieder nachwachsen, reiße ich sie wieder aus. Deshalb trage ich eine Perücke. Es ist eine seelische Störung und ich mache zur Zeit eine Therapie, die allerdings bis jetzt erfolglos verläuft." Und im gleichen Moment, als sie das sagte, nahm sie ihre Perücke ab und zeigte ihm ihren fast kahlen Kopf, der im milchigen Licht der Straßenlaternen schimmerte und auf dem nur vereinzelte kurze Haarbüschel zu sehen waren. Karl sah sie an. Er bebte einen kurzen Augenblick. Sie war ohne diese Perücke noch schöner. Er kroch auf ihre Matratze und beide hielten sich fest in den Armen.



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