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Verreckende Unschuld

© LEX

> Prolog
>
>
> Eine wahre Geschichte, der Dauer zwölf Jahre,
> von der toten Sophie einem weinenden Kind.
> Welch bleiches Geschöpf, schwarz trug sie die Haare.
> das Leid ihres Lebens machte sie blind.
>
> Sie hat mehr gelitten als ein Kind es erträgt,
> viel mehr gesehen als manch andrer auf Erden.
> Sie war niemals sicher, wer sie da schlägt,
> doch wusst sie schon damals, alt würd sie nicht werden.
>
> Ein Mensch kann allein sein, auch mit dem Wissen,
> dass die Teuersten, immer sind wo man ist.
> Und möchte man sie, denn trotzdem vermissen,
> so hilft es doch nichts, wenn man sie vergisst.
>
> Doch Vergessen war immer die stärkste Arznei,
> um den Schmerz jeden Tages etwas zu lindern.
> Verdrängen hilft wenig, denn ist man dabei,
> Fällt`s schwer diese Wunde am Bluten zu hindern.
>
>
> Kapitel I
>
>
> Das siebente Jahr in dieser Epoche,
> eintausend Stück, solang soll sie dauern.
> Der erste Tag dieser sterbenden Woche,
> ihr achtes Jahr, noch vier soll sie kauern.
>
> Preußen ist kalt und vertuscht seine Wahrheit,
> die Zensur der Gefühle trifft den, der sich rührt.
> Es ist dieses Kind mit erdrückendem Herzleid,
> sie trägt einen Strick, der brennend sich schnürt.
>
> Ihr Vater, ein guter, verfiel seinem Wort,
> er dachte, er sprach und sang manches Lied.
> Kurz ist der Schmerz wenn die Kugel sich bohrt,
> lang ist ein Schrei, wenn die Tochter dies sieht.
>
> Was sie sieht, was sie fühlt fängt jetzt an zu brennen,
> es brennt ihr den tiefsten Schmerz in die Brust.
> An diesem Tage, da lernt sie zu rennen,
> zu fliehen vor jenem ersten Verlust.
>
>
> Kapitel II
>
>
> Nichts ist wie je, die Träume verblassen,
> das Kind stirbt den ersten und bittersten Tod.
> Im alma mater des Lebens, erlernt sie zu hassen,
> schweigen wird Wasser, und weinen wird Brot.
>
> Sophie erfüllt Pflichten schon so fern ihrer Tage,
> träumt so die Kindheit nur in wenigen Stunden.
> Sorgen und Ängste werden jetzt schon zur Plage,
> drehen erbittert im Kopf ihre Runden.
>
> Das Mädchen ist neun, es starb ihr der Vater,
> nun bleibt nur die Mutter, eine traurige Frau.
> Wer füllt mit Trost den gerissenen Krater?
> Die Antwort heißt niemand, das weiß sie genau.
>
> In diesem Wissen, verlebt sie die Zeiten,
> wohl der Gewissheit, dass dies alles war.
> Den Berg von Problemen hinauf zu beschreiten,
> ist mühsam und qualvoll da scheint eines klar.
>
> Ein Kind ist ein Kind wie ein Igel ein Igel,
> es gibt keine Macht die den Unterschied kennt.
> Nicht jede Türe braucht einen Riegel,
> die Wahrheit bleibt Wahrheit gleich wie man sie nennt.
>
> Zu zweit in dem Haus das keines mehr ist,
> kämpfen die Beiden gegen Hunger und Kälte.
> Sie bemühen sich oft mit manch falscher List,
> das bisschen zu retten, was man noch zählte.
>
> Nur der Zufall entscheidet an welchen Stricken,
> ein jeder Tag zieht um den neuen zu lenken.
> Die Zeit wird vergehen auch ohne zu ticken,
> um dem traurigen Kind ihre Fügung zu schenken.
>
>
> Kapitel III
>
>
> Ein Mann kommt daher, mit sauberem Zwirn,
> sieht an, wie Sophie die Kohlen verräumt.
> Er naht auf sie zu, mit leicht runzelnder Stirn,
> geht ihr zur Hand und spricht: ich bin ein Freund.
>
> Die Mutter in Lumpen eilt schreckend herbei,
> ruft aus: werter Herr lasst dem Kind ihre Arbeit.
> Sie geht aber leichter, sind wir ja zwei,
> sagt der Mann mit der Stimme einer klärenden Wahrheit.
>
> Es ist von Belang, dass vier helfende Hände,
> die Last meines Alltags erträglicher machen.
> So hört meine Bitte und tauscht bald die Wände,
> von allem gibt's reichlich, lasst zurück eure Sachen.
>
> Die Mutter ist schweigsam aber möchte doch schreien,
> sie stimmt nickend zu und hofft auf das Beste.
> Warum fragt sie sich, sucht dieser Mann Laien,
> sind wir vom Abfall, doch höchstens die Reste.
>
> So geht es dahin. Wie sollt es auch kommen?
> Die zwei ziehen ein und hoffen vom Glück.
> Doch leicht sagt man, ist Wahrheit genommen,
> und entpuppt kehrt die Lüge als solche zurück.
>
> Ein Jahr geht ins Land und die Arbeit wird Alltag.
> Sie zählt noch als Licht einer kommenden Welt.
> Doch ward geboren ein Schatten der Licht jagt,
> und so wird umdunkelt, was kürzlich erhellt.
>
>
>
>
>
> Kapitel IV
>
>
> "Der Mann", ist der Name, den sie ihm gaben,
> ein Titel von Ferne und grauer Distanz.
> Er wollte zwar Beide, doch eine nur haben,
> ihren Leib ihre Liebe, er wollte sie ganz.
>
> Menschen sind Tiere auch wenn's nicht so scheint,
> ein jeder trägt`s in sich oder es ihn.
> So ist ein Mädchen das tagelang weint,
> Noch lange kein Grund vor der Wahrheit zu fliehn.
>
> Sophie sieht zu und spürt es im Herzen,
> was ein Missbrauch bedeutet, wie er schmeckt, wie er klingt.
> Sophie wird gelassen und trägt doch die Schmerzen,
> dem Dornvogel gleich, der einmal nur singt.
>
> In diesem Jahr, da lernt sie zu sterben,
> sie lernt was es heißt eine Richtung zu gehen.
> Am Ende, am Ende da wartet Verderben,
> das weiß sie genau und so soll es geschehen.
>
> In Askese verfällt jeder neuernde Tag,
> Nur ihre Arbeit, vom Schicksal befreit.
> Es entsteht eine Hülle und was kommen mag,
> prallt ab und verschont vor der bitteren Wahrheit.
>
> Und wieder vergeht die Zeit ohne Gnade,
> kalt ward geworden das sterbende Kind.
> Manchmal da steht sie allein am Gestade,
> und spürte die Freiheit im eisigen Wind.
>
>
> Kapitel V
>
>
> Da trifft sie ein Bote der kaum vierzehn Jahr,
> im Gesicht schon gezeichnet von der Härte des Lebens.
> Erblickt ihre Augen welche nur starr
> erzählen, dass Hilfe längst schon vergebens.
>
>
>
> Der Junge fühlt mit auch ohne zu wissen,
> was getragen, geduldet, verloren gegangen.
> Bewusst ist ihm, sie würd ihn nicht missen,
> und wär er ihr Bruder im Lager gefangen.
>
> Nur wenig Zeit noch, bleibt ihr auf Erden,
> von vielen Zielen, da blieb nur eins.
> Die Mutter soll glücklich von Sorgen frei werden,
> erlöst von der Last ihres irdischen Seins.
>
> So spricht sie zum Jungen: Werde mir treu!
> Sei Teil meines Lebens, von dem was noch ist!
> Ergreife dir Messer und Mut ohne Scheu,
> erwarte die Zeit, und suche die List!
>
> Der Mann er muss sterben in wenigen Stunden.
> Frag nicht nach Grund! Brauchst nicht zu verstehen.
> Sollst wissen, seit Jahren bluten die Wunden,
> kann dieses Leid nicht länger mehr sehen.
>
> Er fühlt seiner Pflicht sich treue ergeben,
> erwartet die Zeit, mit dem Messer zu retten.
> Mit göttlicher Kraft entreißt er das Leben,
> des Mannes um ihn in der Hölle zu betten.
>
> Das erkaltete Kind sieht nun ein Ende,
> es rühren sich Tränen in brennender Glut.
> So ballt sie zu Fäusten ihre zitternden Hände,
> ergreift was ihr bleibt, eine Feder und Mut.
>
>
> Kapitel VI
>
>
> Abschiedsbrief
>
>
> Ein langes Leben, es trägt große Schatten,
> doch gut verteilt auf den Wegen der Zeit.
> Auch wenn die Menschen manch Leid mit sich hatten,
> so siegt doch am Ende Glückseeligkeit.
>
>
> Ich werfe den Schatten nun endlich ins Nichts,
> es gibt keinen Grund diese Last noch zu tragen.
> Meine Blindheit weicht fliehend dem lohnenden Lichts,
> Was soll ich dem, der dies liest noch sagen?
>
> Ich werd mich erlösen und ein letztes Mal schreien,
> die Tugend der Unschuld war stets mein Geleit.
> Danke Du Fremder konnt`st mich doch befreien,
> Nach all diesem Leiden ist es soweit.
>
>
> Epilog
>
>
> Vier Jahre vergingen auf irrigen Pfaden,
> ihr Dasein war stets ein bitteres Los.
> Ein Sadist namens Leben begann sie zu schlagen,
> so musste sie scheiden, ihr Leid war zu groß.

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Eingereicht am 29.September 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.