Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

Lemont kommt bald

Eine Kurzgeschichte von Claudia Hüfner


Heute ist es wieder soweit. Regelmäßig. Alle 12 Wochen. Oder jedes Viertel Jahr. Ich liege auf der lederbezogenen Fläche und lasse im ungewohnten Vibrieren des einlullenden "Rütteltisches" die Gedanken physikalisch unmögliche Zeitsprünge machen. Er hat fast hypnotische Wirkung, dieser Ruhesessel, auf den mich meine Haarstylistin gebeten hat. Als ich mich mit den strenggezogenen Wicklern am Kopf ein wenig zurechtgerückt habe, bedient sie ein Tastenfeld zu meiner Linken, lässt mit leisem Motorsummen das Fußteil in die Waagrechte fahren und setzt die Massagefunktion in Gang. Da liege ich nun und versuche den Schmerz zu ignorieren, den die harten straff gespannten Röllchen auf meiner Kopfhaut verursachen. Zwanzig Minuten muss ich den beißenden Geruch der Fixierflüssigkeit ertragen, der mich wie ein Helm umhüllt. Schönheit muss leiden. Alle 12 Wochen. Dann ist die Dauerwelle regelmäßig wieder herausgewachsen und mein Haar hat den Charme eines alten Mobs. Andrea ist sehr freundlich und zuvorkommend, der Service des Hauses setzt auf angenehme Zurückhaltung. Sie quasselt mir kein Ohr ab und löchert auch nicht mit nervigen Fragen. Wir reden, wenn wir wollen. Oder eben nicht. Der Salon ist das Modernste, was die Stadt in dieser Hinsicht zu bieten hat. Mediterranes Flair in der warmen Farbgebung der Wände, mit unauffälliger und dennoch üppiger Bepflanzung - ein Cappuccinozentrum verströmt leise blubbernd röchelnd betörenden Kaffeeduft, Labsal für die Kunden. Der Rüttelsessel tut das Übrige, um die knapp dreistündige Prozedur so angenehm wie möglich zu machen. Der Meister persönlich ist sympathisch und klischeegetreu schwul. Die Art, die Frau mag. Als beste männliche Freundin. Und geschäftstüchtig. Die Preise sind der Kostbarkeit der Raumgestaltung angeglichen. Aber dafür bekommt man tatsächlich was für sein Geld. Sonst käme ich nicht immer wieder her.
Langsam lösen die sanften Vibrationen die Verspannung im Nacken von der Waschorgie, die die erste Chemikalie wieder aus den Haaren spülen sollte. Zwei geschickt platzierte Fernseher in Zimmerdeckenhöhe bieten visuelle Reize zur dezent eingestellten Musik. Wellness ist angesagt. Die Gedanken treiben schwerelos. Zurück zu jenem Tag, der so bedeutend für mich sein sollte. Zurück in ein kleines Dorf zwischen Cannes und Nizza an der Cote d´Azur, im Sommer vor 12 Jahren. Ich hatte ein kleines Auto gemietet. Nur für die 14 Tage, die mir als Urlaub zur Verfügung standen. Heute war mein letzter Tag, meine letzten Stunden an dieser blautrunkenen Küste mit der prächtigen Vegetation und der gleißenden Sonne. Die Küstenstraße war nicht besonders befahren und ich genoss die letzte Fahrt zum Flughafen in der Nähe von Nizza. Dort musste ich den Wagen wieder abgeben. Ein kleiner Peugeot 106. Wendig und wie für mich geschaffen für meinen Bewegungsdrang und kulturellen Wissensdurst. Vom Hotel war ich zeitig losgefahren, hatte mein Gepäck im Kofferraum verstaut und wollte die Stunden bis zum ultimativ letzten Shuttlebus zum Flughafen und der Eincheckprozedur möglichst bis zur Neige in diesem Land genießen. Das Sonnenverdeck zurückgeschoben umwehte eine böige Brise des immerwährenden Mistrals mein Gesicht. Langsam zog es sich zu. Die Gewitter kamen überraschend hier, entluden sich mit Wucht und waren meist bald wieder verschwunden.

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Eingereicht am 14. Oktober 2003.
Herzlichen Dank an die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin.