Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

Alte Zöpfe

Eine Kurzgeschichte von Anett Diesner


Etwas unentschlossen stand Barbara vor dem kleinen Friseursalon an der Ecke. Nervös fuhr sie sich durch ihre langen blonden Haare. Aus dem Schaufenster lächelte ihr eine attraktive junge Frau von einem Plakat entgegen. Sie sah glücklich aus. Ob das wohl an ihrer perfekt gesylten Frisur lag?
Barbara rückte ihre Handtasche zurecht, öffnete die Salontür und betrat das kleine Geschäft. Hilfe suchend sah sie sich um. Es schien nicht viel Betrieb zu sein. Zwei ältere Damen hatten es sich mit Lockenwicklern im Haar und Frauenzeitschriften in den Händen unter ihren Trockenhauben gemütlich gemacht. Bei ihnen saß ein nicht ganz so alter Herr, offensichtlich ein Friseur, der gerade Kaffeepause machte. Ansonsten war niemand zu sehen.
Der Friseur entdeckte Barbara, stand auf und kam lächelnd auf sie zu.
"Guten Tag, gnädige Frau. Haben Sie einen Termin?" fragte er. Barbara bemerkte, dass er sie etwas argwöhnisch musterte. Offensichtlich war er neue, ihm unbekannte Kunden nicht gewöhnt. (Und schon gar keine derartig jungen.)
"Nein. Ich habe mich spontan entschlossen herzukommen."
"Das geht in Ordnung. Sie können auch gleich drankommen. Heute ist nicht viel los hier. Wenn Sie mir bitte folgen wollen…"
Barbara ließ sich zu einem der Frisiersessel geleiten. Er sah so aus, als hätten schon Generationen von Kunden vor ihr dort gesessen. Sie nahm Platz und warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel, der vor ihr an der Wand hing.
"Was wünschen Sie denn? Sie haben so wundervolles Haar, da lässt sich sicher viel draus machen."
Barbara ignorierte das Kompliment. "Ich möchte mir die Haare färben lassen, am besten so dunkel wie möglich."
Der Friseur zog erstaunt die Augenbrauen hoch. "Oha, warum denn das?"
Barbara strich sich nervös eine Strähne hinters Ohr. "Ich will keine Blondine mehr sein."
"Das ist aber äußert bedauerlich. Ich finde, das Blond steht Ihnen ausgezeichnet."
"Das mag sein, aber ich finde es langweilig. Ich will etwas Neues probieren."
"Hm, wie wäre es denn dann mit ein paar neckischen Strähnchen?"
Barbara runzelte die Stirn. "Ich will keine neckischen Strähnchen. Ich will eine komplette Veränderung. Blond war ich schon lange genug."
Der Friseur nahm eine Bürste und begann mit seligem, aber gleichzeitig bedauerndem Blick, Barbaras Haar zu kämmen. Seine Stimme nahm einen vorwurfsvollen Unterton an. "Sie wissen wohl nicht, dass sie zu einer bedrohten Gattung gehören?"
Seine junge Kundin schaute etwas ungläubig drein. "Wie bitte?"
Die Augen des Friseurs leuchteten triumphierend. "Ja, in der Tat. Es gibt überwiegend schwarzhaarige Menschen auf der Welt. Und weil sich dunkleres gegen blondes Haar durchsetzt - also vererbungstechnisch und so, genauer kann ich Ihnen das jetzt auch nicht erklären, ich bin ja nur Friseur und kein Professor - na ja, deshalb jedenfalls sind Blondinen sozusagen vom Aussterben bedroht."
"Schön und gut. Aber das Blondsein hat auch Nachteile. Wenn man blond ist, halten einen alle für blöd."
"Papperlapapp. Das ist doch nur ein dummes Vorurteil von dummen Menschen."
"Aber mein Freund sagt das auch. Er sagt ständig: `Kein Wunder, dass du so dämlich bist, du bist ja schließlich blond.´"
Der Friseur hielt kurz inne. "Hoppla. Das ist aber nicht gerade sehr charmant von Ihrem Freund."
Barbara seufzte. "So ist er eben. Er meint es ja nicht böse. Und überhaupt… Es gibt so viele Menschen, die glauben, an der Haarfarbe den Intelligenzquotienten eines Menschen ermitteln zu können."
Der Friseur bürstete wieder eifrig. "Tja, und diese Menschen irren sich gewaltig, würde ich sagen… Sie müssen ja wirklich ganz furchtbare Erfahrungen gemacht haben."
"Ich hab einfach schon zu viele Blondinenwitze gehört."
"Oha, wenn es nur das ist... Was glauben Sie, wie viele Witze und Vorurteile über Friseure ich mir schon anhören musste? Wenn es danach ginge, wäre ich schon längst kein Friseur mehr. Wissen Sie, ich sag mir immer, man muss auch über sich selbst lachen können. Oder einfach nicht hinhören. Und außerdem verändert man die Einstellung von anderen Menschen nicht dadurch, dass man sich die Haare färbt. Oder meinen Sie, dass man Sie dann für klüger halten wird?"
"Es ist nun mal so: wer blond ist, wird nicht Ernst genommen."
"Das ist nicht wahr. Ich nehme sie durchaus sehr Ernst."
"Und warum bürsten Sie die ganze Zeit an meinem Haaren herum, anstatt endlich zum Färbemittel zu greifen?"
Der Friseur hielt wieder inne und die Bürste in der Hand. "An welche Farbe hätten Sie denn gedacht?"
Sie zögerte. "Ich weiß nicht genau. Ich hatte gehofft, Sie würden mir sagen, was mir gut stehen könnte."
"Blond steht Ihnen sehr gut."
"Das sagten Sie bereits."
"Ja, und das meine ich auch so."
"Aber was würde mir noch stehen? Außer blond."
Er legte die Bürste beiseite und sah seine junge Kundin nachdenklich im Spiegel an. "Was sagt Ihr Freund denn sonst noch so zu Ihnen?" sagte er nach einer Weile.
Verwirrt runzelte Barbara abermals die blond gerahmte Stirn. "Bitte?"
"Na ja, ich meine, er sagt, sie seien dämlich, richtig? Also, was sagt er sonst noch so?"
Barbara setzte eine empörte Miene auf. "Ich wüsste nicht, was sie das angeht… Wie gesagt, er meint es ja nicht so… Er kann nichts dafür… Männer sind nun mal unsensibel…"
"Oha! Jetzt sind Sie es aber, die hier Vorurteile hat. Es gibt sehr wohl auch sensible Männer. Mich zum Beispiel."
Nun konnte Barbara sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. "Sie zählen nicht. Sie sind Friseur."
Er stemmte die Arme in die Hüfte und tat entrüstet. "Schon wieder ein Vorurteil! Und Sie beschweren sich über Blondinenwitze… Tz tz tz…"
Er schüttelte den Kopf und griff wieder zur Bürste.
Barbara verdrehte die Augen. "Ich merke schon, ich hätte mir doch lieber das Zeug zum Selberfärben aus dem Supermarkt holen sollen…"'
"Gut, dass sie es nicht getan haben. Erstens ist das viel zu unpersönlich. Es ist doch viel schöner, wenn man beim Friseur ein wenig plaudern kann, nicht wahr? Und außerdem sind schon so viele grausige Haar-Unfälle passiert beim Do-it-yourself-Färben, das geht nicht immer gut aus. Früher oder später wären Sie also sowieso hier gelandet…"
"…was mir aber auch nichts gebracht hätte, denn Sie wollen ja nicht färben. Oder können Sie es am Ende etwa gar nicht?"
"Und wie ich es kann!"
Er legte abermals die Bürste beiseite, nahm einen Latz, der auch schon einen ziemlich abgewetzten Eindruck machte und hing ihn seiner Kundin über, während sie weitersprach. "Für mich wirkt es so, als würden Sie ein wenig zu viel Wert aufs Plaudern und auf sinnloses Bürsten legen. Sie stehlen wohl gern Ihren Kunden die Zeit?"
"Vermittle ich diesen Eindruck? Das tut mir Leid. Aber ich lerne neue Kunden nun mal gern etwas näher kennen, bevor ich Ihnen auf dem Kopf herumwusele, das ist ja immerhin eine ziemlich intime Sache, finden Sie nicht auch?"
Barbara räusperte sich. "Wenn Sie meinen."
"Ach, eh ich es vergesse, mein Name ist übrigens Michael. Wenn wir uns schon so nahe kommen, sollten Sie wenigstens wissen, mit wem Sie es zu tun haben, nicht wahr?"
Er lachte und errötete vor Freude. Barbara schüttelte nur fassungslos den Kopf. Ihren Namen verriet sie ihm nicht. Wozu auch. Sie wollte sich ja nicht mit ihm anfreunden, sondern sich von ihm frisieren lassen. Eigentlich. Aber das sah dieser Michael offensichtlich etwas anders.
"Jetzt erzählen Sie mir doch erst noch ein bisschen von Ihrem Freund. Warum lassen Sie sich solche Sprüche von ihm gefallen? Der hat sie doch nicht mehr alle?!"
Sie drehte sich im Sessel um, schaute ihn mit schlitzförmigen Augen an und schnappte nach Luft. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie ihre Sprache wiederfand. "Was wollen Sie damit sagen?" fragte sie mit scharfem Unterton.
Auch seine Augen wurden nun zu Schlitzen. "Ich will damit sagen, Teuerste, dass Sie offensichtlich keine neue Haarfarbe brauchen, sondern einen neuen Freund."
Fassungslos drehte Sie sich zurück und sah ihn wieder im Spiegel an. "Nennen Sie mich nicht `Teuerste.´"
"Verzeihung, Gnädigste."
"Wollen Sie denn eigentlich gar kein Geld verdienen?" fragte sie, innerlich kochend.
"Oh doch, natürlich."
"Warum fangen Sie dann nicht endlich damit an, das zu tun, was ich Ihnen aufgetragen habe? Kein Wunder, dass sie so wenig Kundschaft…"
Er fiel ihr ins Wort. "Weil ich nicht will, dass Sie sich damit unglücklich machen."
"Ach Gottchen. Also, das wird mir jetzt zu bunt. Soll ich Sie etwa für Ihre psychologischen Ratschläge bezahlen?" Sie sprang vom Stuhl auf, riss sich den Latz herunter und baute sich vor ihrem offensichtlich unfähigen Friseur auf.
Dieser fuchtelte verzweifelt mit den Armen. "Sie verstehen mich nicht. Ich will Ihnen nur helfen. Ja, als Friseur ist man auch so eine Art Psychologe, das stimmt schon. Aber das gehört für mich nun mal dazu, wissen Sie?"
"Ich weiß nur, dass ich jetzt einen anderen Friseur aufsuchen werde. Vielleicht bekomme ich da schneller, was ich will, und muss mir nicht erst ewig irgendwelches unqualifiziertes Gerede anhören."
"Vielleicht, ja. Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber ich will nun mal nicht für Ihr Unglück verantwortlich sein, oder sagen wir mal, ich will es nicht noch verstärken, indem ich Sie bei etwas unterstütze, das Sie hinterher mit Sicherheit bereuen werden. Es bringt nämlich nichts, sich für andere zu verändern. Sie müssen es für sich selbst tun, und nicht um Ihres Freundes Willen."
"Ich tue es nicht um meines Freundes Willen. Es ist ja nicht so, dass er gesagt hätte `Färb dir die Haare, aber dalli.´ Das war allein meine Idee."
"Das glaube ich Ihnen, aber Ihre Idee basiert trotzdem auf den falschen Grundlagen. So wie ich das sehe, wollen Sie damit Ihre Beziehung retten. Sie hoffen, dass sich Ihr Freund ändert, wenn Sie sich verändern. Aber das wird nicht funktionieren, denn erstens glaube ich kaum, dass Ihre Beziehungsprobleme auch nur im Entferntesten etwas mit Ihrem Blondinendasein zu tun haben, und zweitens: wenn sich jemand verändern muss, dann sind das nicht Sie, sondern Ihr hochgeschätzter Freund!"
"Also, da hört doch alles auf. Was soll das eigentlich? Sie kennen mich überhaupt nicht und meinen Freund schon gar nicht, was fällt Ihnen also ein, hier so unverschämt mein Beziehungsleben zu analysieren? Und damit Sie es wissen: Ich habe keine Probleme mit meinem Freund! Ich will bloß eine neue Haarfarbe!"
"Ich will Ihrem so genannten Freund einfach nicht gönnen, dass Sie sich für ihn verbiegen und verstellen. Das hat er nicht verdient. Und Sie auch nicht. Warum lassen Sie sich das gefallen?"
"Weil ich ihn liebe. Und ich bin mir sicher, er liebt mich auch."
"Das hört sich für mich zwar nicht so an…"
Sie fiel ihm patzig ins Wort: "Mischen Sie sich gefälligst nicht ein!"
Endlich gab Michael auf. "Na gut, na gut. Dann sollen Sie eine neue Haarfarbe bekommen, wenn Sie das wollen. Ich entschuldige mich, wenn ich zu weitgegangen und Ihnen damit zu nahegetreten bin. Das war nicht meine Absicht. Bitte setzen Sie sich wieder."
Barbara hatte die Arme verschränkt wie ein störrisches Kind. Nun war es an ihr, ihr Gegenüber abschätzig zu mustern. Schließlich entschied sie sich, diesem durchgeknallten Typen, der sich für einen Friseur hielt noch eine Chance zu geben und setzte sich gehorsam wieder hin.
Michael war gerade dabei, ihr den Latz von neuem umzubinden, da ertönte plötzlich die Melodie von "Hey Jude" aus Barbaras Handtasche.
"Oh, das ist mein Handy. Wenn Sie mich wohl kurz entschuldigen würden?"
Sie kramte in ihrer Tasche herum, fischte das kleine Telefon heraus und hielt es sich ans Ohr. Michael trat diskret zur Seite und tat so, als wäre er intensiv damit beschäftigt, Shampooflaschen in ein Regal einzusortieren.
"Hallo Schatz! … Ich bin grad beim Friseur … Nein, nein … Du sollst mich doch nicht immer Barbie nennen … Das wirst du ja schon sehen … Was ist denn eigentlich los, ich dachte, du hast so viel zu tun heute? … Du klingst irgendwie komisch. … Na seltsam eben … Hör auf so herumzudrucksen! … Nun rück schon raus mit der Sprache! … Was soll das heißen, du hast jemanden kennen gelernt? … Versuch nicht dich rauszureden! … Du Schwein!! … Was fällt dir ein?!? … Es tut dir Leid??? Du hast sie doch nicht mehr alle!!! Weißt du was? Mir tut es absolut NICHT Leid!"
Wütend wollte sie das Handy zurück in ihre Tasche werfen, stattdessen fiel es geräuschvoll auf den Boden. Michael zuckte zusammen.
"Sie haben doch nicht etwa gelauscht?" fauchte Barbara ihn an.
Er drehte sich verlegen zu ihr um, in der einen Hand hielt er eine zitronengelbe Flasche Shampoo, mit der anderen kratzte er sich hinterm Ohr. "Nun ja, wie soll ich sagen… Es war ja kaum zu überhören… Ich denke, der ganze Salon wird es mitbekommen haben."
In der Tat hatten die beiden älteren Damen unter den Trockenhauben kurz von ihren Frauenzeitschriften aufgeblickt.
Michael trat zurück zum Frisiersessel, hob das auf dem Boden liegende Handy auf und reichte es seiner aufgebrachten Kundin. Sie steckte es zurück in ihre Tasche. Nun beruhigte sie sich langsam, ihre Stimme wurde leiser, bis fast nur noch ein Flüstern zu hören war.
"Er hat mit mir Schluss gemacht… Am Telefon… Einfach so… Dieser Feigling!"
Michael schaute sie mitfühlend an und legte eine Hand auf ihre Schulter, in der anderen hielt er immer noch die Shampooflasche.
"Und das Hinterhältigste daran ist: nur wenige Sekunden bevor er mich abschießt, sagt er mir, ich solle mir beim Friseur ja nicht meine schönen langen Haare abschneiden lassen."
Griesgrämig sah sie sich im Spiegel an.
"Oh oh, wenn Blicke töten könnten, dann hätten Sie soeben Selbstmord begangen," meinte Michael und versuchte damit erfolglos die Situation aufzulockern.
"Quatschen Sie nicht so blöd herum und holen Sie eine Schere!" Der beinahe tödliche Blick ging nun in Richtung Michael. Dieser zuckte erneut zusammen.
"Aber… Ich denke, Sie wollen…" setzte er hilflos an.
"Ich habe meine Meinung geändert. Okay, Sie hatten Recht. Mein Freund ist ein Idiot. Und ich bin ihm auch noch hinterhergerannt… Aber das ist jetzt vorbei. Zeit für einen Neustart. Zeit für eine neue Frisur. Jetzt bin ich schon mal hier… Und Sie werden mir nicht noch mal in meine Pläne hineinreden! Na los, sonst mach ich es selber!"
Um ihrer Drohung mehr Gewicht zu verleihen, griff sie nach einer Schere, die sie ganz in ihrer Nähe auf einem Tisch entdeckt hatte und hielt sie gerade so, als wolle sie sich eine ihrer langen güldenen Strähnen knapp unterm Kinn abschneiden.
Michael nahm ihr flink die Schere aus der Hand und seufzte.
"Machen Sie es bitte kurz und schmerzlos," ordnete Barbara an.
"Teuerste, diese Trotzreaktion ist ungefähr genauso sinnlos wie ihre Aktion davor."
"Und wenn ich Ihnen sage, dass es keine Trotzreaktion ist? Ich hatte schon seit längerem vor, mir eine komplett neue Frisur verpassen zu lassen, aber ich habe mich nicht getraut, wegen meinem Freund. Wie gesagt, er mag lange Haare. Was sagen Sie nun?"
"Das ändert natürlich alles. Also dann…"
Michael rieb sich die Hände, konnte aber einen kleinen Seufzer des Bedauerns nicht unterdrücken.
"Weg mit den alten Zöpfen…"
So kam es, dass beide doch das erhielten, was sie wollten: Barbara bekam ihre neue Frisur und war dafür sogar bereit, sich weiter mit Michael zu unterhalten.
"Was macht Ihr feiner Freund… ähm… Ex-Freund eigentlich beruflich?"
"Er studiert Medizin. Ein angehender Chirurg."
"Oha, dann hat er ja was mit mir gemeinsam. Sozusagen."
Wieder einmal konnte er im Spiegel beobachten, wie sie die Stirn runzelte.
"Naja, er schneidet auf und ich schneide ab. Verstehen Sie?"
Er lächelte verlegen und errötete ein wenig, als ob es ihm peinlich war, offen zu zeigen, dass er stolz auf seinen kleinen Scherz war. Zu seiner Erleichterung lächelte Barbara auch, zum ersten Mal, seit sie zur Salontür hereingeschritten war. Er hörte sie sogar leise kichern.
"Aber wenn er studiert, dann würde man ihm doch eine gewisse Intelligenz unterstellen. Wie kommt er also dazu, sie so absolut unintelligent zu beleidigen?"
"Das ist es ja eben, er ist so furchtbar schlau und gebildet, da kann ich seiner Meinung nach nicht mithalten."
"Und warum nennt er sie Barbie?"
"Sie haben also doch gelauscht!"
Wenige Viertelstunden später war das frisurliche Kunstwerk schließlich vollendet.
"Und, sind Sie zufrieden?"
"Durchaus, Teuerster!"
"Das steht Ihnen aber auch wirklich gut. Da möchte ich mir glatt selbst auf die Schulter klopfen für meine tolle Arbeit…"
"Was lange währt, wird endlich gut." Barbara erhob sich vom Frisierstuhl. "Danke für alles."
"Ich habe auch zu danken. Beehren Sie mich bald wieder."
Wieder stand Barbara vor dem kleinen Friseursalon an der Ecke. Im Schaufenster lächelte ihr eine attraktive junge Frau entgegen. (Sie musste zweimal hinschauen, um zu bemerken, dass es diesmal ihr eigenes Spiegelbild war.) Sie sah glücklich aus. Ob das wohl an ihrer neuen Frisur lag?


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Eingereicht am 10. Oktober 2003.
Herzlichen Dank an die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin.