Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

Der Kunde ist König!

Eine Kurzgeschichte von Conny Thorjussen


Mona saß in ihrem Friseursalon und blickte abwechselnd auf ihre Armbanduhr und auf die Ladentür. Es war bereits 9.35 Uhr, und Gräfin von Bollenstein war noch nicht erschienen, obwohl sie bereits um 9.00 Uhr zur Dauerwelle angemeldet war. Karin, Monas Kollegin, hatte sich heute auch noch krank gemeldet. Mona überflog den Terminkalender. Gräfin von Bollenstein schien es natürlich wieder einmal nicht nötig gehabt zu haben, den Termin rechtzeitig zu ändern oder abzusagen - dachte sie als plötzlich das Bimmeln der Ladentür ertönte und die Gräfin eintrat, gefolgt von ihrem etwas dick geratenen alten Dackel Mathäus. Mathäus legte sich sofort neben die Ladentür. Die Gräfin lächelte und grüßte Mona. Mona lächelte ebenfalls, nahm der Gräfin den Mantel ab und wies ihr freundlich einen Platz zu. Die Gräfin setzte sich, begutachtete noch einmal ihre perfekt sitzende Frisur und begann in einer Illustrierten zu blättern. Mona blickte die Gräfin erstaunt an.
Kein Wort der Entschuldigung für die Verspätung? Beim letzten Termin hatte Mathäus sein morgendliches Fressen zur Hälfte stehen gelassen, so dass die Gräfin in großer Panik einen Tierarzt konsultierte und einfach vergaß, den Termin zu verschieben. Zwei Stunden später wollte sie aber trotzdem, und möglichst ohne längere Wartezeit, frisiert werden. Monas Gedanken wurden durch ein erneutes Bimmeln der Ladentür unterbrochen. Frau Hartmann, die um 10.00 Uhr einen Termin bei Monas Kollegin Karin hatte, trat ein. Nachdem Mona Frau Hartmann die personelle Situation erklärt hatte, entschied diese sich trotzdem zu bleiben. Mona wusch die Haare der Gräfin. Anschließend beriet Mona Frau Hartmann bei der Frisurenwahl. Dann bot sie den Damen etwas zu Trinken an. "Kochen Sie den Kaffee ja nicht so stark! Das verträgt mein Herz nicht mehr. Ihre Kollegin kocht den Kaffee ja immer so stark!" jammerte die Gräfin. "Das war doch wieder typisch!" dachte Mona. Als Mona einmal einen freien Tag hatte, beschwerte sich die Gräfin bei ihrer Kollegin Karin über die zu kleinen Henkel an den Tassen, worauf Karin ihr den Kaffee dann in einem Becher servierte und die Gräfin diesen ablehnte, weil ihr der Kaffee in einem Becher angeblich nicht schmeckte. Mona überlegte, wie sie der Gräfin den Kaffee nun überhaupt servieren sollte und fragte die Gräfin. Die Gräfin beteuerte, dass es ihr gleichgültig sei ob sie den Kaffee in einer Tasse oder in einem Becher serviert bekäme. Mona entschied sich für die Tasse mit dem kleinen Henkel. Nachdem sie den Kaffee serviert hatte, kämmte sie der Gräfin das Haar. Diese verzog das Gesicht als würden ihr die Haare büschelweise ausgerissen werden. Mona ließ sich davon jedoch nicht beirren, sondern kämmte weiter bis das Haar wieder glatt und geschmeidig war. Dann suchte Mona schon einmal die passenden Lockenwickler für die Dauerwelle heraus und widmete sich dann aber Frau Hartmann, die lediglich ihre Haare geschnitten haben wollte. Erst als der Haarschnitt perfekt war, wandte sich Mona wieder der Gräfin zu und wickelte ein paar Haarsträhnen auf die Lockenwickler. "Das dauert ja heute furchtbar lange" bemängelte die Gräfin und legte einen wehleidigen Blick auf. Mona lächelte und wies die Gräfin noch einmal darauf hin, dass sie doch heute allein wäre. Am liebsten hätte sie hinzugefügt, dass es eine Frechheit wäre, sich nach einer beinahe einstündigen Verspätung auch noch zu beschweren. Aber Mona schwieg und widmete sich wieder Frau Hartmann, die sich für einen pfiffigen Haarschnitt entschieden hatte. Mona schnitt noch ein paar Stufen in das schon fast getrocknete Haar und verteilte ein wenig Gel auf den Haarspitzen. Frau Hartmann war sichtlich zufrieden und erhob sich bestens gelaunt von ihrem Platz und zahlte.
Als Frau Hartmann den Salon verließ hatte die Gräfin plötzlich einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck und erzählte von ihrem Dackel Mathäus, vom Bäcker, dessen Brötchen stets steinhart wären und von einem Fleischer, der es zur Gewohnheit mache, verdorbenes Hackfleisch einfach unter das frische zu mischen.
Mona nahm sich zwischendurch immer wieder Zeit, sich anderen Dingen zu widmen bis die nächsten Kunden den Salon betraten. Plötzlich ertönte ein trockenes Hecheln und Würgen. Es war Mathäus. Der Hund musste sich übergeben. "Auch das noch" murmelte Mona und blickte die Gräfin beinahe vorwurfsvoll an. Diese schlug ihre Hände über ihren Kopf zusammen. "Oh je, mein armer, armer Mathäus! Hat Dir Frauchen nicht gesagt, dass zwei Stück Torte zuviel sind? Das hast Du nun davon!" schimpfte die Gräfin mit erhobenen Zeigefinger. Mona hatte in der Zwischenzeit die nötigen Reinigungsutensilien hervor gekramt und machte sich an die Arbeit, alles wieder aufzuwischen. Anschließend konnte sie sich um ihre anderen Kunden kümmern. Erneut ertönte ein Würgen und ein leichtes Röcheln. Mathäus musste sich erneut übergeben, doch die Gräfin dachte nicht daran selbst Hand anzulegen, sondern überließ Mona auch die zweite Reinigung des Bodens. Mona hätte aufschreien können und nahm sich vor, der Gräfin mitzuteilen, dass der Dackel in Zukunft nicht mehr in den Salon gebracht werden dürfte.
Die Gräfin schien das alles gar nicht zu berühren, sondern bat Mona um ein Glas Wasser und erzählte von den langen Wartezeiten bei den Ärzten und deren Unfähigkeit eindeutige Diagnosen zu stellen. Während Mona die Fixierung verteilte beobachtete sie Mathäus, der wieder eingeschlafen zu sein schien. Vermutlich war der Hund krank, doch in diesem Fall nahm die Gräfin keine Notiz davon und setzte ihre Erzählungen fort, ohne nach dem Hund zu sehen. Plötzlich betrat Karin den Salon. Sie war gerade beim Arzt gewesen und wollte nur ihre Krankmeldung abgeben. In diesem Moment begann Mathäus erneut zu röcheln. Mona machte die Gräfin darauf aufmerksam, dass der Hund vermutlich nicht gesund sei. Diese seufzte nur ein wenig hilflos und blickte kurz durch den Spiegel zu Mathäus rüber. Karin streichelte Mathäus und schlug vor mit ihm ein wenig an die frische Luft zu gehen. Mathäus setzte sofort einen Haufen vor die Ladentür, was auch Mona nicht entgangen war. Als Karin mit dem Hund zurück kam, bot sie an, den Haufen wegzumachen und anschließend wieder nach Hause zu gehen. Schließlich war sie krank. Mona war erleichtert und verärgert zugleich, denn die Gräfin machte auch in diesem Fall nicht die Anstalten, den entstandenen "Schaden" selbst zu beheben. Mit versteinerter Miene setzte Mona ihre Arbeit fort. Die Gräfin schwieg eine Weile. "Habe ich Ihnen schon von meinem Neffen aus New Jersey erzählt?" brach die Gräfin das Schweigen.
"Nein!" antworte Mona nur knapp. "Ich werde in 10 Tagen in die Vereinigten Staaten fliegen, im Falle, dass sich Mathäus bis dahin erholt hat." "Na das ist ja wunderbar" presste Mona heraus und bemühte sich dabei freundlich zu wirken. "Es ist möglich, dass wir überhaupt nicht wieder kommen. Mein Neffe und seine Frau haben mir angeboten bei ihnen zu wohnen so - lange ich mag" erzählte die Gräfin voller Stolz. "Na das ist ja fantastisch! So ein tolles Angebot kann man doch nicht ausschlagen!" entgegnete Mona und war plötzlich wieder völlig entspannt, lächelte der Gräfin wohlwollend zu und warf einen Blick zu Karin rüber, die grinsen musste.

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Eingereicht am 09. Oktober 2003.
Herzlichen Dank an die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin.