Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein Beitrag zum Kurzgeschichtenwettbewerb "Im Frisiersalon"

So einfach ist das nicht ...

Eine Kurzgeschichte von Viviane Zimmermann


Mit trägen Schritten schleppe ich mich am Morgen zur Hintertür unseres erst kürzlich neu eingerichteten Friseursalons. Verstohlen werfe ich einen Blick in die Richtung der vorderen Eingangstür und erhasche in Sekundenschnelle eine vage Vorstellung von der Arbeit, die mich heute erwartet.
Der Nachteil eines Friseursalons, in dem die Kunden ohne Termine angenommen werden, ist unter anderem der, dass sich die Menschen, wie zum Beispiel heute Morgen, vor der Türe sammeln, als wären wir eine zweite Warenausgabestelle des Aldis am Mittwoch. Man bekommt sehr schnell das Gefühl der Vorweihnachtszeit, in der es in den Geschäften von Menschen nur so wimmelt. Interessant wird es, sobald ich mit dem Schlüssel zur Ladentüre spaziere. Die Augen werden größer und die Menschenmenge drückt sich immer enger aneinander. Mein Lieblingstrick an dieser Vorführung ist, dass ich zuerst das untere Schloss der Türe aufschließe. Daran erkenne ich, welcher dieser Kunden am gierigsten an der Türe rüttelt, um schnellst möglich den ersten und besten Platz zu ergattern. In jenem Moment wird mir klar, dass ich dieser Person die wenigste Aufmerksamkeit schenken werde. Sobald die fünf bis sieben Kunden eingetreten sind und sich herausstellt, dass bei drei Friseurinnen auch nur die ersten drei Kunden bedient werden können, geht der Kampf ums "Erster sein" weiter. Es wird so lange herum gestritten, bis die Männer, die normalerweise bei ihrer Bedienung weniger Zeit in Anspruch nehmen, sich beschämt in die Warteecke setzen und den eifrigen Dauer- und Wasserwellen den Vortritt lassen.
Nun beginnt der eigentliche Ablauf des Tages. Meine Kolleginnen sind eingetroffen, leise Hintergrundmusik wird eingeschaltet und die Stimmung lockert sich. Die Wasserwellen beginnen von verführerischen Ärzten des letzten Krankenhausaufenthaltes zu schwärmen, die Dauerwellen halten mit den Erlebnissen ihrer letzten Stammtischtouren ordentlich dagegen und die verzweifelte Gesellschaft der Herren auf den Warteplätzen unterhält sich über das aller weltbekannte Thema, das Wetter. Sobald die Gemeinschaft der Frauen mit Klatschheftchen und einer Tasse Kaffee unter den Hauben sitzt, legt sich die durchdringende Atmosphäre und der Salon nimmt Zimmerlautstärke an. Die friedlichen Männer werden rasch bedient und uns Friseurinnen lässt sich eine kleine Pause erahnen. Doch gerade als der Aufenthaltsraum erreicht wird, in dem eine Tasse Kaffee und ein Zigarettchen zur Entspannung auf uns warten, hört man es entweder an der Eingangstüre läuten oder die Haube der Dauerwelle gibt einen grellen Ton der Zeitschaltuhr ab. Vorbei ist der Traum von einer klitzekleinen Verschnaufpause. Die Arbeit geht weiter, und das in vollen Zügen.
Im Laufe des Tages verschwinden nun die Dauer- und Wasserwellen. Die Arbeit wird fortgesetzt mit Farben, Tönungen und unschlüssigen Jugendlichen, denen man gleich drei Mal die Haare schneidet, damit sie nach etlichen verschiedenen Variationen nun doch den, wie sie meinen, für sich passenden Haarschnitt gefunden haben. Meine Kolleginnen und ich sind nun richtig eingearbeitet und uns kann, so behaupten wir, nichts mehr den Tag versauern. Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, denn genau in diesem Moment werden wir ordentlich auf die Probe gestellt. Die Hausarbeit geschafft, das Essen gekocht, die Wäsche gewaschen und es ist mal wieder von Nöten, zum Friseur zu gehen. In dieser Zeit betreten die Hausfrauen und Mütter mit einem Anhängsel von fünf Kindern unseren Laden. Jetzt ist wirklich Ausdauer gefragt und die Nerven einer Friseurin werden bis ins Unerdenkliche getestet. Wie weit kann sich eine Friseurin dehnen und recken, bis sie den Pony eines Zweijährigen geschnitten bekommt, den alles andere als das Haareschneiden interessiert; oder wie oft lässt sich der Kopf eines Fünfjährigen nach unten drücken, damit man den Nacken schneiden kann; oder aber wie oft muss man das kleine verängstigte Mädchen von dreieinhalb Jahren darum bitten, den Kopf gerade zu halten, damit der Pagenschnitt perfekt sitzt? Vor allem aber macht es Spaß, wenn die Eltern dieser Kinder es noch ganz toll finden, wie ihr Kind auf dem Frisierstuhl herumwippelt. Es ist manchmal wirklich eine Herausforderung, den Ansprüchen der Leute gerecht zu werden, aber genau das reizt uns doch an dieser Arbeit.
Das Ende eines arbeitsreichen Tages klingt meistens mit einigen einfachen berufstätigen Männern aus. Danach hat man den Stress des Tages schon bald vergessen und freut sich auf einen angenehmen Abend zum Verschnaufen. Das Gerücht, Friseurinnen trinken den ganzen Tag nur Kaffee und rauchen eine Zigarette nach der anderen, möchte ich mit dieser Geschichte aus dem Wege räumen. Es geht auch anders.




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Eingereicht am 12. September 2003.
Herzlichen Dank an die Autorin.
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