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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Die Wahrheit

Eine Geschichte von Helen Reinhardt


Langsam und angespannt stehe ich auf, weiß nicht wo ich mich befinde. Kenne ich dieses Zimmer, nicht dass ich wüsste. Keine Fenster, Bilder, Möbel oder Tapete schmücken dieses kahle Zimmer. Irgendwie beginne ich mich alleine zu fühlen, ohne bekannte Seelen, wandere ich auf den einzigen Lichtpunkt dieses Raumes zu, einer altmodischen Holztür. Auf ihr sieht man in Regenbogenfarben schillernde, ungewöhnliche Schriftzeichen. Sich der Tür zu nähern oder lieber in der dunklen Sicherheit des Zimmers zu bleiben ist nun die Frage. In so einem Moment Unsicherheit und Furcht zu haben ist sicher normal, vielleicht aber auch nicht. Aber welche Vorteile hätte es für mich. Hier kann ich schließlich auch nicht bleiben. Mit Gänsehaut gehe ich langsam Schritt für Schritt auf die faszinierende Tür zu. Ich greife in Richtung Türknauf aber kurz bevor ich ihn umdrehen will, kommen mir Zweifel auf, Zweifel wie jene die jeder einmal hat, wenn er voreiner großen Entscheidung steht. Denn ich weiß nicht was sich hinter dieser Tür versteckt und es ist niemand da, der es mir sagen könnte.
Aber man muss nun einmal Risiken eingehen um die Wahrheit ans Licht kommen zu lassen. Daher lege ich meine Hand vorsichtig um den kalten, metallenen Knauf der Tür und drehe ihn um. Unter lautem Knarren schiebe ich die Tür schwungvoll auf. Was sich hinter dieser Tür verbirgt, wird nie ein Mensch erfahren. Und nun erzähle ich auch warum:
Nun stand die geheimnisvolle Holztür offen. Aber trotz der ballenden Farbenpracht ist es für mich auch heute noch schwer, über all das, was ich sah zu reden, aber ich werde es versuchen.
Eine Art Wald verbarg sich hinter der Tür, hohe Bäume an denen Lianen hangen, Blumen in allen nur erdenklichen Farben wuchsen am Fuße der Bäume. Hier erfüllten so viele Geräusche die Weite, dass ich vor erstaunen durch die Tür trat und sie hinter mir schloss. Genau in jenem Moment erloschen alle Geräusche, kein Vogelzwitschern, kein Blätterrascheln. Nichts, einfach nichts, nur die diese bedrückende, leere Stille. Wieder stellten sich meine Haare an den Armen auf, und aus meinem Magen heraus spürte ich die Angst.
Lange Zeit stand ich einfach nur so da, aber all die Geräusche kamen nicht wieder. Wie lange ich dort im Endeffekt stand, ich weiß es nun nicht mehr. Je länger ich an diesem unbekannten Ort verweilte, desto mehr nahm ich die eigenartigen Wesen um mich herum war. Sie durchlöcherten mich gerade zu mit ihren Blicken. Kleine menschenartige Wesen mit Vögel- Schmetterlings- und Libellenflügeln, sie waren gerade mal so groß wie eine Spitzmaus. Die Verunsicherung stieg erneut in mir auf. Was sollte ich jetzt nur tun, ich wollte doch einfach nur nach Hause.
Plötzlich sagte jemand hinter mir: "Wer seid Ihr?" Ich drehte mich um und sah ihn.
Seine Haare waren für einen Jungen sehr lang, strähnig und verfilzt. Von seiner schlanken und trotzdem starken Statur lenkten nur diese seidenartigen Flügel ab. Welche nur als spinnenfehdenartige Konturen zu sehen waren. " Antwortet mir!", Erreichten seine harten Worte meine Ohren. Ich kann mich auch heute noch genau an dieses eigenartige Gefühl, welches mich damals packte, erinnern. Einmal war da diese Angst nicht zu wissen wie ich zureagieren habe oder wo ich mich überhaupt aufhielt. Auf meiner Stirn perlte Schweiß, an meinen Armen erhoben sich die Haare, meine Beine wurden weich und begangen unkoordiniert zu zittern.
Er blickte mir in die Augen und schien all meine Angst zu sehen. Seine Gesichtskonturen wurden weicher, kein Zorn und keine Unfreundlichkeit mehr zu erblicken. " Wer seid ihr nun und woher kommt ihr?" Ich wollte, dass all die Worte die in meinem ausgetrockneten Mund festklebten aus mir heraussprudelten, aber nichts geschah. Die Zeit lief an uns vorbei, außer uns schien hier niemand zu sein. Ich fing an mich zu wundern, warum ich mich so schüchtern, zurückhaltend und ängstlich verhielt. Was hatte ich denn zu befürchten, denn dies alles hätte ja auch ein sehr realistischer Traum seien können. Aber dass dem nicht der Fall war merkte ich bald:

1. Kapitel
Nach langem Schweigen begann er dann doch noch zu reden. " Ich bin Raven, der Herrscher des ewigen Reiches. Ihr scheint diese Region von Gailapon nicht zu kennen und ihr seht nicht so aus, als ob Ihr von hier kommen würdet. Begleitet mich doch in mein Dorf, dort werden wir weiter sehn", seine Worte klangen so bestimmend, als ob er keine Wiedersprüche dulden würde. Aber da ich mir nicht zu helfen wusste, folgte ich ihm.
Raven schritt voran, vorbei an wunderschönen, violett schimmernden Blumenbüschen, tiefer in den dichten Wald hinein. Die Bäume standen so dicht aneinander das der Himmel kaum zu sehen war. Durch die geringen Abstände, welche sich zwischen den Bäumen befanden, wirkte alles dunkel und gefangen. Gefangen ist wirklich der passende Ausdruck, ich fühlte mich wie eine Gefangene. Allein gelassen, aus meinem Leben, ja sogar aus meiner Welt gerissen und all die Tausenden von Baumstämmen waren meine Gitterstäbe.
Wir liefen immer noch durch dieses dichte Dickicht und hatten auch nach etwa einer Stunde noch nicht erneut mit einander gesprochen. So gerne hätte ich gewollt, dass mir jemand sagt, wo ich wäre und wie ich hier hin gekommen bin. Der vor mir dahin schreitende Raven trat endlich aus dem Wald auf eine mit bunten Blumen übersäte Lichtung. Es war ein zauberhafter Anblick. Das Blau vom unberührten Himmel, das Grün der Wiese, alles in den warmen Glanz der Sonne getaucht. In diesem Augenblick, an diesem magischen Ort, fiel mir zum aller ersten mal auf, das Raven eigenartig angezogen und geschmückt war. Wie schon gesagt hatte er lange Haare, welche in verfilzten Strähnen herab hingen. Die vordersten waren auf seinem Hinterkopf mit einem Lederband, in welches naturfarbene Perlen und schwarz-lilane Federn gewebt und verflochten waren, zusammen gebunden. Auf seiner linken Wange war mit roter Farbe ein Drache gemalt worden, solch einer wie manche ganz Harten ihn sich in einem der vielen Tattoostudios stechen lassen. Er trug mehrere, schlecht zusammen genähte, Lederhemden. Das ein hellbraun das andere dunkelbraun. Seine Hosen bestanden aus dem gleichen Gewebe, aber es schien so, als ob ihm jemand zusätzlich große Lederfetzen mit Bändern befestigt um die Beine gebunden hätte. Um seine Hüfte war ein aus Metall und Leder hergestellter Gürtel geschlungen, an welchem, an der rechten Seite, ein riesiges Schwert hing. Verziert mit edlem Gestein und ungewöhnlich geformt.
Das alles war mir wohl, nachdem ich sein Gesicht gesehen hatte, entfallen. Denn seine kühlen tiefblauen Augen ließen alles um einen herum verschwinden. " Kommt Ihr nun?", Kam es ungeduldig aus ihm heraus. Ich nickte nur und ging ihm hinterher, über die Lichtung zu einer kleinen Felshöhle. Durcheinen kleinen Felsspalt zwängten wir uns in die genauso kleine Höhle. Er bewegte sich auf eine der dunkelbraunen Wände zu und verschwand. Ich konnte es nicht fassen, wo war er hin. Das war doch unmöglich, dass jemand einfach durch eine Felswand gehen konnte. So etwas passiert doch sonst nur in irgendwelchen Geisterfilmen. Ich fing an zu verzweifeln, mich zufragen wieso das alles. Wach auf wach endlich auf, ging es mir durch den Kopf. Ich kniff mich abermals in den linken Arm, welcher an manchen Stellen durch die vielen Kniffe schon rote Flecken aufwies. Da nahm ich durch meine Augenwinkel eine Hand war die durch die Felswand zu kommen schien. Ravens Hand. " Folgt mir ruhig. Ich werde euch nichts tun!", Vernahm ich leise. Vorsichtig legte ich meine Hand in die seine, und schritt, immer noch misstrauisch und erstaunt, ob es mir wirklich möglich wäre durch die Felswand zu gehen ohne gegen sie zu rennen, auf sie zu. Etwa zwei Zentimeter vor der Wand zögerte ich dennoch, aber ich schätze auch heute noch, dass eine solche Reaktion verständlich ist. Da Raven leicht an meiner Hand zog, musste ich ja durch die Wand treten. Es war ein eigenartiges Gefühl, es war, als ob man sich durch feuchten, schwadrigen Nebel bewegt. Mit meinem rechten Fuß betrat ich einen Raum. Es sah alles ziemlich rustikal aus, ich würde sogar eher bauernhaft sagen. Wir befanden uns in einer Hütte: unter dem Dach vollzogen sich Gehstricke aus dicken Holzbalken und an ihren rechteckigen Kanten hatten Spinnen aufwändige Netze gesponnen, in denen sich schon so manches Insekt verirrt hatte. Das Dach selber war aus Stroh und Heu. Wenn man seine Blicke senkte, bekam man einen verkratzten, ungeschliffenen Tisch, ein paar genauso heruntergekommene Stühle und eine große Menge Strohkörbe, mit vertrockneten Blumen und Beeren, Tierwolle, Getreide und Bast angefüllt, zu Gesicht. Ich denke, dass es für die restliche Geschichte wichtig ist, zu sagen, dass wir durch einen in Gold gefassten Spiegel hierher gelangt sind, welcher nun von Raven mit großflächigem Leinentuch zugedeckt wurde.
"Nun, bevor ich sagen werde, wo Ihr Euch befindet, will ich wissen wer Ihr überhaupt seid", mit diesen Worten ließ er sich auf einen der Stühle nieder. Blickte mir wieder in die Augen, sein verschmitztes Lächeln ließ mich vergessen, dass ich eigentlich zittrig und aufgeregt war. Also begann ich zu erzählen: " Ich heiße Christina. Christina Lind. Ich komme aus New York. Wohne dort, seit ich denken kann, das sind also einundzwanzig Jahre. Vor drei Monaten hab ich angefangen zu studieren und um ehrlich zu sein weiß ich nicht so recht wie ich hierher gekommen bin. Ich mein,... was soll ich sagen. Mein Leben lang war ich normal. Hab mich sozial verhalten. Und nie ist irgendetwas außergewöhnliches passiert, und jetzt das. Wo bin ich? Wie bin ich hier hergekommen? Mir geht so viel durch den Kopf und ich kann es nicht einordnen!" " Was meint Ihr damit?" " Ich mein, ich weiß einfach nicht, ob das alles hier nur ein Traum ist. Sagt mir also bitte was mit mir los ist." Sein Lächeln hatte sich in einen ernsten Ausdruck verwandelt, er wirkte nachdenklich. Und er begann zu sprechen:
"Wie ich schon sagte, bin ich der Herrscher von Gailapon. Ihr seit, durch einen Grund der mir bis jetzt noch nicht klar ist, in unsere Welt oder sogar Galaxie gekommen. Sie ist der Euren schon ähnlich, aber trotzdem auch so fremd. Ich kenne Eure Welt und weiß wie Ihr lebt. Nur wir leben anders." Er wurde von einem Geräusch außerhalb der Hütte unterbrochen. Gemurmel, Geraschel, Schwertergeklirr. Und wie zu erwarten war, bewegte sich der Fellvorhang, welcher anstatt einer Tür am Eingang angebracht worden war. " Darf ich, Raven?", Mit diesen Worten trat er herein. Ein Krieger, so schien es mir. Groß und breitschultrig baute sich der Schwarzhaarige sich vor uns auf. " Was ist los, Arluk?", Wollte Raven wissen. " Die weise Marla hat voraus gesehen, das etwas passieren wird. Sie meinte, dass jemand kommen wird, der uns in unserer jetzigen Situation beisteht. Du weißt doch das es nicht mehr lange dauert bis sich die Pforte schließt." Erst jetzt erblickte er die Meinige: "Oh ich wusste ja nicht..." " Ist schon gut", Raven nickte ihm verständnisvoll zu. " Ich denke es ist an der Zeit Euch, Christina, zu zeigen, was ich vorhin mit unterschiedlich leben gemeint habe. Arluk, führe unseren Gast zu Marla. Sie wird schon wissen was zu tun ist und danach weise Ihr eine Hütte bei den Jungfrauen zu. Ich schätze sie wird uns noch eine Weile beehren", er sah mir schon wieder mit diesem Ausdruck in die Augen, den ich nicht deuten konnte. " Danach such mich auf und berichte mir alles. Lord Keru wollte mich nämlich vorher noch über die Veränderrungen der letzten Tage aufklären." Er nickte Arluk abermals zu und ging darauf durch den Fellvorhang aus der Hütte hinaus. Nun beäugte er mich, fing an bei meinem Haupt und seine Augen glitten, als ob er einen Röntgenblick hätte an meinem Körper hinab. Ich fühlte mich so unwohl, so als ob seine Blicke mich ausziehen würden. Nur anziehend fand ich Arluk nicht gerade. Seine Mausgrauen Augen trafen dann doch noch die Meinen und er fragte neugierig: " Woher kommt Ihr? Ich hab euch hier in meinen 13 Jahren noch nie gesehen?" Stille, denn er wartete auf meine Antwort und ich auf die plötzliche Eingebung zu wissen, was ich nun sagen sollte. " Sollten wir nicht zu dieser Marla gehen?", Brachte ich stotternd und ungewiss heraus. Zu meiner Verwunderung begann er grinsend den Kopf zu schütteln: " Um Eure Frage zu beantworten, die eben Genannte bat mich ihr eine Ruhepause für etwa zwei Stunden zu geben." Abermals Stille, bis er mir erklärte das er bereits wusste: " Ja, was soll ich sagen. Mir ist klar das Ihr aus der normalen Welt kommt, die unsere nicht kennt. Man kann niemandem einfach so vertrauen, dass ist mir klar. Aber keiner der Gailaponer wird Eure Unsicherheit verstehen, warum weiß ich nicht. Fangt an zwischen Feinden und Freunden zu unterscheiden sonst seit Ihr hier aufgeschmissen!" " Was soll das, ich verstehe nicht recht. Ich befinde mich doch erst seit einer dreiviertel Stunde hier. Außerdem bin ich ein sehr misstrauischer Mensch, ich kann nun mal nicht einfach jemandem vertrauen. Ich wurde so oft enttäuscht in meinem Leben, dass kann man nicht durch ein Fingerschnipsen ändern. Denn man kann immer enttäuscht werden. Und wenn Ihr wisst woher ich komme warum fragt Ihr dann überhaupt." " Habt Ihr niemals das Gefühl gehabt alles über einen Menschen zu wissen, und habt Ihm trotzdem Fragen gestellt die Ihr schon vorher selbst beantworten konntet. Und alles nur, weil Ihr ein Gespräch beginnen wolltet?" Arluk sah mich fragend an. " Ok", ich musste nachdenken. War es wirklich möglich, dass jemand, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, mich so einfach durchschauen konnte, "Vielleicht habt Ihr ja recht." " Damit es Euch leichter fällt Euch hier einzugewöhnen sollten wir uns wohl lieber noch einmal neu kennen lernen. ... Hallo, es freut mich sehr Euch kennen zu lernen. Mein Name ist Arluk und ich bin der treueste Freund und Gefährte von Raven, dem Herrscher Gailapons. Ich denk das reicht fürs erste. Und nun zu Euch." Diesem auffordernden Blick konnte ich nicht ausweichen. " Es freut mich Euch kennen zu lernen, Arluk, mein Name ist Christina Lind." Langsam schien das Fremde und Unbekannte hinter einer Nebelschwade von Vertrautheit zu verschwinden, welch sich mehr und mehr verdichtete. Wir lächelten uns an. Es war eigenartig festzustellen wie schnell ich ihm Vertrauen schenkte, sonst war das nie so. Ich war und bin auch heute noch eine sehr misstrauische Person. Bei mir wird zuerst geprüft dann beschlossen und zuletzt für gut oder schlecht empfunden. Aber ein solcher Vorgang dauert bei mir nun mal mindestens ein bis zwei Jahre. Nun ist ja wohl hoffentlich klar, wie eigenartig diese plötzliche Vertrautheit für mich war. Na ja, jedenfalls hatte ich nun eine Person gefunden der ich mich anvertrauen konnte. " Bevor ich dich zu Marla bringe, halte ich es nun für angebracht Euch das du anzubieten. Was haltet Ihr davon?", Seine Augenbrauen hochgezogen sah er mich mit großen Pupillen fragend an. " Gerne. Auch von meiner Seite aus", erwiderte ich. Mit den Worten: " Dann wäre das ja geklärt" und " Wundere dich nicht über das was du nun sehen und erleben wirst, ok?!", Ging er zu dem Fellvorhang, schob ihn mit der linken Hand zur Seite und gab mir zu verstehen, dass ich ihm folgen sollte.
Da stand ich nun, außerhalb der Hütte. Hier standen noch so viele davon. Kleine, große, lange und breite Hütten. Alle schienen durch die gleiche Bauweise entstanden zu sein. Kreuz und quer standen sie, ohne Plan. In der Ferne war ein prunkvolles Gebäude zu sehen: " Ein Schloss?" " Ja, das unseres Herrschers." Die Kuppeln glänzten in der Abendsonne in allen nur erdenklichen Farben. Es sah einfach zauberhaft aus. Arluk zog mich weiter. Langsam merkte ich, was hier anders war als bei uns: Nicht die Umgebung, sondern die Menschen oder eher gesagt die Wesen. Da waren zum Beispiel dünne, zartgebaute Mädchen. Die meisten hatten leichte und luftige kurze Kleider an, welche sich an ihre Körper anschmiegten. Ihre Haare flatterten in der leichten Prise. Wir nennen sie Feen oder auch Elfen, aber hier sind sie nur Gailaponer. Und dann waren da noch sogenannte Krieger, groß gewachsen, breitschultrig am ganzen Körper mit Fell überdeckt, längere Haare, breite Nasen, übergroße Eckzähne, welche wie bei einem Säbelzahntiger aus den Mündern ragten. Ihre Gesichter ähnelten denen, die ich schon auf den Bildern der Steinzeitmenschen in meiner Uni gesehen hatte, wenn ich den langen Flur zu den Hörsälen entlang schreiten musste. Viele sahen bis auf Kleidung, Schmuck und Schminke genauso aus, wie ich und alle die ich aus New York kannte. Alle wuselten durcheinander, trugen Wassereimer oder Körbe, stellten Waffen her oder schärften Schwerter, flochten Blumenkränze oder halfen lange Holzpfeiler aufzustellen. Vorbei an Brunnen und Scheunen. Und alles wirkte durch die umherstehenden Bäume wie eingezäunt und trotzdem, auf eine gewisse Weise, auch frei. Frei von allen Sorgen, und Problemen. Je weiter wir gingen, desto weniger Hütten standen herum. Jetzt traten vereinzelt Baumhäuser auf. Immer mehr und mehr. Als ob ein Teil der Dorfbewohner den Boden vorziehen würde und der andere eher die luftigen Höhen. Arluk blieb auf einmal stehen. Schaute zu einem Baumhaus hinauf, welches am Eingang mit bunten Tonmasken verziert worden ist. " Wir sind da!", Sagte er kurz. Ich beobachte meine Umgebung unsicher, ich fragte mich, wie wir dorthinauf kommen sollten. Suchte eine Hängeleiter, ein Seil oder eine Art Lift. Er drehte sich zu mir um: " Du fragst dich sicher, wie wir da hoch kommen." Auf seinem Mund spielte ein winziges Lächeln. " Jetzt kannst du beweisen das du mir vertraust!" " Was soll ich machen?" " Stell dich auf die gleiche Höhe wie ich. Und dann schließ deine Augen und stell dir vor du würdest schweben." Er hielt mir seine Hand hin, ich legte meine in die seine. Schloss meine Augen:

2. Kapitel
"Du musst auch genau dran glauben", wurde mir zugeflüstert. " Entspann dich!!" Ich versuchte es, ich versuchte es wirklich. Mir wurde schwindlig. Verlor, so habe ich es jedenfalls noch im Gedächtnis, mein Bewusstsein. Fühlte mich frei und unbeschwert. Federleicht, so als ob ich fliegen könnte. Meine Körper frei von jeglicher Spannung. Vergleichen kann man das Gefühl mit dem, welches man unweigerlich hat, wenn man mit seinem Fahrrad einen Hügel oder Abhang herunter fährt. Langsam seine Hände von dem Lenker nimmt und die Arme weit ausbreitet. Die Augen schließt und sich einfach treiben lässt. Der Wind bläst einem nicht nur um den Kopf, nein, er behütet einen gerade zu auf dem Weg ins Unvorhersehbare. Wie in einer Trance, nahm ich von ganz weit her Arluks Stimme war. Meine Augenlieder waren schwer und wollten einfach nicht aufgeschlagen werden. Aber ich wollte ja sehen, wo ich mich befand. Hoffte sogar innig das ich mich in meinen New York wiederfand. Dem war natürlich nicht so. Neben Arluk stehend, blickt ich vorsichtig über die Kante, des etwa drei Meter breiten Absatzes, hinunter auf den Boden. Das mussten so etwa sieben Meter sein. " Alles in Ordnung?", Arluk beäugte mich fragend. " Mir ist ein bisschen eigenartig, das ist alles!" " Normal. Komm man lässt Marla nicht warten", er ließ mich los, beugte leicht seinen Kopf, um in die Baumbehausung eintreten zu können. Ich folgte. Durch den, auch hier aufzufindenden, Fellvorhang in eine wohlriechende, dunkle Räumlichkeit. " Es ist also wirklich war", ein altes, weißhaariges, faltiges Mütterchen begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln. In diesem Augenblick wurde mir seit so langer Zeit wieder bewusst, wie sehr ich doch meine Großmutter vermisste. Vor fünfeinhalb Jahren war sie von mir gegangen. In meinem Inneren weinte ich um sie, und hoffte bald wieder zu Hause zu sein um mich dann ihrem Grab zu widmen. " Es wird noch auf sich warten lassen müssen. Aber glaub mir, deiner Gram ist sehr wohl bewusst, dass du sie liebst und vermisst", riss mich Marlas weiche Stimme aus der schmerzhaften Erinnerung. Woher wusste sie was ich gedacht hatte, oder hatte ich es unbewusst laut ausgesprochen. " Nein hast du nicht. Aber nun ist Schluss mit diesen Spielchen. Wir haben wichtigeres zu tun." Mit diesen Worten ließ sie ihren alten mageren Körper auf einen Holzhocker sinken: " Ja, ich werde wirklich alt, ich spüre es schon in meinen Knochen. Aber lassen wir meine Probleme mal außer Reichweite.
Was weißt du noch über deinen Vater, Christina?", Kurzes Schweigen. " Das hab ich mir gedacht, also wühlen wir mal in der Vergangenheit: Vor etwa zwanzig Jahren begab sich eine achtundzwanzig-köpfige Expedition auf den Weg in die Tiefen des Amazonas. Dort suchten sie verzweifelt drei Jahre nach einem legendären Schmuckstück, natürlich fanden sie es nicht. Sie reisten also enttäuscht zurück nach New York, dort wiederum schien dein Vater besessen zu sein, diese Reliquie ausfindig zu machen." Sie unterbrach ihre Geschichte, um Arluk und mich auf die zwei weiteren Stühle hinzuweisen. "Also, wo war ich nun,... ach ja. Hat deine Mutter dir je erzählt, dass er zu dieser Zeit schon nicht mehr ihr Mann war? Und dass aus dem Grund, da er Tag und Nacht in Bibliotheken zu brachte, um sich sicher zu sein, was er übersehen hatte.
Ja, was er übersehen hatte war etwas sehr entscheidendes. Der Mondstein war einst in Besitz eines mächtigen Herrschers. Er lebte weit ab im Himmelsreich, den Sternen so nah, dass er annahm, sie könnten ihm durch ihre Schönheit die Macht rauben. Daher errichtete er ein riesiges Tor, so groß, dass seinen Untertanen von dem Tag an, der Himmel versagt blieb.
Hinter diesem Tor aber war nicht nur der Himmel, dort hinter war nicht weit ab, das Paradies, welches uns allen von Gott versprochen worden ist.
Dort wo alle Lebewesen in Frieden leben können, wo niemand Hunger und Durst zu erleiden hat, wo die Sonne täglich den Mond küsst.
Jedenfalls, wie hätte es denn auch anders seien sollen, wollten irgendwann alle seine Untertanen ins Paradies, deshalb hat er alle grausam umgebracht. Einer der Untertanen aber, hat ihm im Sterben, aber seinen Mondstein entrissen und über das Tor geworfen. Dieser fiel zur Erde, und wurde für sehr lange Zeit von niemandem gesichtet.
Dieser Stein hat eine unglaubliche Macht, mein Kind! Er ist der Schlüssel zum Paradies, durch ihn können alle Menschen Frieden finden, doch dieses Tor hält jeden davon ab."
Ich wusste nicht recht, was ich zu sagen hatte, denn so eine Geschichte hatten meine Ohren noch nie zu hören bekommen. "Was hat das mit mir zu tun, ich versteh das alles einfach nicht. Wo bin ich hier überhaupt? Hören sie zu, dass ist wirklich ein sehr schönes Märchen, doch was habe ich damit zu tun? , Meine Stimme bebte. " Was du damit zu tun hast? Das kann ich dir wohl erzählen:
Das Reich Gailapon besteht seit ca. 6000 Jahren, also etwa 4000 mehr als die dir bekannte Menschheit. Das liegt an einem Rechenfehler, den ihr Menschen begangen habt. Denn der Urknall hat die Erde nicht erst entstehen lassen, sondern hat sie geteilt. Vor diesem entscheidendem Tag hat unsere Bevölkerung die Erde alleine bewohnt. Aber als bei uns der Krieg ausbrach und die Geister kamen, sah unser damaliger Gebieter keine andere Chance, als durch Magie den Urknall herbeizuführen. Dadurch wurden wir von der Erde abgetrennt, und in einen Zustand von vorerstiger Heimatlosigkeit versetzt. Während eure Erde von Einzellern bis zu den ersten Menschen besiedelt wurde, kämpften wir darum unsere kleine Welt am Leben zu halten. Wir waren für euch unsichtbar und irgendwie nicht erreichbar, obwohl unsere Welt genau auf eurer postiert ist. Aber wir haben damals alles in Kauf genommen, da wir ab dem Urknall von allen bösen Geistern verschont geblieben waren. Allesamt kamen sie auf die Erde zu euch, sie rotteten die Dinosaurier und später auch noch viele andere Tierarten aus. Sie nahmen Besitz von vielen Menschen und verursachten so abertausende Kriege, vermehrten Krankheiten zuhauf, versuchten euch das Leben zu erschweren, wie einst uns. Aber langsam mit der Zeit fing ihre Tarnung an aufzufallen, die Menschen begannen zu behaupten, sie hätten einen Geist gesehen. Und andere wiederum, sahen diese Behauptungen als ein neues Geschäft an und so entwickelte sich der Beruf der Parapsychologen.

(wenn euch die Story gefällt, wird sie auch fortgesetzt...)



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