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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Ehefeind

Britta Dubber


Heute wird alles anders. Heute ist der entscheidende Tag. Der Tag, an dem sich mein Leben schlagartig verändern wird. Der Tag, an dem ich wieder frei sein werde.
Heute verlasse ich ihn.
Meine Koffer stehen gepackt im Flur.
Wie oft bin ich durch die einzelnen Zimmer gegangen, um mich zu vergewissern, dass ich auch ja nichts von meinen Sachen vergessen habe? Zehn Mal, vielleicht fünfzehn? Eher zwanzig Mal, würde ich sagen.
Ich blicke auf meine Armbanduhr. Zehn vor sechs. In zehn Minuten wird er von der Arbeit kommen. Vielleicht auch in acht, wenn er eine grüne Welle hat.
Ich stelle die Koffer in den Kleiderschrank im Flur. An den Schrank geht er nie. Der ist von seiner verhassten Schwiegermutter
Ich habe zu lange getrödelt. Heute schaffe ich es nicht mehr.
Morgen, ja morgen wird es klappen.
Ich hole meinen Kulturbeutel aus dem einen Koffer und stelle ein paar Kosmetikartikel ins Bad.
Schließlich soll er nichts von meinem Vorhaben merken.
Aber er wird es, wenn er sieht , dass die eine Hälfte des Kleiderschrankes leer ist.
Bevor ich mir weitere Gedanken darüber machen kann, höre ich den Schlüssel im Türschloss.
Wie eine anständige Ehefrau gehe ich in den Flur, um meinen Mann mit einem Küsschen auf die Wange und einem "Schatz, wie war dein Tag" zu begrüßen.
"Wie immer", grunzt er, streift sich das Jackett ab und wischt sich den Lippenstift aus dem Gesicht. Dabei benutze ich gar keinen. Habe noch nie einen verwendet.
"Ist Abendbrot schon fertig?", fragt er, als er seinen Kopf zur Küche rein steckt.
Sieht er nicht, dass dort kein Essen steht?!
"Ich dachte, wir könnten heute mal etwas vom Chinesen bestellen", sage ich und folge ihm in die Küche.
"Wieso?"
Weil deine Ehefrau nicht deine Sklavin ist und vielleicht auch mal einen Abend haben möchte, an dem sie nicht stundenlang am Herd stehen muss.
"Ich dachte, das ist mal etwas anderes", sagte ich stattdessen
"Ich hasse Veränderungen", grunzt er
Meine Güte, du sollst ja nicht jeden Abend chinesisch essen, bloß heute.
"Ich könnte ne Pizza in den Ofen schmeißen", schlage ich vor.
Er zuckt mit den Schultern, was ich als ein Ja auffasse. Nach zehn Jahren Ehe versteht man sich eben ohne Worte.
Während ich mit der Folie der eingeschweißten Pizza kämpfe, geht er ins Wohnzimmer und stellt den Fernseher an.
Muss das Teil so fies verpackt sein? Manchmal könnte ich die Leute von der Verpackungsmittelindustrie erschlagen. Na ja...manchmal...
Ich könnte jetzt so schön bei Dora sitzen, mit einem Glas Wein und einem Lachsauflauf...
Morgen. Morgen werd ich das tun...
Das Telefon klingelt. Und klingelt...
Hah! Endlich habe ich die Pizza von der Folie befreit.
"Das Telefon klingelt!", schreit er aus der Stube.
Ich bin nicht taub!
"Ich kann jetzt nicht!", schreie ich zurück, lauter als beabsichtigt.
"Soll ich rangehen?"
Nein, lass doch einfach unseren nicht vorhandenen Anrufbeantworter anspringen.
"Bitte!", sagte ich.
Ich schiebe die Pizza in den vorgeheizten Ofen, wasche mir die Hände am Spülbecken und gehe ins Wohnzimmer.
"Wer war's?", will ich wissen.
"Der Gärtner. Es ist immer der Gärtner!"
Bahnhof. Welcher Gärtner, wir haben weder einen Garten noch... Ach.. Na klar. Er sprach vom Film. Ein Krimi wie ich nun wusste.
"Ich meinte am Telefon."
Er blickte mich irritiert an.
"Ach so", kam dann. "Hatte wieder aufgelegt."
Ja, die Leute haben einfach keine Geduld mehr.
"Macht ja nichts. Wenn es wichtig war, wird er sich schon noch melden", erwidere ich.
Er steht vom Sofa aus und streckt sich. "Ich zieh mir was Bequemeres an."
"Geht nicht!", schrei ich.
Er dreht sich um und blickt mich mit hochgezogener Augenbraue an.
"Motten", sage ich. "Wir hatten Motten im Schrank. Ich musste alles ausräumen und den Kleiderschrank einsprühen. Er darf nicht geöffnet werden, wegen der Chemikalien. Es sei denn, du willst heute Nacht auf dem Sofa schlafen."
Über meine eigene Kreativität und Improvisationsgeschick könnte ich mich jedes Mal selbst wundern.
Habe ich die Situation nicht einfach brillant gerettet?
"Und wo hast du meine Sachen hin geräumt?"
Gute Frage. Verdammt gute Frage.
"In den Keller. Ich hole dir ein paar Sachen, du kannst ja schon Mal unter die Dusche gehen."
Er zuckt mit den Schultern und geht Richtung Badezimmer.
Als ich sehe, dass er die Tür geschlossen hat, sprinte ich ins Schlafzimmer und suche ihm ein paar Anziehsachen heraus.
Mit frischer Unterwäsche, einer Jogginghose und einem Pulli in den Händen gehe ich ins Bad.
Er sitz am Beckenrand der Wanne und lässt Wasser einlaufen.
Warum sage ich ihm nicht einfach, dass ich ihn verlassen werde? Hier und Jetzt?
Weil er mich dann mit großen Augen anblicken würde, seine Hände flehend nach mir ausstrecken und eine furchtbar peinliche Szene machen würde.
"Wieso, Karla? Was sollen denn bloß die Freunde und meine Arbeitskollegen sagen?"
Dann würde er anfangen zu weinen. Vielleicht erst nur schniefen.
Ich kann Männer nicht weinen sehen, meinen am allerwenigsten.
"Bitte, das darfst du mir nicht antun. Ich flehe dich an."
Nein, ich will nicht mitbekommen, wie er vor Schmerz und Schmach am Boden wimmernd, sich den Rotz von der Nase wischt und rumflennt. Ich will still und heimlich die Fliege machen.
Machen doch auch genug Männer. Warum sollen das die Frauen nicht auch können.
"Ich will die Scheidung."
Das war nicht aus meinem Mund gekommen. Dieser Satz kam von ihm!
Mit weit aufgerissenem Mund starre ich ihn an.
"Was?"
Er senkt den Kopf, sieht dem Wasser zu, wie es sich in der Wanne verteilt.
"Ich habe jemand anderes kennen gelernt. Das läuft schon seit einer ganzen Weile."
Okay! Mistkerl!
Jetzt hat er mich verlassen, dabei wollte doch ich ihn... und überhaupt, ach wäre ich doch bloß heute gegangen.. Hätte ich doch bloß nicht getrödelt.
"Wieso?", frage ich mit tränenerstickter Stimme, rutsche auf die Badezimmerfliesen hinunter und strecke meine Hand verzweifelt nach ihm aus....



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