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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Eine liebe Dorfhexe

© Wolfgang Scholmanns


Vor vielen Jahren lebte in einem kleinen Dorf am Niederrhein eine alte Frau. Die Kinder bezeichneten sie oft als Hexe, weil sie so eine lange Nase hatte. Außerdem sammelte sie Kräuter und Beeren, stellte irgendwelche Zaubersäfte daraus her und soll auch schon dabei beobachtet worden sein, Gespräche mit Tieren geführt zu haben. Sie wohnte in einer kleinen Blockhütte unweit des großen Flusses. Die kleinen Fensterchen ihres Häuschens waren mit bunt leuchtenden Gardinen geschmückt und auf den schmalen Fensterbänken standen wunderschöne Blumen. Der Garten vor ihrer Hütte war schon einen Moment der Aufmerksamkeit wert, denn sie verbrachte jeden Tag ein paar Stunden damit, die Beete mit den verschiedensten Kräutern, Blumen und Gemüsearten in einem einwandfreien Zustand zu halten. An einer Leine, die an einem schattigen Plätzchen aufgespannt war, hingen in großen Zöpfen auf Fäden aufgereiht Pilze. Die hatte sie dort zum Trocknen aufgehängt, denn wenn durch diese langsame Trocknung den Pilzen die Feuchtigkeit entzogen wird, sind sie wesentlich länger haltbar und können dann auch in den Monaten wo ein Pilzwachstum gänzlich ausbleibt, den Geschmack der unterschiedlichsten Gerichte verfeinern. An einer anderen Leine hingen die verschiedensten Kräuterarten. Auch diese hatte sie hier zum Trocknen aufgehängt um in den Wintermonaten nicht auf ihr würziges Aroma verzichten zu müssen. Eines Tages um die Mittagszeit, die alte Dame machte gerade ein Nickerchen auf der Holzbank vor ihrer Haustüre, wurde sie plötzlich durch ein kicherndes Geräusch geweckt. Als sie die Augen aufschlug, sah sie vor sich einen Jungen und ein Mädchen stehen, von denen der Knabe vielleicht zwölf und das Mädel vielleicht zehn Jahre alt sein mochten. "Na, wer seid ihr denn und was führt euch zu mir?" fragte sie die beiden Kinder. "Ich heiße Frank und das ist meine Schwester Anna", antwortete der Junge. "Wir sind erst vor kurzer Zeit hier her gezogen und wollen uns heute mal den Rhein ansehen. Da wir ja jetzt Ferien haben, bleibt uns viel Zeit, die Gegend unserer neuen Heimat zu erforschen. Bei ihnen sind wir gelandet, weil uns so ein seltsamer Geruch hierher führte." "Ach der Duft von meinen Pilzen und Kräutern, die ich hier draußen zum Trocknen aufgereiht habe", sagte die Frau. "Ja, es riecht vielleicht ein wenig seltsam wenn der Trocknungsprozess einsetzt, aber da ich den Geschmack dieser Wald-, und Gartenkräuter das ganze Jahr über genießen möchte, muss ich diesen, für empfindliche Nasen üblen Geruch, nun mal in Kauf nehmen." An dem kleinen Tor das zum Garten führte, spielten zwei kleine Kätzchen im warmen Licht der Sonne. "Oh wie niedlich", sagte Anna und lief langsam auf sie zu um sie zu streicheln. "Das sind meine beiden Racker Peter und Paul. Ich habe sie vor einem halben Jahr in der Hecke dort am Wegesrand entdeckt. Bestimmt hat sie jemand dort ausgesetzt, denn ich kann mir sonst nicht erklären wie sie dort hingekommen sind. Aber ist ja auch egal. Ich habe sie nun aufgezogen und wie ihr seht, fühlen sie sich hier sehr wohl. Bin auch ganz froh darüber, dass mir die zwei über den Weg gelaufen sind. So hab ich jemanden dem ich meine Freuden und meine Sorgen mitteilen kann. Die Beiden hören auch meistens gut zu und was noch wichtig ist, sie geben keine Widerworte." Bei diesen Worten mussten die alte Dame und auch Anna und Frank lauthals lachen."Wohnen sie ganz alleine hier, haben sie keinen Mann?" wollte Anna wissen. "Sei doch nicht so neugierig", meckerte ihr Bruder. "Lass sie nur", sagte die alte Frau. "Nein einen Mann hatte ich nie. Ich habe bis vor zwanzig Jahren mit meiner Mutter hier gelebt. Sie wurde so wie auch ich, von den Kindern des Dorfes Kräuterhexe genannt. Das lag wohl daran, dass sie so eine große Nase hatte, um ihren Kopf immer ein schwarzes Tuch trug und je nach Jahreszeit, große Körbe voll mit Beeren, Pilzen oder Kräutern aus dem Wald schleppte. Dann war auch noch unser alter Kater Felix ständig bei ihr und saß manches Mal, wenn sie ein Nickerchen auf der alten Bank machte, auf ihrer Schulter. Von den Beeren und Kräutern bereitete sie die leckersten Marmeladen und Säfte zu, wusste aber auch um ihre Heilkräfte und so diente manches Kräutlein dazu Heilsalben oder auch Tees herzustellen. Die lange Hakennase habe ich von ihr geerbt, trage auch manchmal ein Kopftuch und das Sammeln von Beeren und Kräutern ist Tradition in unserer Familie. All diese Dinge erweckten bei den Kindern wohl den Eindruck, meine Mutter und auch ich seien Hexen. Aber mich kümmert`s nicht. Es sind halt Kinder die ihrer Phantasie freien Lauf lassen. Vor zwanzig Jahren ist die Mutter gestorben und hat mir dieses kleine Anwesen hinterlassen?" Findet ihr eigentlich auch, dass ich etwas Hexenartiges an mir habe?" Die Kinder schüttelten den Kopf und Anna sagte:" Es ist wunderschön hier bei ihnen und wir mögen es, wenn sie uns aus ihrem Leben erzählen." Frank nickte zustimmend und fragte sie dann: "Gehen sie auch manchmal zum Rhein und lassen sich dort den Wind um die Nase wehen? Unsere Mutter, die hier in der Nähe aufgewachsen ist, erzählt oft davon, dass sie in ihrer Jugendzeit mehrmals die Woche einige Stunden am Rheinufer verbrachte und der Wind ihr die schönsten Geschichten erzählt hätte. Sie war oft sehr traurig darüber, dass sie damals ihr Dorf verlassen hatte und so überraschte unser Vater sie vor ein paar Wochen damit, dass er in ihrer alten Heimat ein kleines Häuschen gekauft hätte und wir bald dort einziehen würden". Die alte Frau blickte zum Himmel und schmunzelte: "Ja der Wind, manchmal erzählt er von den Bildern die hinter dem Horizont liegen. Von großen Städten, vom wilden Meer und von Seen auf denen Segelboote fahren, in denen verliebte Pärchen dem Sonnenuntergang entgegen gleiten. Früher saß ich auch manchmal dort und lauschte seinen wundersamen Klängen aber heute ist die Zeit, die ich am Fluss verbringe mit Arbeit verbunden. Ganz ohne Geld überlebt man nicht und deshalb lege ich des Abends immer meine drei Reusen in den Fluss. Manchmal, wenn ich sie dann morgens hinausziehe, wimmelt es in ihnen vor lauter Fischen aber an manchen Tagen bleiben sie auch leer. Aber egal ob der Fang nun gut oder schlecht ausgefallen ist, die Fischer machen meistens das Wetter dafür verantwortlich oder erfinden irgendwelche anderen Geschichten die dann erklären sollen, warum der Fang entweder erfolgreich oder schlecht war. Ja, liebe Kinder so verdiene ich mir mit dem Verkauf von Fischen noch ein kleines Zubrot. Ich habe einen kleinen Kundenstamm, Leute aus den umliegenden Dörfern und auch ein paar Gasthäuser, die ich regelmäßig mit Fisch beliefere. Viele lieben auch meine Beerensäfte und Kräutertees und so habe ich schon mein finanzielles Auskommen." "Welche Fische fangen sie denn hier?" wollte Frank wissen. Ach weißt du mein Junge das ist unterschiedlich. Mal sind es Barsche, ein anderes Mal sind`s Aale und immer sind die Weißfische wie Brassen, Rotaugen und ne Menge anderer dieser Grätentiere dabei. Ich sag deshalb Grätentiere, weil die Weißfische voller Gräten stecken. Sie verderben so manchem Fischliebhaber den Appetit, denn man muss schon gut aufpassen, dass einem beim Verzehr keine davon in den Hals gerät." "Wir essen auch total gerne Fisch", sagte Anna. "Da wo wir früher gewohnt haben, gab`s einen Fischmarkt. Einmal in der Woche fuhr unsere Mutter dort hin und wir freuten uns schon immer auf die leckere Fischmahlzeit. Jetzt wo wir sie kennen gelernt haben, wissen wir ja, wo wir demnächst unsere Fische kaufen können." "Na dann habe ich ja schon wieder neue Kundschaft hinzugewonnen", sagte die alte Frau und lachte. "Ich habe auch einen Räucherofen, denn einige meiner Kunden lieben diesen zarten Rauchgeschmack. Morgen ist es wieder so weit, da werde ich mal wieder einige Portionen Barsche und Aale räuchern. Dort hinten an dem Holzschuppen steht er." "Der ist aber groß", stellte Frank fest. "Da können sie ja ne Menge Fisch auf einmal drin räuchern. "Na, können schon" sagte die Frau. Meistens sind es aber nur so viele, dass mal gerade die obere Reihe gefüllt ist." "In dem Schuppen haben sie bestimmt das Holz gelagert, das sie fürs Räuchern benötigen, stimmt`s?" fragte Anna. "Ja mein Kind. Der Schuppen ist vollgestopft mit trockenem Buchenholz und getrockneten Wacholderzweigen. So ein Wacholderzweiglein während des Räuchervorganges beigefügt, gibt den Fischen das gewisse Etwas", schmunzelte die alte Dame. "Dann kommt doch morgen so um die Mittagszeit, wenn eure Eltern es erlauben. Ich werde euch dann mal eine Kostprobe meiner Räucherkunst servieren." "Oh ja gerne", sagten die Beiden und bedankten sich für die freundliche Einladung. Es war schon spät geworden und das Abendbrot würde bald auf dem Tisch stehen, deshalb verabschiedeten sich die Kinder von dieser freundlichen Hexe. Morgen würden sie ihrer netten Einladung folgen und sie auch sonst bestimmt noch viele Male besuchen.
Als Frank und Anna am nächsten Morgen aufwachten, freuten sie sich schon auf den Räucherfisch den ihnen die alte Frau heute Mittag auftischen würde. "Mmh", machte Frank. Räucherfisch ist eine Delikatesse. Ich durfte, als ich mal mit Mutter auf dem Fischmarkt war, ein Stückchen Räucheraal kosten. Das war so lecker, dass ich am liebsten den ganzen Aal verspeist hätte." "Ich weiß", sagte Anna. Ich habe bei Oma auch schon einmal ein Stückchen Räucherfisch gegessen und mir hat es auch so gut geschmeckt." Plötzlich hörten sie ihre Mutter rufen: "Guten Morgen meine Lieben. Wascht euch und putzt eure Zähne. Das Frühstück wartet auf euch und ihr habt ja auch heute noch etwas vor." Die Beiden beeilten sich, denn sie hatten schon großen Appetit und die Mutter hatte bestimmt Brötchen geholt. Als sie dann alle zusammen gemütlich am Frühstückstisch saßen und es sich schmecken ließen, sagte die Mutter, dass sie diese alte Dame gerne einmal kennen lernen würde. Die Kinder sollten ihr ausrichten, dass sie in der nächsten Woche mal zu ihr kommen möchte. Nach dem Frühstück kümmerten Anna und Frank sich noch um den Abwasch, räumten ihr Zimmer noch ein wenig auf und machten sich dann auf den Weg zu der lieben Dorfhexe. Es war noch ein wenig Zeit bis zum Mittag und so beschlossen sie, sich noch ein bisschen ans Rheinufer zu setzen um sich die vorbeiziehenden Kähne anzusehen. Vielleicht würden sie ja auch das Lied des Windes vernehmen, das ja von Bildern erzählen sollte, die hinter dem Horizont liegen würden. Schon bald hatten sie das Rheinufer erreicht, gingen den kleinen Hügel, der mit Butter-, und Schlüsselblumen geschmückt in der Sonne leuchtete hinunter und ließen sich unten am Wasser nieder. "Heute ist gar kein Wind", stellte Anna fest. "Schade ich hätte doch so gerne sein Lied gehört." "Das kannst du immer noch Schwesterlein", lachte ihr Bruder. "Wir haben jetzt jederzeit die Möglichkeit den Rhein zu besuchen und wenn dann der Wind weht, wird er dir bestimmt das Lied von den Bildern hinter dem Horizont singen." Er musste heimlich schmunzeln, denn so ganz glauben konnte er diese Geschichte mit dem Wind, der von fernen Gegenden erzählt, nicht. "Ohne Wind ist es aber auch schön hier und sie mal, was man hier unten für tolle Steine findet." Er hob einen glänzenden Kieselstein auf, der sie Form eines Herzens hatte. "Hier, schenke ich dir, damit du nicht traurig bist." Anna strahlte. "Ist der aber schön. Den stecke ich mir in die Tasche und er soll mich immer begleiten. Das ist jetzt mein Glücksbringer. "Kleine Schwestern sind doch ziemlich schnell zu trösten", stellte Frank fest und richtete dann seinen Blick auf die schnaubenden Kähne die gegen die Strömung des Rheins ankämpfen mussten. Eine Weile saßen sie so da und beobachteten die Schiffe, bis Anna plötzlich fragte: " Riechst du auch diesen Rauch? Ob es der Räucherofen dieser Oma ist?" "Kann schon sein", antwortete Frank. "Sind ja nur ein paar Schritte bis zu ihr. Komm wir gehen los, vielleicht wartet sie schon auf uns." Nach ein paar Minuten hatten sie das Anwesen der alten Frau erreicht. Hier roch es diesmal wirklich gut, nicht nach diesen Pilzen und Kräutern, die während ihres Trocknungsprozesses doch ein unangenehmes Düftchen verbreiten. Der milde Duft des knisternden Buchenholzes setzte sich durch und erfüllte die Luft mit einem Appetitmachenden Geruch. An einem Gestänge, das vor dem alten Holzschuppen stand baumelten schon einige, noch dampfende Fische, die den Räuchervorgang schon hinter sich hatten. Oma Dorfhexe war gerade damit beschäftig, eine neue Ladung Barsche in den Ofen zu verfrachten, als sie unser Kommen bemerkte. Lachend begrüßte sie uns und sagte: " Schön, dass ihr gekommen seit. Ist zwar noch ein bisschen früh, aber ihr könnt mir ja noch ein wenig zuschauen." "Können wir ihnen nicht helfen?" fragte Frank. "Nein, dass muss ich schon alleine machen. Ihr würdet euch noch verbrennen, denn es ist gar nicht so einfach die Fische in den heißen Ofen zu befördern. Selbst ich als alte, erfahrene Räuchertante ziehe mir immer Verbrennungen zu. Das sind für heute sowieso die letzten die geräuchert werden. Sie müssen jetzt noch ein Stündchen im Ofen bleiben und währenddessen werde ich mich ein wenig zu euch setzen und ihr erzählt mir davon, was eure Eltern dazu gesagt haben, dass ihr heute zum Essen bei einer wildfremden Frau eingeladen seit, die von manchen Dorfbewohnern auch noch mit dem Namen Hexe betitelt wird." Sie lachte, denn sie wusste ja, dass die Leute es gar nicht so meinten, wenn sie sie Hexe nannten. Eines von den Kätzchen der alten Frau war auf die Bank gehüpft und machte es sich auf Annas Schoß bequem. "Wie zutraulich sie ist. Ihr Fell ist total kuschelig", freute Anna sich. "Ich möchte auch eine Katze haben." Frank unterbrach sie und sagte:" Also, wir sollen sie von unserer Mutter grüßen. Sie möchte sie kennen lernen und würde in der nächsten Woche gerne einmal zu ihnen kommen." "Ja schön", sagte die Omi." Ich freu mich." Die Sonne hatte mittlerweile ihren höchsten Punkt erreicht und die alte Frau schlug vor, dass die Kinder sich besser in die Stube setzen sollten, denn dort sei es kühler. Sie würde gleich nachkommen und ein paar Räucherdelikatessen servieren. "Aber wenn ich jetzt aufstehe, ist das Kätzchen bestimmt traurig. Es fühlt sich doch so wohl bei mir", meinte Anna. "Setz sie nur zu ihrem Bruder auf den Boden mein Kind. Der wartet nämlich schon auf sie." Anna hatte gar nicht bemerkt, dass die andere Katze schon eine ganze Weile unter dem Tisch saß und sehnsüchtig zu ihr hoch blickte. "Hallo kleines Tierchen", sagte sie. Möchtest du auch gerne gestreichelt werden oder möchtest du lieber mit deiner Schwester spielen? Fühlst dich wohl ein bisschen vernachlässigt, oder? Hier hast du deine Schwester zurück." Anna setzte das Kätzchen zu ihrem Bruder auf den Boden und musste lachen denn die beiden Racker, wie die Oma ihre Katzen nannte, wälzten sich sofort spielerisch im Sand und rasten dann quietschvergnügt auf dem Hof hin und her. "So nun aber ab in die gute Stube. Ihr habt doch bestimmt schon einen riesigen Appetit", schmunzelte die alte Frau. Sie ging vor und öffnete die Tür. "Das ist mein kleines Reich", sagte sie. Die Kinder staunten nicht schlecht als sie das Häuschen betraten. Wie eine Puppenstube war es hergerichtet. Wunderschöne alte Möbel mit den schönsten Schnitzereien zierten die Stube und an den Wänden hingen Landschaftsbilder, deren Motive die herrliche Landschaft des Niederrheins erkennen ließen. In der Ecke, neben einem der kleinen Fensterchen, stand ein reichlich verzierter, alter Kaminofen der bestimmt schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatte. Über dem Tisch hing an einer kupferfarbenen Kette eine korbartig geflochtene Lampe die, so erzählte uns das Dorfhexchen, ihre Oma noch hergestellt hatte. "So, nachdem ihr ja nun meine alte Stube begutachtet habt, nehmt mal hier am Tisch Platz." Sie stellte ein paar Teller auf den Tisch, legte Besteck dazu und verschwand dann für einige Zeit in der Küche. "Erinnert mich ein bisschen an Omas Wohnung", sagte Anna. Die alten Möbel und so, weißt du?" "Ja stimmt, aber hier ist es viel gemütlicher finde ich." Mittlerweile war die alte Dame zurückgekehrt, hatte ein Körbchen mit Brot auf den Tisch gestellt und sagte den Kindern, dass der letzte Räuchervorgang jetzt beendet wäre und sie die Fische aus dem Räucherofen nehmen müsse. "Wartet einen Moment, es wird nicht lange dauern." Währenddessen sahen die Kinder sich noch ein wenig in der Hütte um. Das Räumchen neben der guten Stube war die Küche. Sie war winzig klein. Über dem Kohleherd hingen an einem Brett die verschiedensten Kochutensilien so wie Schneebesen, Kochlöffel, Suppenkelle usw. von denen die Griffe alle mit Blumenmotiven bemalt waren. In der Ecke stand ein kleines Holzschränkchen dessen Vitrinenaufsatz wunderschönes und bestimmt auch uraltes Porzellan enthielt. Auf einem Regal das an der Wand befestigt war, befanden sich allerhand kleine Gefäße. "Da sind bestimmt Kräuter und Gewürze drin", flüsterte Anna. "Kann wohl sein", meinte Frank. Ein Geklapper an der Tür machte die Kinder auf die Rückkehr der Oma aufmerksam und schnell setzten sie sich wieder auf ihre Plätze. Den Eindruck erwecken, dass sie neugierig seien, wollten sie ja nicht. Omi hatte eine Art Schüssel in den Händen aus denen der Duft mild geräucherter Fische strömte. "So, jetzt werden wir uns mal über diese Köstlichkeiten hermachen", sagte sie lächelnd. Drei Aale und zwei Barsche habe ich mitgebracht. Habt ihr euch inzwischen ein wenig in meinem Häuschen umgesehen?" grinste sie. "In der Küche waren wir kurz!" stotterte Frank. "Na macht doch nichts mein Junge. Fühlt euch bei mir wie zu Hause. Greift zu, die Fische sind noch warm und dann schmecken sie besonders gut." Sie legte jedem ein Stück Aal auf den Teller und zeigte ihnen dann noch, wie man die Haut von diesem Fisch ablöst. "Die kann man nicht mitessen, sie ist zäh und bitter", sagte sie. "Nehmt euch ein Stück Brot dazu, dann ist er bekömmlicher. Geräucherter Aal ist nämlich sehr fett und ihr sollt euch ja nicht den Magen verderben." "Mmmmh ist das köstlich", kam es wie aus einem Munde. "Sind die Barsche auch so lecker?" "Schmecken etwas anders", sagte die Dorfhexe," aber sie sind auch ein Gaumenschmaus für jeden der gerne Fisch mag." Auf einmal rief sie:" Liebe Kinder, wir haben ja gar nichts zu trinken. Da muss ich aber mal schnell in die Küche und uns Gläser und Saft holen." Schon bald war sie mit drei Gläsern und einer Kanne zurück. "Jetzt kostet mal von meinem selbst gemachten Beerensaft. Er wird euch bestimmt schmecken. Ich habe ihn nach einem Rezept meiner Mutter hergestellt. Sie schenkte den Beiden von dem Saft ein und las in ihre Augen, dass er ihnen gut schmeckte. "Boaaah so einen leckeren Saft haben wir noch nie getrunken", sagten Frank und Anna. "Dürfen wir noch etwas haben?" "Na klar meine Lieben. Freue mich doch, dass es euch so gut schmeckt." Sie füllte die Gläser nach und setzte sich dann wieder auf ihren Platz. Jetzt wurden die geräucherten Barsche zerlegt. Sie nahm ein Messer und schnitt die Barsche an der Rückenseite, der Länge nach ein. Dann klappte sie die eine Seite um, so dass zwei Hälften entstanden. In der einen Hälfte befand sich noch das Rückgrat mit dem ganzen Grätenzeugs. Sie entfernte es gekonnt, legte jedem eine Barschhälfte auf den Teller und sagte:" Ich hoffe es sind keine Gräten mehr drin. Passt aber trotzdem auf." So verschwand eine Barschhälfte nach der anderen in den Bäuchen der drei Feinschmecker. "Erster", sagte Frank nach ein paar Minuten, denn er hatte seinen Teller leer gegessen. "Ich kann nicht mehr", flüsterte Anna ihm zu. Möchtest du den Rest noch haben?" "Ne Schwesterlein, in meinen Bauch passt nichts mehr rein!" "Lass nur", sagte die Gastgeberin. Ich schaff es auch nicht, alles aufzuessen. Die Reste geben wir den Katzen. Sollt mal sehn wie die sich darüber freuen werden. Die Hauptsache ist es hat euch geschmeckt und ihr seit satt geworden." Sie legte die Reste in ein Schälchen und stellte es vor die Tür. Die beiden Kätzchen, die träge in der Sonne lagen, bemerkten sie sofort und erkannten, dass sie ihr Futternäpfchen mitgebracht hatte. Geschwind kamen sie herbei und machten sich über die leckere Mahlzeit her. "Na das schmeckt euch was", lachte die Oma. "So liebe Kinder, ich lege mich jetzt ein Stündchen hin. Bin schon seit fünf Uhr auf den Beinen und die Müdigkeit überkommt mich so langsam. Wenn ihr möchtet, könnt ihr morgen dabei sein wenn ich die Fischreusen aus dem Rhein ziehe. Ist bestimmt interessant für euch und da ihr Ferien habt, könnt ihr ja früh aufstehen, denn um sechs Uhr geht es los." "Ja gerne", antwortete Frank. "Wir werden unsere Mutter bitten, dass sie uns zeitig weckt." Dann verabschiedeten sie sich und bedankten sich noch für das leckere Essen. Die liebe Omi nahm beide in den Arm, gab jedem ein Küsschen auf die Wange und sagte: "Ist das schön, zwei so nette Kinder kennen gelernt zu haben." Kommt gut heim. Ich freue mich schon auf morgen."
Fischfang mit Wollhandkrabbe
Frank wachte schon sehr früh auf. Es war noch stockfinster und der Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bis zum Aufstehen noch zwei Stunden Zeit waren. "Oh, so früh ist es noch. Na dann werde ich noch ein bisschen lesen." Er kramte ein Buch und eine Taschenlampe unterm Bett hervor und begab sich in die Welt der Piraten. Die Schatzinsel, war der Titel des Buches und es war so spannend, dass er es schon zum zweiten Mal las. Die Zeit schritt voran und irgendwann wurde er durch ein Klopfen an die Tür aus seinem Piratentraum geholt.
"Ihr müsst aufstehen Kinder. Es ist jetzt fünf Uhr. Das Frühstück ist gleich fertig." Anna hob, noch ganz schläfrig, den Kopf. "Fünf Minuten noch", sagte sie. "Ja, aber dann wird's Zeit. Ich geh mich schon mal waschen und putz mir die Zähne." Als Frank mit der Morgentoilette fertig war, stand Anna schon wartend vor der Tür. "Wie lange brauchst du denn?" "So lange bis ich fertig bin." sagte Frank lachend. "Ich geh schon mal in die Küche." "Warte aber auf mich. Ich bin auch gleich so weit, und dann können wir zusammen frühstücken." "Mach ich doch immer", entgegnete Frank und verschwand in der Küche.
"Heute gibt's mal keine Brötchen. Ich habe gestern Abend noch ein Brot gebacken und das schmeckt euch ja auch immer so gut." sagte die Mutter Mittlerweile war auch Anna eingetrudelt und so konnten sie mit dem Frühstücken beginnen. "Der Tag verspricht schön zu werden, da könnt ihr die Sachen die ihr gestern anhattet noch einmal anziehen, bevor ich sie in die Wäsche stecke. Heute seit ihr aber zum Mittagessen da, sonst bekomme ich euch ja kaum noch zu sehen. Bestellt der alten Dame schöne Grüße und sagt ihr, dass ich am Dienstag um fünfzehn Uhr bei ihr sein werde, wenn sie damit einverstanden ist." "Machen wir!" sagte Frank, trank seine Tasse Kakao leer und sagte, mit dem Rest seines Butterbrotes zwischen den Zähnen, zu Anna: "Komm wir müssen los. Es ist schon viertel vor sechs." Sie zogen sich die Schuhe an, gaben der Mutter einen Abschiedskuss und marschierten los. "Passt gut auf euch auf!" hörten sie sie noch hinterher rufen. "Da bin ich ja mal gespannt, welche Fische wir heute ans Tageslicht befördern werden", grinste Frank. "Vielleicht diese dicken schleimigen Aale, die sich dann um dein Handgelenk schlingen." "Hör auf, du willst mich nur ärgern!" lachte Anna. "Ich fasse die Fische sowieso nicht an. Das kannst du ja machen, wenn du darfst. Ich schätze mal, dass die Omi uns wieder nur zusehen lässt, weil sie Angst hat, dass uns etwas passieren könnte." "Kann sein", murmelte Frank und zeigte mit dem Finger auf das Haus des Dorfhexchens. Sie war gerade dabei Körbe auf einen Handwagen zu laden und bemerkte die Kinder erst, als diese sie mit einem lauten "Hallo" begrüßten. "Guten Morgen ihr zwei. Na, habt ihr euch den Schlaf schon aus den Augen gewaschen?" lachte sie. Ist doch ungewohnt für euch so früh aufzustehen, oder?" "Ach das macht uns nichts." sagte Frank. "Wenn uns so ein tolles Abenteuer bevorsteht stehen wir gerne früh auf." "So, dann müssen wir auch los. Wäre nett wenn einer von euch die Karre mit den Körben nehmen würde. Ich habe ein bisschen Rückenschmerzen. Bin ja nicht mehr die Jüngste." Frank schnappte sich die Karre und los ging es zum nahe liegenden Rheinufer. "Wozu brauchen sie denn drei Körbe?" wollte Anna wissen. "Ja weist du mein Kind, ich sortiere die Fische schon immer sofort nach dem Fang. Ein Korb ist für die Aale, einer für Barsche und in den anderen kommen die Weißfische und das andere Zeugs." Andere Zeugs?" "Ja, sind auch schon mal Flusskrebse oder Wollhandkrabben dabei." "Kenn ich nicht." sagte Anna. "Übrigens sollen wir ihnen von unserer Mutter ausrichten, dass sie gerne am Dienstag um fünfzehn Uhr zu ihnen kommen würde, wenn es ihnen auskommt." "Am Dienstag um fünfzehn Uhr?" Die alte Frau überlegte kurz und nickte. "Geht in Ordnung. Sagt ihr, dass ich mich darauf freue sie kennen zu lernen." "Ach ja und schöne Grüße sollen wir ihnen noch bestellen." "Vielen Dank! Bestellt schöne Grüße zurück." Sie hatten das Ufer des Rheins erreicht und die Oma führte sie zu einer kleinen Bucht. "Das hier ist eine meiner bevorzugten Fangplätze. Hier fischt unsere Familie schon seit ewigen Zeiten und meistens sind die Reusen voll wenn ich sie am Morgen hier rausziehe. Na ja, nicht immer ganz voll aber es lohnt sich. Mein Großvater hat damals einen kleinen Holzsteg gebaut, der ein paar Meter ins Wasser reicht. So haben wir die Möglichkeit, die Reusen auch mal ein bisschen weiter in den Rhein zu legen, denn die Fische halten sich ja nicht gerade immer am Ufer auf. Ihr könnt schon mal die Körbe auf den Steg stellen. Ich komme gleich nach." "Bin mal gespannt wie das mit dem einholen der Reusen funktioniert." sagte Frank. Die sind doch bestimmt ganz schön schwer wenn sie voll sind." "Werdet ihr gleich erfahren!" hörten sie hinter sich die Stimme der Omi. Sie hatte eine Stange in der Hand, an der ein Rädchen montiert war. Die steckte sie in eine am Steg befestigte Hülse, fischte mit einem Stock, den sie unter dem Steg hervorzauberte, im Wasser umher und zog nach einer Weile ein Seil zu sich hoch. Sie legte es auf das an der Stange befestigte Rad und zog und zog, bis endlich ein Drahtkorb an der Wasseroberfläche erschien. "Scheint nicht allzu viel drin zu sein. Geht ziemlich leicht hoch zu ziehen." Nach einem kräftigen "Hau ruck", landete die erste Reuse auf dem Steg. Sie begutachtete den Fang und stellte fest, dass ihr sieben Aale in die Reuse gegangen waren. "Drei gute dabei." sagte sie. Der Rest muss noch wachsen. "Sie schüttete den Inhalt in einen der Körbe, sortierte die vier kleinen Aale aus und setzte sie in die Fluten des Rheins zurück. "So, jetzt sind die anderen zwei an der Reihe. "So wie die erste, beförderte sie auch die zwei anderen Fischfallen auf den Steg. "Scheint ja ein bisschen mehr drin zu sein als in der Ersten." lachte sie", nahm den größten der Körbe und schüttete den Inhalt beider Reusen hinein.
"Pfui, wie das wimmelt." Anna schüttelte sich. "Stell dich nicht so an!" rief Frank. Essen tust du sie ja auch." Die Omi musste über die beiden Kinder lachen. "Ich erinnere mich, dass ich als mein Opa mich zum ersten Mal mit zum Fischfang nahm auch nicht gerade begeistert von den schleimigen Flussbewohnern war. Nachdem ich dann des Öfteren mit hier war, machte es mir immer weniger aus und irgendwann brachte er mir dann bei, wie man die Fische schuppt und ausnimmt. Natürlich ist es am Anfang ekelig, aber im Laufe der Zeit gewöhnt man sich dran." Sechzehn dicke Aale und zwölf Barsche sortierte sie aus dem großen Korb und nickte zufrieden mit dem Kopf. "Seht mal, hier ist eine von diesen Wollhandkrabben. Die Krabbe bekam diesen Namen, weil die männlichen Tiere einen dichten "Haarpelz" an den Scheren tragen. Ihr Rückenpanzer kann bis 7,5 cm lang werden und ihre Gesamtlänge soll bis zu dreißig cm betragen können. Auf jeder Körperseite sind vier Beine und wie ihr seht hat sie kräftige Scheren. Überwiegend ernährt sie sich von Wasserpflanzen, Insekten und Schnecken, aber auch kleine Fische fallen ihr manchmal zum Opfer. Ich habe mal in einem Buch darüber nachgelesen, sonst wüsste ich das auch nicht." Anna ekelte sich so sehr vor diesem Krabbentier, dass sie wegschaute. Die Oma bemerkte das natürlich und setzte die Krabbe mit den Fischen, die sie nicht verwerten konnte, zurück ins Wasser. Dann nahm sie das kleine Mädchen in den Arm und sagte: "Musst keine Angst haben. Ich hab sie wieder ins Wasser befördert. Außerdem hatte sie bestimmt mehr Angst vor dir, als du vor ihr." Anna beruhigte sich und schon bald näherte sie sich wieder den Fischkörben. "Nehmen wir die alle mit?" "Ja mein Kind, die nehmen wir alle mit. Die kleinen hab ich schon aussortiert. Die Reusen müssen wir auch mitnehmen, denn ich habe einige aufgerissene Stellen an ihnen entdeckt. Werd mal versuchen sie heute noch zu flicken, damit ich sie dann am Abend wieder auslegen kann." Während sie die Reusen zusammenschnürte, verfrachtete Frank schon einmal die Körbe auf den kleinen Handwagen. Für eine der Reusen war kein Platz mehr auf der Karre und so legte die Oma sie sich auf ihre Schulter. "Ist die nicht zu schwer?" fragte Anna. "Ach was, die besteht doch zum überwiegenden Teil aus Luftlöchern", schmunzelte Oma Dorfhexe. Als sie das kleine Anwesen der alten Dame erreicht hatte, wurden sie schon von den zwei Kätzchen empfangen. "Die freuen sich schon auf die Fischreste, die ich ihnen gleich, nach dem Ausnehmen serviere. Sind ganz verrückt danach." Anna schüttelte sich. "Wir müssen aber jetzt nach Hause. Unsere Mutter möchte, dass wir heute zum Mittagessen da sind." Da noch zwei Stunden Zeit bis zum Mittag waren, wusste die Omi schon um den Grund für AnnasVerhalten. Sie wollte wohl nicht dabei sein, wenn die Fische ausgenommen werden. "Ich stelle noch eben mit deinem Bruder die Körbe vor den Schuppen. Wasch dir schon mal die Hände und geh in die Stube." Anna nickte und nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte, standen auch Frank und Oma Dorfhexe schon an dem alten Brunnen um ihre Hände zu reinigen. Als sie dann zusammen am Tisch saßen und Oma ihnen von dem leckeren Beerensaft servierte, sagte Anna leise: "Ich möchte nicht dabei sein wenn sie die Fische ausnehmen. Da wird mir bestimmt schlecht." "Ist doch nicht schlimm mein Kind. Kann schon verstehen, dass ein kleines Mädel sich davor ekelt." Mir macht das nichts." sagte Frank. "Ich bleibe noch ein bisschen und sehe ihnen bei der Arbeit zu." "Na gut mein Junge, kannst mir dann später noch helfen die Reusen zu flicken." Anna trank ihr Glas leer, gab Omi und Frank noch ein Küsschen auf die Wange und ging dann, ziemlich schnellen Schrittes, nach Hause. "Dann wollen wir mal anfangen. Heute ist es zwar nicht ganz so heiß wie gestern, aber es wird trotzdem Zeit mit dem Ausnehmen, damit uns die Fische nicht verderben." Frank staunte, wie schnell der alten Dame diese ganze Geschichte von der Hand ging. Bäuche aufschneiden, Eingeweide raus, auswaschen. Dies alles dauerte vielleicht eine halbe Stunde. "Da guckste was. Wie schnell die Oma damit fertig ist. Aber wenn man eine Tätigkeit über viele Jahre macht, bekommt man immer mehr Routine und ist dann auch dementsprechend schnell damit fertig." Sie gab den Kätzchen noch ein wenig von den Innereien in ihren Futternapf, säuberte alles gründlich und setzte sich dann zu Frank auf die Bank. "Weißt du mein Junge, ich flicke die Reusen doch lieber erst heute Nachmittag. Mein Rücken schmerzt und ich werde mich jetzt ein wenig ins Bett legen. Geht halt alles nicht mehr so wie früher. Lauf du dann jetzt auch nach Hause und lass dir mit deiner Familie das Mittagessen gut schmecken." "Na gut!" sagte Frank. Dann will ich mal los. Wünsche ihnen gute Besserung." "Danke, wird schon wieder werden. Vielleicht, wenn ihr Lust habt, können wir ja in der nächste Woche mal in den Wald gehen. Ich benötige noch einige Kräuter." "Ja ich freu mich. Bei ihnen kann man so viele Sachen lernen. Das macht richtig Spaß. Auch Frank wurde beim Abschied wieder in den Arm genommen und bekam ein Küsschen auf die Wange. Die Oma hatte die beiden Kinder fest in ihr Herz geschlossen.
Ein Kätzchen für nur einen Tag
Auf dem Nachhauseweg, der ihn ein Stückchen durch den wohlriechenden Mischwald führte, aber auch eine kleine Strecke an den saftiggrünen Weiden, die weite Landstriche des Niederrheins schmückten, vorbeiging, leuchteten ihm die Blüten der verschiedensten Wald, - und Wiesenblumen entgegen. "Ist schon merkwürdig." dachte er. Die sind mir sonst gar nicht so aufgefallen. Ich werde mal ein kleines Sträußchen pflücken und es der Mutter mitbringen." Als er zu Hause ankam, konnte er schon am Geruch erkennen, was es heute zum Mittagessen geben würde, denn der würzige Duft von Reibekuchen war bis vor die Türe gedrungen. "Hallo Mutter, hallo Anna. Das Mittagessen habe ich schon draußen gerochen, es gibt Reibekuchen, stimmts?" "Ja, die mögt ihr doch so gerne und da hab ich mir gedacht, dass ich heute mal wieder welche mache." Ich bin etwas zu spät, aber sieh mal Mutter, ich habe dir ein kleines Blumensträußchen gepflückt." "Ach wie niedlich, und wie es leuchtet. Eine wunderschöne Farbzusammenstellung. Du hast einen guten Geschmack, mein Kleiner." Sie steckte die Blumen in die bunte Vase, die sie im letzten Jahr von Anna zum Geburtstag bekommen hatte, und stellte sie auf den Tisch. "So und jetzt können wir essen. Die ersten sind fertig und ihr habt bestimmt großen Hunger." Den hatten sie, denn im Nu waren die ersten Portionen in ihren Bäuchen verschwunden. "Du Anna", sagte Frank. Die Omi geht nächste Woche in den Wald um Kräuter zu sammeln. Sie hat gesagt wir könnten mitgehen, wenn wir wollten. Ich gehe auf jeden Fall mit, denn ich finde es total interessant, was man von ihr so alles lernen kann." Ich komm auch mit, aber zu den Fischreusen und dem ganze drum und dran kannst du demnächst alleine mitgehen. Ich finde das ekelig." Die Mutter musste lachen, denn Anna hatte ihr von ihrem morgendlichen Erlebnis erzählt. "Musst ja auch nicht überall dabei sein Anna. Das was dir nicht gefällt, lässt du eben aus. Ansonsten scheint es dir doch bei dieser Omi auch ganz gut zu gefallen, oder?" Ja, ist schön dort und die Kätzchen kennen mich jetzt auch schon. Ich glaube die eine mag mich ganz besonders, denn letztens ist sie zu mir auf die Bank gesprungen und hat sich auf meinen Schoß gelegt." Die Mutter schwieg und sah ein bisschen nachdenklich und traurig aus. Nach einem tiefen Seufzer sagte sie dann: "Ach wisst ihr Kinder, als ich so alt war wie ihr, kam eines Tages unsere Nachbarin zu Besuch. Meine Mutter hatte sie zu einer Tasse Kaffee eingeladen und die Beiden unterhielten sich über dieses und jenes. Irgendwann erzählte die Nachbarin, dass ihre Katze fünf Junge zur Welt gebracht hätte, und sie nun jeden Tag ein paar Minuten damit verbringen würde, den Kleinen beim Spielen zu zusehen. Ich wurde neugierig und fragte ob ich mal kommen dürfte um mir die Kätzchen anzusehen. "Na klar, ich geh sowieso jetzt, und wenn du möchtest, kannst du mitkommen. Ich blickte die Mutter fragend an. "Geh nur mit, aber sei zum Abendbrot wieder zurück." sagte sie lächelnd. Wir mussten nur auf die andere Straßenseite laufen um den kleinen Bauernhof der Nachbarn zu erreichen, und so hatte ich schon bald eines dieser kleinen Wollknäuel auf dem Arm. Es schnurrte ganz leise, was ein Zeichen dafür war, dass es sich wohl fühlte. Den anderen Kätzchen schenkte ich gar keine Beachtung mehr, sondern widmete mich nur diesem einen Tierchen. Bis auf die Pfötchen war es pechschwarz und das gefiel mir. "Das wäre doch der richtige Spielkamerad für dich", sagte die Nachbarin, die lächelnd hinter mir stand. "Ich schenk sie dir, aber du musst noch ein paar Wochen warten bis du sie mitnehmen kannst. Sie ist noch zu jung und wird noch von der Mutter gesäugt." Ich war total glücklich, lief sofort zu meiner Mutter und erzählte ihr davon. "Na dann hast du ja bald jemanden, um den du dich kümmern kannst, und wenn du das Kätzchen so fürsorglich behandelst wie deine Puppe, wird es dir wohl bald nicht mehr von der Seite weichen." Ja Mutter, ich werde immer ganz lieb zu ihm sein und mich gut um ihn kümmern." "Um ihn?" "Ja, ich habe mir gedacht ich nenne ihn Panter weil er, bis auf seine weißen Pfötchen, pechschwarz ist."
"Ich lief jetzt jeden Tag zum Bauernhof, um Panter zu besuchen. Er wurde immer zutraulicher und schon nach einigen Tagen lief er mir immer hinterher. Ich musste an Mutter denken, und an dass was sie zu mir gesagt hatte. Ich meine das mit dem, nicht mehr von der Seite weichen, wisst ihr? Dann kam der Tag, wo ich ihn mitnehmen durfte. Voller Stolz und Freude stellte ich Panter meiner Mutter vor. Sie nahm ihn sofort auf den Arm und meinte, dass er ein besonders schönes Tierchen sei. "Na dann zeige unserem neuen Familienmitglied doch mal sein neues Zuhause, und stell ihm ein wenig Wasser und etwas zu Fressen an seinen Platz." Sie setzte Panterchen auf den Boden und musste lachen, als er zu mir hoch sah als wenn er sagen wollte: "Nun geh schon los und zeig mir alles. Ich kenn mich doch hier überhaupt nicht aus." Zunächst einmal setzte ich ihn in sein Körbchen. Das hatte mein Vater aus einem alten Wäschekorb hergestellt. Er hatte die obere Hälfte abgetrennt, und den dadurch entstandenen stachligen Rand mit weichem Filz beklebt. Mutter hatte mir eine alte Decke gegeben, die Panterchen als weiche Schlafunterlage dienen sollte. Nachdem er sein neues Bettchen gründlich untersucht hatte, wollte er spielen. Er legte sich auf den Rücken und sah mich erwartungsvoll an. Immer wenn ich mit meiner Hand in die Nähe seines Bauches kam, sprang aus dem Korb hinaus, drehte eine Runde um den Tisch und legte sich dann wieder rücklings ins Körbchen. Das ging so eine ganze Weile, bis mein Vater zur Tür rein kam. Panterchen erschrak und rannte durch die offene Tür auf den Hof hinaus. Ich lief ihm nach, aber er war spurlos verschwunden. "Mach dir mal keine Sorgen mein Kind", sagte mein Vater. Er wird schon wiederkommen. Vielleicht ist er ja auch zu seiner Mutter und seinen Geschwistern gelaufen. Schau da doch mal nach." Schnell lief zu dem gegenüberliegenden Bauernhof, schaute mich in der Scheune um und fand aber nur Panters Geschwister und seine Mutter vor, die es sich im Heu gemütlich gemacht hatten und schliefen. Enttäuscht lief ich wieder hinaus und ging ein Stück die Straße hinunter um ihn vielleicht doch noch irgendwo zu entdecken. Plötzlich blieb ich stehen, denn mitten auf der Straße lag ein schwarzes kleines Wollknäuel. Tränen liefen mir übers Gesicht, denn ich wusste, dass dieses schwarze Tierchen das hier von einem Auto überrollt auf der Straße lag, mein Panterchen war. Zitternd hob ich ihn auf, ohne zu merken, dass die blutige Wunde an seinem Kopf mir meine Bluse versaute. Wäre mir auch egal gewesen. Auf einmal hörte ich meinen Vater rufen. "Hast du ihn gefunden?" Als er näher kam und sah was geschehen war, nahm er mich samt Panterchen auf den Arm und ging mit mir nach Hause. Unterwegs versuchte er immer wieder tröstende Worte zu finden, wusste aber, dass in solch einer Situation nicht zu helfen war. Als meine Mutter uns sah, liefen auch ihr die Tränen übers Gesicht. Sie sagte, dass ich bestimmt eines von den anderen Kätzchen bekommen würde und sie unsere Nachbarin gleich danach fragen würde. Ich schüttelte weinend den Kopf. "Nein ich will keine andere. Ich will gar nichts mehr. Das Abendbrot fiel an diesem Tage aus. Meine Mutter blieb, bis ich eingeschlafen war, bei mir am Bett sitzen, hielt meine Hand fest und sagte immer wieder: "Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus." Das war natürlich nicht so. Die Welt sah farblos aus. Ich hatte mich doch so gefreut, Panterchen jetzt ganz für mich allein haben zu dürfen, und nun war er tot. Meine Mutter und ich begruben ihn unter der alten Birke, die vor unserem Garten stand und stellten ein kleines Holzkreuz, das mein Vater am Vorabend noch angefertigt hatte, auf sein Grab."
Anna und Frank sahen, dass die Augen der Mutter ganz feucht geworden waren, weil sie in Erinnerung an das damalige Ereignis doch ziemlich traurig geworden war. Sie gingen zu ihr, nahmen sie in den Arm und Anna sagte: "Ich kann ja mal die Omi Dorfhexe fragen, ob sie dir eines von ihren Kätzchen schenkt." Jetzt musste die Mutter lachen. "Wie lieb von dir, aber ich habe euch doch und das ist mein schönstes Geschenk. Außerdem stell dir vor, wie traurig die Katzen der Oma wären, wenn sie getrennt würden." "Stimmt!" sagte Anna. Daran habe ich gar nicht gedacht.
Erste Erfahrung mit Kräutern
Der Dienstag kam, und da wollte Mutter ja die Omi Dorfhexe besuchen. Die Kinder hatten ihre neue Freundin auch schon vermisst, und so beschlossen sie, nach dem Frühstück, zu ihr zu gehen.
Das Wochenende hatten sie bei ihrer Großmutter verbracht, die in der zwanzig Kilometer entfernten Stadt wohnte.. Mit der Eisenbahn waren sie dort hingefahren und das zum ersten Mal ganz alleine. Am Samstag war die Großmutter mit ihnen in den Zoo gegangen und am Sonntag überraschte sie die Kinder mit einem gemeinsamen Kinobesuch.
Wenn ihr gleich zu der Omi Dorfhexe geht, erinnert sie bitte daran, dass ich heute um fünfzehn Uhr zu ihr komme, ja." sagte die Mutter. "Machen wir." antwortete Anna, nahm ihren Bruder an die Hand und so machten sie sich auf den Weg zur Omi Dorfhexe. "Hoffentlich geht es ihrem Rücken wieder besser." sagte Frank. Wenn nicht gehen wir lieber wieder, denn beim letzten Besuch hatte ich den Eindruck, dass sie sich nur wegen uns die Mühe mit dem Räuchern gemacht hat." Plötzlich hörten sie lautes Hundegebell und blickten in die Richtung aus der es zu kommen schien. Aus dem hohen Adlerfarn, das den Saum des vor ihnen liegenden Waldes schmückte, schoss ein Hase, der verfolgt von einem braunen Jagdhund, um sein Leben rannte. Er blieb jedoch Sieger, da der Hund schon nach kurzer Zeit aufgab, weil er wohl festgestellt hatte, dass er diesem hakenschlagenden Langohr im Wettlauf unterlegen war. "Der hat aber Glück gehabt!" sagte Anna, die auf einmal ganz blass geworden war. "Ja, war ganz schön knapp." sagte Frank und fügte dann noch lachend hinzu: "Du siehst aus als sei dir der Schreck noch tiefer in die Glieder gefahren als diesem Hasen. Dein Gesicht ist kreidebleich geworden." "Brauchst gar nicht so zu lachen. Mir tat das Häschen eben Leid." "Ist ja schon gut, Schwesterlein. Der Hase lebt und der Hund steht immer noch da am Waldesrand und ärgert sich darüber, dass ihm dieser leckere Hasenbraten entwischt ist und er sich wieder mit dem blöden Trockenfutter begnügen muss." "Kann schon sein aber jetzt komm, lass uns weitergehen." Als sie den Wald betraten, fiel Frank auf einmal ein, dass die alte Dame um diese Uhrzeit auch noch bei ihren Reusen sein könnte. "Sehn wir ja dann!" sagte Anna. "Wenn sie nicht zu Hause ist gehen wir eben zum Rhein."
Aber alles kam anders. Als sie eine Weile den Waldweg entlang geschlendert waren, sahen sie auf einmal eine Gestalt die, in gebückter Haltung, Pilze oder Kräuter zu schneiden schien. Neben ihr stand ein Korb und die Kinder wussten natürlich sofort, dass diese Person nur ihre Omi Dorfhexe sein konnte. Geschwind gingen sie zu ihr und begrüßten sie mit einer herzlichen Umarmung. "Das ist aber schön, euch wiederzusehen." lachte die alte Frau. "Da könnt ihr mir ja gleich den Korb nach Hause tragen." "Haben sie immer noch Rückenschmerzen?" wollte Frank wissen, und zog dabei ein Gesicht, als ob er derjenige wäre, der an diesen Schmerzen litt. "Ist schon viel besser geworden, mein Junge. Ein paar heiße Bäder, mit ein wenig Lavendelöl als Badezusatz, haben mich wieder so einigermaßen fit gemacht. Ab und zu zwickt es noch hier und da, aber ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste.
So, ich glaube, dass ich nun genügend Kräuter gesammelt habe und damit über den Herbst und den Winter komme. Wenn ihr möchtet, könnt ihr mir gleich beim Sortieren helfen und ich erkläre euch dann, was es mit den einzelnen Kräutern auf sich hat." Erfreut stimmten die Kinder zu, denn es war immer so spannend und interessant, was die Omi so alles wusste. Frank nahm den Korb und stellte fest, dass er wesentlich leichter war als einer dieser Körbe, in denen sie letzte Woche die Fische transportiert hatten. "Kräuter wiegen ja auch fast nichts." sagte er zu sich und folgte dann seiner Schwester und dem Dorfhexchen, die schon langsam vorgegangen waren. Zu Hause angekommen stellte er den Korb auf die alte Holzbank. Anna, deren Blick wohl auf der Suche nach den beiden Kätzchen war, diese aber nirgendwo zu sehen waren, setzte sich nach einer Weile auf einen großen Holzklotz, der auf der anderen Seite der Bank, vor dem Tisch stand. Oma Dorfhexe war in ihr Häuschen gegangen und kam jetzt mit drei Gläsern Brombeersaft wieder hinaus. "Ihr habt doch bestimmt Durst Kinder, stimmts?" "Oh ja, sagte Frank, und Anna fragte noch: "Ist das wieder der leckere Saft, den sie uns letztens gegeben haben?" "Ja, ich weiß doch, dass er euch so gut schmeckt. Eine Weile saßen sie noch plaudernd zusammen, und die Kinder erzählten der Omi Dorfhexe von ihrem Wochenenderlebnis bei der Großmutter. "Da habt ihr ja ein paar schöne Tage in der Stadt gehabt." So aber jetzt wollen wir uns mal an die Arbeit machen und die Kräuter sortieren. Die Sonne ragt noch nicht über die Baumwipfel des Waldes und da ist es noch angenehm hier draußen zu sitzen." Sie stellte noch drei kleine Körbchen auf den Tisch, wo die Kräuter nach sorgfältiger Begutachtung und Reinigung einsortiert werden sollten.
"Drei verschiedene Sorten von Kräutern habe ich geschnitten. Dieses hier, mit den blauen Blüten, ist das Leberblümchen. Ein lustiger Name, finde ich. Es kommt recht häufig vor und oft wachsen sie in solcher Vielzahl, dass manche Stellen des Waldes wie blaue Teppiche aussehen. Getrocknet und als Tee zubereitet, hilft es bei Leber, - und Gallenleiden. Sie legte es in eines der drei Körbchen und zeigte den Kindern jetzt eine Heilpflanze, die lange schmale Blätter hatte und aus deren unscheinbaren Blüten jeweils vier lange Fäden heraushingen. " Das ist der Spitzwegerich. Ich habe ihn da vorne am Waldesrand gefunden. Im Wald selbst, wächst er nicht, sondern an den Waldrändern oder auch auf Wiesen.. Wenn man seine Blätter zerquetscht und sie auf Wunden oder Ekzeme legt, heilen diese ziemlich schnell und als Tee zubereitet, hilft er bei Husten oder auch bei Blasen, - und Nierenleiden. Nach dieser Erklärung landete jetzt auch der Spitzwegerich in einem der drei Körbchen. "Was sie nicht alles wissen." sagte Anna. "Ach Kinder, ich habe euch doch erzählt, dass ich dies alles von meiner Mutter gelernt habe. Übrigens hab ich die Wirkung dieser Heilpflanzen schon oft am eigenen Leibe erfahren. Bei Erkältungskrankheiten, Magen und Darmverstimmungen oder auch, wie ich euch vorhin schon erzählt habe, Rückenschmerzen oder sonstigen Wehwehchen, haben mir schon so manches Mal die Heilkräfte dieser Kräuter geholfen. Wenn man allerdings richtig krank ist, ist es schon besser wenn man einen Arzt besucht, denn gegen alle Krankheiten helfen sie natürlich nicht." "Meine Mutter gibt uns, wenn wir erkältet sind auch immer Tee zu trinken und dann müssen wir immer warm eingepackt im Bett liegen und fangen kräftig an zu schwitzen." Die Omi lachte. "Das ist dann bestimmt Linden, - oder Holunderblütentee. Sind so alte aber wirksame Hausrezepte, die heute immer noch sehr beliebt sind." Übrigens" ,sagte Frank. Unsre Mutter kommt ja heute um fünfzehn Uhr. Da sollten wir sie noch mal dran erinnern." "Ich habe es nicht vergessen, mein Junge und einen Kuchen habe ich heute morgen auch schon gebacken. Den lassen wir uns dann heute Nachmittag alle zusammen schmecken.
So, nun zeige ich euch noch eine Pflanze , die ihr bestimmt kennt. Das hier ist die Pfefferminze. Seht her, sie hat Blätter die vorne ganz spitz zugehen und da wo die Blätter aus dem Stiel wachsen, bilden sich in den Monaten Juni bis August kleine violette Blüten. Das aus ihr gewonnene Minzöl, hilft bei Kopfschmerzen und der Tee aus den getrockneten Blättern hat schon so manchen, von Koliken oder Bauchkrämpfen geplagten Patienten, geholfen.
Wenn ihr gut aufgepasst habt, könnt ihr ja jetzt den Rest der Kräuter in die kleinen Körbchen sortieren. Ich muss noch mal ein heißes Lavendelbad nehmen, denn mein Rücken schmerzt nun doch wieder ein wenig. Vielleicht hätte ich mit dem Kräuterschneiden noch warten sollen bis er wieder ganz in Ordnung ist." Nehmen sie nur ihr Bad." sagte Anna und guckte ganz mitleidig. "Wir haben ja jetzt jeweils eines dieser Kräuter als Muster und da sehen wir ja wo sie einsortiert werden müssen."
Während die Omi nun ihr Bad nahm, sortierten die Kinder fleißig die Kräuter ein.
"Mir macht das richtig Spaß," sagte Frank zu seiner Schwester. Wenn die Mutter nachher kommt, zeigen wir ihr mal was wir heute alles gelernt haben." Vielleicht kennt sie die Kräuter ja auch." entgegnete Anna. Sie hat doch mal erzählt, dass sie früher Kamilleblüten und so gesammelt habe und ihre Mutter davon Tee gemacht hätte." "Kann schon sein." murmelte Frank.
Es dauerte gar nicht lange, da hatten sie auch das letzte Kräutlein in den Korb gelegt. Oma Dorfhexe, kam auch bald und war ganz erstaunt darüber, dass die Kinder schon fertig waren. "Na dann werde ich mal schauen, ob ihr auch alles richtig einsortiert habt." schmunzelte sie. "Prima", sagte sie nach einer Weile. "Habt ihr sehr gut gemacht. Seit mir eine große Hilfe. Ich finde es total schön, dass ihr ein solches Interesse zeigt. Hätte nie geglaubt, dass Kinder sich für solche Hexensachen interessieren, denn als ich Kind war, hat es mich ganz oft genervt, mit der Mutter in den Wald zu gehen um Kräuter, Beeren oder Pilze zu sammeln." Na ja, für euch ist das alles noch neu und mit der Zeit werdet ihr vielleicht das Interesse daran verlieren. Aber was man einmal gelernt hat, dass vergisst man nicht so schnell und irgendwann könnt ihr die Erfahrungen, die ihr bei mir gemacht habt vielleicht brauchen. Ich binde die Kräuter jetzt noch schnell zu kleinen Sträußchen zusammen und hänge sie dann zum Trocknen an ein schattiges Plätzchen. Danach können wir zusammen essen. Ich hab gestern Abend eine große Schüssel Kartoffelsalat gemacht, weil ich irgendwie geahnt hatte, dass ihr heute zu mir kommen würdet. "Oh lecker." freuten sich die Kinder. Den essen wir total gerne." "Nach dem Essen ruht die Omi sich dann noch ein bisschen aus, denn das tut meinem Rücken bestimmt gut. Ihr könnt dann ja draußen mit den Kätzchen spielen oder euch ein wenig an den Rhein setzen und die Schiffe beobachten. Wenn eure Mutter dann kommt, setzen wir uns alle in die Stube, denn draußen ist es mir dann zu warm.
Das Lied de Windes
Während Oma Dorfhexe ihr Mittagsschläfchen hielt, hatten sich Anna und Frank auf den Weg zum Rhein gemacht. "Lass uns zu dieser kleinen Bucht gehen, wo die Omi immer ihre Reusen auslegt. Da können wir uns auf den Holzsteg setzen." sagte Frank. Anna war einverstanden. "Heute haben wir auch ein bisschen Wind und wenn wir uns still verhalten, werden wir vielleicht sein Lied hören." "Ach Schwesterlein, ich glaub nicht an diesen Quatsch. Wie soll der Wind singen können? Er kann wohl pfeifen aber singen…..?" "Blödmann, die Mutter und Oma Dorfhexe lügen nicht. Du brauchst ja nicht hinhören, aber lass mich bloß zu Frieden und quassle mir nicht die ganze Zeit die Ohren voll." Frank musste lachen, drehte sich aber so, dass seine Schwester es nicht bemerkte. "Na ja, ich wünsch dir ja, dass er dir sein Lied singt, aber sei nicht enttäuscht wenn er es nicht tut. Er wird ja nicht ständig singen und vielleicht hat er bestimmte Zeiten zu denen er sein Liedchen vorträgt." Anna antwortete nicht. Sie war ärgerlich darüber, dass ihr Bruder ihr den Spaß verderben wollte, und so setzte sie sich, weit ab von ihm, an eine Stelle des Steges, wo sie glaubte dem Wind am Nächsten zu sein. Frank lief am Ufer entlang, stocherte mit einem Stock in den Kieselsteinen herum und wenn er ein besonders schönes Exemplar gefunden hatte, steckte er es in seine Hosentasche. Ab und zu drehte er sich um und hielt Ausschau nach seiner Schwester. Die saß dort wie mit dem Steg verwachsen und wartete darauf, dass der Wind ihr von fernen Ländern erzählen würde. Der schien jedoch eher Lust daran zu haben, ein paar dicke Wolken auf die Reise zu schicken, denn er nahm an Stärke zu und man sah auf der gegenüberliegenden Rheinseite wie sich dicke Wolken zu einer dunklen Wand auftürmten. Frank rief Anna zu: "Es gibt gleich Regen, lass uns schnell zur Omi gehen." Entweder hatte Anna ihn nicht verstanden, oder seine Worte einfach ignoriert. Sie blieb sitzen und drehte sich nicht einmal um. Erst als ihr Bruder den Steg betrat, blickte sie in seine Richtung. "Anna hast du nicht gehört was ich gesagt habe? Es wird gleich regnen und wir sollten lieber gehen." "Du kannst ja gehen, ich bleibe noch. Bin doch nicht aus Zucker wie ihr Jungs." Oh, ganz schön schnippisch heute das kleine Schwesterchen." lachte Frank. Aber du hast Recht. Ich bleibe auch. Kann ja sein, dass die Wolken gar nicht zu uns herüberkommen. Ich habe mal gehört, dass sie manchmal an einer Seite des Flusses hängen bleiben. Warum weiß ich zwar nicht, aber warten wir es mal ab." Und so kam es dann auch. Der Fluss ließ die Wolken nicht hinüber und nach einer Weile lösten sie sich auf. Die Sonne lachte wieder und die Temperatur stieg gewaltig an. Auch der Wind hatte der Sonne den Tag überlassen und war mit dem Fluss in Richtung Holland gezogen.
Anna war inzwischen aufgestanden und hatte den Steg verlassen. "Bestimmt weil kein Wind mehr da ist." schmunzelte Frank heimlich.
Das dreimalige Schlagen der Kirchturmuhr machte sie darauf aufmerksam, dass sie sich auf den Weg machen mussten. Den leckeren Kuchen wollten sie ja nicht verpassen und die Mutter würde bestimmt auch schon bei der Omi eingetroffen sein. "Komm!" sagte Frank zu seiner Schwester." Lass uns aufbrechen, sonst bekommen wir nichts mehr vom Kuchen ab." "Als ob die Beiden uns nichts übrig lassen würden. Meinst du die schaffen es den Kuchen ganz alleine aufzuessen?" "War doch nur ein Scherz. Was ist denn heute nur los mit dir? Kannst auch mal wieder ein bisschen netter zu deinem Bruder sein." "Aber nur wenn du auch nett zu mir bist und mir nicht immer den Spaß verdirbst." "Versprochen." sagte Frank, der sie eigentlich gerade fragen wollte, ob sie das Lied des Windes denn gehört hätte. Er ließ es, um des lieben Friedens Willen und nahm seine Schwester an die Hand. Außerdem, wenn es so gewesen wäre, hätte sie ihm bestimmt davon erzählt. Von weitem sahen sie schon das Fahrrad der Mutter in der Sonne blinken. "Siehst du?" sagte Anna. "Mutter ist schon da." "Aber bestimmt noch nicht lange." entgegnete Frank. Kann ja erst ein paar Minuten nach Drei sein."
Als sie den kleinen Hügel hinunter gingen, bemerkten sie, dass Omi Dorfhexe vor der Türe stand. Sie winkte ihnen zu und rief: "Eure Mutter ist schon da, meine Lieben. Beeilt euch, aber bevor ihr in die Stube kommt, wascht noch eure Hände."
Als die Kinder das Häuschen betraten, waren sie ganz erstaunt darüber, wie schön die Omi den Tisch gedeckt hatte. Ein dreiflammiger Kerzenleuchter zierte seine Mitte und von einer silbernen Platte leuchtete ein mit Kirschen belegter Kuchenboden. An jedem Platz standen Tellerchen und Tassen aus altem Porzellan, und das alte Silberbesteck war mit wunderschönen Verzierungen geschmückt.
Sieht das schön aus!" rief Anna. Auf dem Porzellan sind ja lauter Waldfrüchte aufgemalt und auf jedem Gedeck andere und ……." "Wollt ihr eigentlich eure Mutter nicht begrüßen?" unterbrach sie die Oma Dorfhexe. "Wir haben uns ja heute schon gesehen." sagte die Mutter lächelnd. "Anna mag so altes, bemaltes Porzellan total gerne, und wenn sie bei meiner Mutter zu Besuch ist, sitzt sie oft vor der Vitrine und bewundert das alte Kaffe Service, dass meine Mutter noch von ihren Eltern geerbt hat."
"Ich habe ja nur so alten Kram." sagte die Omi. "Ist auch noch vieles von meinen Eltern und einiges sogar noch von meinen Großeltern. Da ich ganz selten Besuch bekomme, freue ich mich immer, wenn ich es mal wieder benutzen kann. Mir gefällts nämlich auch."
Während die beiden sich so unterhielten, gingen die Kinder zur Mutter, gaben ihr ein Küsschen und nahmen dann am Tisch platz. Der Kuchen schmeckte allen ausgezeichnet und der Kakao, den die Oma für die Kinder gemacht hatte, war herrlich süß.
Lisa
Zwei Stückchen Kuchen waren übriggeblieben und die Kanne Kakao, die Oma Dorfhexe den Kindern hingestellt hatte war leer. Omi schmunzelte: "Scheint euch ja geschmeckt zu haben." "Boah, war das lecker." sagte Anna, und auch Frank und die Mutter fanden, dass alles wunderbar geschmeckt hätte. "Geht jetzt ein bisschen nach Draußen Kinder. Die Omi und ich möchten uns noch ein wenig unterhalten." "Wollten wir sowieso." sagte Frank, nahm seine Schwester an die Hand und ging mit ihr hinaus. Anna, die heute nicht gerade die beste Laune hatte wäre wohl lieber bei den Erwachsenen geblieben, denn sie maulte: "Möchte mal gerne wissen, was die Beiden zu bequatschen haben. Immer müssen wir raus, wenn die Großen sich unterhalten wollen." "Wird wohl nichts Schlimmes sein." entgegnete Frank. Die Mutter will bestimmt wissen, ob wir uns vernünftig benehmen wenn wir hier bei der Oma sind." Sie wollten sich gerade auf die alte Holzbank setzen, als Frank plötzlich aufschrie: "Anna, Anna, sieh mal da die Kuh, dort hinten am Garten ist sie." Anna guckte ganz verdutzt zum Garten rüber und bekam den Mund nicht mehr zu. Eine Kuh, die wohl von der nahegelegenen Weide ausgebrochen war, hatte ihren Kopf tief über Omas Gartenzaun gebeugt und ließ sich die saftigen Küchenkräuter schmecken. Anna und Frank liefen auf sie zu und wollten sie verscheuchen, hielten aber doch einen gewissen Abstand zu ihr, weil sie ja nicht wussten, wie dieses Hornvieh reagieren würde. Die Kuh jedoch ließ sich davon nicht beeindrucken und fraß in aller Ruhe weiter. Das laute Geschrei, dass die Kinder, bei ihren Vertreibungsversuchen von sich gegeben hatten, war wohl bis in Oma Dorfhexchens Häuschen gedrungen, denn sie sahen sie und die Mutter eilig Richtung Garten laufen. "Da ist die Lisa schon wieder ausgebrochen. Möchte mal gerne wissen wie sie es immer schafft, über den Weidezaun zu kommen." schimpfte die Omi. "Das ist in diesem Sommer schon das dritte Mal, dass sie sich über meine Kräuter her macht. Scheinen ihr wohl ausgezeichnet zu schmecken." Kaum hatte sie ausgesprochen, hörten sie schon von weitem jemanden rufen. "Lisa, Lisa." "Ach da kommt ja Bauer Friedhelm schon. Lisa gehört ihm, und er hat bestimmt schon geahnt wo er sie finden würde. Es ist ja gleich Melkzeit, und da wird er sie vermisst haben." "Liebe Frau Baltasar, da hat die Lisa es schon wieder auf ihre Kräuter abgesehen. Tut mir unendlich leid. Den Schaden werde ich ihnen natürlich ersetzen."
Zum ersten Mal hörten sie nun den Namen der Omi Dorfhexe. Baltasar hieß sie also. "So hieß doch auch einer der heiligen drei Könige." flüsterte Frank seiner Schwester zu. "Vielleicht ist die Omi ja mit ihm verwand." Anna steckte ihm die Zunge raus, und wandte sich von ihm ab.
Papperlapapp Bauer Friedhelm. Da gibts nichts zu ersetzen. Die Kräuter wachsen im Nu wieder nach. "Na dann bringe ich ihnen gleich nach dem Melken eine Kanne Milch vorbei." entgegnete der Bauer. Er hatte einen Strick mitgebracht und diesen der Lisa um die Hörner gebunden. Die war zunächst ein wenig störrisch, aber nachdem er sie ein bisschen gestreichelt und ihr etwas ins Ohr geflüstert hatte, trottete sie ihm ganz brav hinterher.
"So, jetzt habt ihr die Lisa mal kennengelernt." lachte Oma Dorfhexe. "War bestimmt nicht ihr letzter Besuch bei mir."
Die Mutter schaute auf die Uhr und sagte, dass sie jetzt nach Hause müsse. Sie würde mit dem Fahrrad schon mal vorfahren und Anna und Frank in einer Stunde zum Abendbrot erwarten. "Auf Wiedersehen Frau Baltasar. Kommen sie doch am nächsten Wochenende zu uns. Dann können wir mal in dem alten Fotoalbum blättern." Frank sah die Mutter fragend an. "In dem alten Fotoalbum?" "Ja mein Junge! Ihr wißt doch, dass ich hier in der Gegend aufgewachsen bin. Als ich mich vorhin mit der Frau Baltasar unterhalten habe, stellten wir fest, dass wir einen gemeinsamen Bekannten haben. Ein entfernter Verwandter von mir, ich glaube es war der Cousin meiner Mutter, ist mit der Frau Baltasar zur Schule gegangen. Ich habe ihr gesagt, dass ich noch ganz viele alte Fotos zu Hause habe und jetzt wollen wir demnächst mal nachsehen, ob ihr früherer Schulkamerad vielleicht auf irgendeines der Fotos zu entdecken ist. So jetzt muss ich aber los. Vater kommt gleich und da möchte ich das Abendbrot auf dem Tisch stehen haben. Auf Wiedersehen Frau Baltasar und danke für alles." "Schön das wir uns kennengelernt haben." sagte die Omi und winkte der Mutter noch lange hinterher.
Omis Hexenschule
Die Ferien neigten sich dem Ende zu, denn es war schon Mitte August. Langanhaltende Regenschauer, Stürme und Gewitter bestimmten das Wetter der letzten Tage und Anna und Frank waren während dieser Zeit meistens zu Hause geblieben, hatten gelesen, mit Legosteinen gespielt oder ab und zu auch mal in eines der neuen Schulbücher geschaut. Eine Woche hatten sie noch, bevor die Schule wieder begann.
Samstag war Oma Dorfhexe dagewesen, hatte mit Mutter und Vater alte Fotos angeschaut und später hatten sie sich noch alle gemeinsam ins Wohnzimmer gesetzt, ein bisschen geplaudert und ein Gläschen Wein getrunken. Die Kinder bekamen Apfelsaft und durften sich ausnahmsweise mal eine ganze Tafel Schokolade teilen. Sonst gab es meistens nur einen Riegel für jeden, denn zu viel Süßes, so sagte die Mutter, sei nicht gut für die Zähne.
Bevor es dunkel wurde, wollte Omi Dorfhexe wieder zu Hause sein, und die Kinder hatten ihr versprochen sie, noch bis zum Wald hin, zu begleiten.
"Dann kommt ihr aber sofort wieder zurück, denn es wird Zeit ins Bett zu gehen." hatte die Mutter ihnen noch nachgerufen. Bis zum Wald waren es vielleicht zehn Minuten Fußweg, und in spätestens einer halben Stund würden sie wieder zurück sein.
"Sagt mal Kinder, ich habe ja nun festgestellt, dass euch so Dinge wie Fischen, Räuchern und das Sammeln von Kräutern, die ja mein tägliches Geschäft sind, zu interessieren scheinen. Wie ich letztens schon sagte, bin ich ziemlich überrascht darüber aber ich hab mal darüber nachgedacht und bin da zu einem, für mich einleuchtendem, Ergebnis gekommen. Ihr habt ja die ganzen Jahre in der Stadt gelebt und sicher wenig oder gar nichts von dem Leben mit und in der Natur erfahren können. Vielleicht habt ihr mal in der Schule oder von euren Eltern davon gehört. Jetzt erlebt ihr es hier, in meiner Hexenschule ,hautnah und das ist etwas was euch neugierig nach immer mehr macht, stimmts?" "Anna und Frank sahen sich an und Frank sagte:" Die ersten großen Ferien hier, werden wir bestimmt nie vergessen. Das was sie uns alles beigebracht haben, hat uns total viel Spaß gemacht. Aber es gibt ja bestimmt noch ganz viele Sachen die wir noch nicht kennen und da sind wir natürlich neugierig drauf. Es ist hier bei ihnen viel abwechslungsreicher als in der Stadt und unsere Eltern sind froh darüber, dass wir, anstatt gelangweilt zu Hause rumzuhängen, bei ihnen in die Hexenschule gehen." Er hatte den Ausdruck Hexenschule von der Omi übernommen, und nun mussten sie alle drei laut lachen. "Ja, liebe Kinder, eine Hexe muss ja auch daran denken, dass sie manche ihrer Hexenkünste an vertraute Personen weitergibt. Sonst wären sie ja für die Nachwelt verloren.
So, aber jetzt Spaß bei Seite. Nach diesen langanhaltenden Regenschauern, werden die Pilze auf den Wiesen und in den Wäldern, jetzt neugierig ihre Köpfchen aus dem Boden stecken." Ich habe vor, wenn es morgen trocken ist, Pilze sammeln zu gehen und da habe ich mir so gedacht, dass meine neuen Freunde mich bestimmt gerne begleiten möchten um sich in ein neues Abenteuer zu begeben." Oh ja, dass möchten wir," sagte Anna. "Wir essen auch so gerne Pilze." "Na dann seit morgen um neun Uhr bei mir. Aber jetzt geht schnell nach Hause, die Eltern warten bestimmt schon."
Es gab wie immer ein Abschiedsküsschen, und ein paar Sekunden später, war Oma Dorfhexe in der Dunkelheit des Waldes verschwunden.
Ganz aufgeregt, in Erwartung auf den kommenden Tag, erzählten sie ihren Eltern von dem morgigen Vorhaben mit Oma Dorfhexe. "Da habt ihr ja morgen wieder ein neues Abenteuer mit der Oma vor euch." lachte der Vater und die Mutter sagte noch: "Wird ja auch langsam Zeit, dass ihr mal wieder an die Luft kommt. Die letzten Tage, hier in der Wohnung, waren ja wohl nicht so abenteuerlich. Aber jetzt ab ins Bett und vorher noch waschen und zähneputzen."
Die Mutter hatte ihnen am nächsten Morgen einen alten Weidekorb hingestellt, wünschte ihnen viel Spaß und Glück bei der Pilzsuche und gab ihnen, wie immer, viele Grüße an die Oma Dorfhexe mit auf den Weg.
"Hör doch mal auf damit, den Korb andauert herumzuschleudern." sagte Frank. Kaum hatte er es ausgesprochen, flog dieser im hohen Bogen durch Luft und landete, auf einer frisch gemähten Kuhweide, direkt vor den Beinen einer grasenden Kuh. "Siehste, das hast du nun davon. Jetzt sie mal zu wie du den Korb wieder zurück bekommst." Anna fing an zu weinen, denn sie hatte natürlich Angst davor, sich auf die Weide zu begeben. "Nun wein mal nicht gleich." sagte ihr Bruder und nahm sie tröstend in den Arm. "Ich habe es doch gar nicht so gemeint. Wir werden den Korb schon wiederbekommen. Pflück du etwas Gras und halte es der Kuh hin. Wenn sie dann kommt, krieche ich schnell unter den Zaun und hole ihn zurück." Es funktionierte und Anna, der ein Stein vom Herzen gefallen war, gab ihrem Bruder einen dicken Kuss. "Wenn ich dich nicht hätte." "Dann hättest du jemand anderen."lachte Frank.
Die Omi saß schon draußen auf der Bank und vor ihr, auf dem Tisch, dampfte eine heiße Tasse Kaffee. "Guten Morgen ihr zwei Hexenschüler." lachte sie. "Ich trinke noch eben meine Tasse Kaffee leer, und dann können wir uns auf den Weg machen. Möchtet ihr einen Kakao? Ich habe noch welchen in der Kanne. Geht in die Küche und holt ihn euch." Ich mach das schon ." sagte Anna, die schon ihre Hand an der Türklinke zu Oma Dorfhexes Häuschen hatte. Nach kurzer Zeit war sie mit zwei Tassen Kakao wieder zurück und setzte sich neben Omi auf die Bank. "Kennen sie eigentlich alle Pilzarten." fragte Frank. "Also mein Junge, alle wäre bestimmt ein bisschen übertrieben. Aber die meisten Arten, die hier in unserer Gegend vorkommen, kenne ich schon. Ich liebe ihren Geschmack und auch das Suchen, macht mir heute immer noch sehr viel Spaß. Pilze sammeln ist nicht schwierig. Man findet an vielen Stellen die verschiedensten Arten, aber weiß man auch welche zu den Speisepilzen zählen und welche ungenießbar, giftig oder sogar tödlich giftig sind? Das bedarf schon der langjährigen Schulung durch einen erfahrenen Lehrmeister. Solche Lehrmeister waren meine Vorfahren. Meine Großmutter hat es von ihrem Vater gelernt, meine Mutter wiederum von meiner Großmutter und ich habe diese Kunst dann wieder von meiner Mutter erfahren.
Wie ich sehe, habt ihr ja auch einen Korb mitgebracht." Sie langte mit einer Hand unter den Tisch und holte ihren Pilzkorb, den sie dort solange abgestellt hatte, hervor. "Das ist einer meiner Pilzkörbe. Der hier ist noch von meiner Großmutter. Ich musste ihn schon einige Male flicken, denn hier und da löst sich ab und zu ein Weideästchen. Aber das macht nichts, denn ich hänge nun mal sehr an ihm und da ist es mir die Mühe wert. So jetzt aber los! Wir müssen noch ein weites Stück laufen."



Eingereicht am 31. Juli 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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