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Dez
01
Manche Männer
© Karin Reddemann

Oliver liebte es, sich auszupacken. Ungefragt und lästig. Ungewollt von mir. "Ist der nicht schön?" Ich bat ihn streng, sein lausiges Ding wieder weg zu stecken, aber der Mann hing verbissen daran. Er küsste ungern, da war ihm zuviel Nikotin in mir. Aus dem Urlaub brachte ich Honig und Herpes mit, er war beleidigt, weil er beides nicht mochte. Ich behielt es für mich und arbeitete an Mike. Der küsste ständig, nass und weich. Ich paddelte in einem Meer, das mir nicht gehörte, und dachte an gekochten Tintenfisch. Er schmeckte nicht nach süßem Salz, wie ein Mann eben schmecken sollte, aber ich gab mir Mühe. Sah mir mit ihm gemeinsam finnische Filme an, die große Lust auf Selbstmord oder wenigstens Psychiatrie machen. Ertrug seine zwanzig Hände auf mir, schüttelte dann aber die Hälfte ab. Danach den Rest, gemeinsam mit Rilke, seinem besten Freund im Geiste. Um den tut's mir Leid, aber ich muss würgen, wenn ich an ihn denke.

Reinhard hatte eine Kletterwand im Schlafzimmer und turnte dort wie Spiderman, während ich gähnte. Er klebte mitten in der Nacht in seiner Unterhose irgendwo im Zimmer. Manchmal auch ohne, das war noch gruseliger. Er freute sich deibelig, wenn ich endlich wach wurde. Seine Chance. "Jetzt guck doch mal." Mein Hirn sah Jeff Goldblum in Fliegenfigur und weigerte sich, noch länger hinzustarren. Er kicherte beim letzten Mohikaner, das nahm ich ihm übel, weil Day-Lewis nicht zum Lachen ist. Ich beschloss, eher so was haben zu wollen wie Daniel und ließ Reinhard allein weiter krabbeln. Juanjo, der einen blöden Nachnamen hatte, aber fast so schön war, wie ich es für gut und richtig befand, enttäuschte mich sehr. Das appetitliche Halbblut, eine Kreuzung aus Heinz-Dieter Schimmelpfennig und Maria-Dolores Mentosa-Martez, hätte nicht sprechen lernen dürfen. Einmal gelernt, nie vergessen. Er gönnte sich keine Pause, voller Panik wohl, er könnte auf ewig verstummen, würde er länger als zehn Sekunden schweigen. Ich gewöhnte mir ein plumpes "Jaja" an, das in "Ach ja?!" gipfelte und kaute mir mental expressionistische Lyrik vor, während er den Sinn seiner Worte suchte und vielleicht auch irgendwo fand. Keine Ahnung. Ich ließ mich nicht entmutigen und entdeckte Alfonso. Der hatte einen gelben Ferrari und liebte es, den Frauen in Düsseldorf zu sagen: "Fick Dich selbst." So ungehobelt sprach er mit törichten Blondinen, die mal mitfahren wollten. Bin selbst eher dunkel und wirke clever, mir warf er nur vor, seinen Namen zu spanisch auszusprechen. Mehr traute er sich nicht. Italiener achten auf ihr weiches S, ich ignorierte das absichtlich, um den Süden in ihm zu wecken. Fing mir nur kalte Beute ein, egal. Zog dann direkt in den kühlen Norden und nahm mir was Großes mit roten Haaren und Sommersprossen auf einer Haut, die schon bei Herdwärme vor Schmerzen winselt. Mal was anderes. Jochen war klug und lächelte. Immer. Er lächelte wie ein kleiner Thai, der sein hochgezogenen Mundwinkel auch dann nicht verliert, wenn sein Hund überfahren wird. Es reizte mich, ihn kräftig zu schubsen oder ihm eine zu knallen, damit er keinen Grund mehr sieht, zu grinsen. Aber es bot sich keine vernünftige Gelegenheit, also kniff ich mich selbst vor Wut in den Oberschenkel, während wir im Restaurant saßen und lächelten und aßen und lächelten und tranken und lächelten. Noch schlimmer war seine Stimme. Er sprach wie mein Therapeut J.-H. Wellnitz, zu dem ich erst nicht gehen wollte, weil er keinen Doktortitel hat. Da steckt meist Faulheit hinter, meine ich. J.-H. strengt sich allerdings mächtig an, ich kann ihm nur leider nicht wirklich zuhören, weil er diese Stimme hat, die mich aggressiv macht. Würde ihm gern die Nase umdrehen, kurz mal fest vor das Schienbein treten, lasse es aber, sonst lande ich vielleicht woanders. Bei Jochen war ich weniger vorsichtig. Diese Art, wie er mit der Zunge so affig leise auf seinen Worten herumtänzelte, brachte mich dazu, sehr böse zu werden. Wir hockten bei schwerem Rotwein, den Aschenbecher hatte er mir wie immer nicht hingestellt, um mir lächelnd zu verraten, wie unartig er Raucher findet. Der Wein war gut schwer, deshalb sagte ich: "Wie Du sprichst, Jock, davon wird mir ganz übel. Und jetzt hol' den verdammten Ascher." Insgeheim waren wir in diesem Moment kein glückliches Paar mehr. Als er sich dann einen monströsen Sonnenbrand in Husum eingefangen hatte und ich mich weigerte, um vier Uhr morgens die Notapotheke aufzusuchen, war's endgültig vorbei. Sind nicht meine Gene, die verantwortlich für rote Haare und Sommersprossen sind. Ich beschloss, keinen empfindlichen Nachwuchs mit ihm haben zu wollen, und wurde wieder dunkler. Sergio war schwer behaart und wollte gekrault werden wie der hinterhältige Köter von Emma und Josef Krause, die bei uns um die Ecke wohnen. Kurz gestreichelt, Blick riskiert, zugeschnappt. Wirklich bellen konnte er nicht, er kläffte sich nur heiser. Ich nahm ihm das Halsband ab und schenkte ihm die Freiheit. Jetzt jagt er junge Hunde.

Ilhan war auch einer. Ein junger Hund, prinzipiell männlich, der mir sein wahres Alter verschwieg. Ein Welpe mit Starallüren. Kam natürlich rasch dahinter, Frauen riechen dumme Lügen. Schickte ihn umgehend in sein Körbchen zurück, zumal er eh die Veranlagung hatte, dick zu werden. Außerdem war er zu klein und reizte mich, ihm auf den Kopf zu spucken. Er traf sich gern mit seinen Jungs, um sich laut und trunken in die Türkei zu träumen. Gerücht, dass die nicht saufen. Konzentrierte mich wieder auf was Helles, wollte in blaue Augen sehen. Traf Paul, der von Simone sprach. Zu oft. Zu immernochverliebt. Zu blöd. Aß trotzdem mit ihm Tofu und trank seinen grünen Tee, mochte beides nicht, wollte ihn aber patzig gern haben. Er liebte politisches Kabarett schwersten Kalibers, da hörte ich hin wie ein Zweitklässler, dem Einstein Wiegelieder vorsingt. Meine Lider versagten. Meine Toleranz wohl auch. Tauschte ihn umgehend um und aus gegen Marcel, diesmal kein Akademiker, sondern erfrischend heiter als Koch. Servierte mir Paella, die ich beschwingt lobte, bis ich die Plastiktüte in der Mülltonne fand. Tiefkühlkost. Erklärte ihn für leicht verlogen, war fortan auch misstrauisch seiner Schlammbowle gegenüber, drückte aber noch mal ein Auge zu, weil er komisch war. Nur nicht im Bett. Er kam mir irgendwie kastriert vor, das beunruhigte mich. Mein skurriler Koch schob's auf den Wodka, den er sich gönnte nach seinen fragwürdigen Bratereien und Bruzzeleien in Heinos Leckerstübchen. Wurde skeptisch, dann auch sauer, weil er meinen Hund vom Sofa jagte. Alte Gewohnheiten soll man nicht brutal zerstören, zumal, wenn die Angebetete eh' schon nörgelt. Verließ ihn endgültig, nachdem er mir Geld geklaut hatte, um seine Eltern irgendwo in Sachsen zu besuchen. Ausgerechnet. Schwor mir, den Osten zu meiden, lernte dann aber Richie kennen. Irgendwie ging es mit mir bergab. Richie war tätowiert und langhaarig, einer von der Sorte, die Mama nicht mag. Ich wollte aber trotzig und lebensnah sein, gehörte schließlich nicht zu den Zicken, die von Kant sprechen, wenn sie Gucci meinen. Richie trank warmes Bier und schwor mir, nicht auf Männer zu stehen, aber er guckte. Guckte nach Kerlen wie Sergio und Juanjo und Alfonso, bei denen ich kurzfristig wegsah, hatte ja meine Erfahrungen. Ließ alles Östliche endgültig ruhen und liebte fortan Jimmy. Der hieß eigentlich Walter und war ansatzweise braun. Psychologe. Ich bewegte mich wieder auf sicherem Pflaster. Er wollte mit mir die unerträgliche Leichtigkeit des Seins genießen, das gefiel mir. Bis er mich immer wieder so küsste, wie ich es nicht mag. Und quasselte, wie ich es auch nicht mag. Näselnd. Als würde er die Worte riechen. Er lachte wie ein Affe, den man am Popo kratzt. Und sein Hintern gefiel mir auch nicht. Also suchte ich mir einen guten. Markus. Der war entsetzt, als mein Hund ihn von hinten nehmen wollte, aber Rüden versuchen so was, wenn sie nackte Ärsche sehen. Markus spielte exzessiv Squash, das ist dieser Sport, der mich nach fünf Minuten tötet und generell ausgesprochen unattraktiv macht. Um weiterhin schön und lebendig zu bleiben, strengte ich mich für Johannes an. Zu lieb. Ich fand Gregorio. Zu hübsch. Zu doof. Ich versuchte mich an Gerd. Lieber kein Kommentar. Jetzt sitze ich hier mit Thorsten, bewundere seine Baseball-Kappen-Sammlung und höre zu, wie er die Dialoge aus "Krieg der Sterne" mitspricht. Ich trinke französischen Weißwein, habe wieder keinen Aschenbecher und esse Käse mit Pfefferkörnern, die ich nicht mag. Und irgendwie hoffe ich immer noch.

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