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Caspar

©  Guny Tannhäuser


Wenn der Weg das Ziel ist, bewegt er am meisten in dieser Stadt - wiewohl er weltweit verehrt wird. Der älteste schwarze Kölner kommt erst lange nach seinem Tod zu seiner Ehrenbürgerschaft. Seine Gebeine gelangen 1164 Jahre nach seinem großen Auftritt an der Krippe in die Stadt. Damit endet seine Reise noch lange nicht. Sie geht bis heute weiter. Und inzwischen bewegt er als Sternsänger Millionen.
Caspar ist zu mehr als einem Drittel am Knochenerlös der Heiligen Drei Könige beteiligt. Neben ihm verblassen auch die körperlich kleineren Melchior und Balthasar zu farblosen Gestalten. Caspar ist Jüngling neben Mann und Greis. Die bringen nur Gold und Weihrauch als Geburtspräsente für das Jesus-Kind. Er hingegen schenkt Myrrhe in Nazareth. Myrrhe ist Harz aus Bäumen Nordafrikas, Medizin, Räuchermittel und als Mundwasser gut gegen Paradonthose.
Diese Weitsicht zeichnet ihn aus, ebenso wie die Tatsache, dass er Afrika als Kontinent repräsentiert. Eine Krone des Kölner Stadtwappens gehört ihm. Und als Legende erregt er in allen Zeiten die Phantasie weit mehr, als seine königlichen Kollegen aus Europa und Asien.
Nach allem, was bisher über Caspars Erfolgsgeschichte bekannt ist, handelt es sich um einen beispiellosen Coup, mit dem Köln die Nase vorn hatte. Aber der Reihe nach...
Im neuen Testament verliert sich bereits seine Spur. Lediglich der Evangelist Matthäus erwähnt spektakulären Besuch an der Krippe. Ohne jeden Hinweis auf Herkunft, Alter oder Namen. Er beschreibt sie als Magier, Weise, Reisende, die den Stern im Morgenland sehen und ihm folgen. Im Gepäck die
Geschenke: Gold, Weihrauch, Myrrhe. Für Kirchenväter wie Augustinus ist damit belegt, dass es sich um Könige handeln muss.
Im 8. Jahrhundert erhält Caspar in Alexandria von einem Mönch seinen Namen.
Der stammt zwar aus dem Persischen und bedeutet Schatzmeister (woraus in Köln später geschlossen wird, dass er das Gold gebracht haben und Vorbild des Kasperle aus dem gleichnamigen Theater gewesen sein muss).
An der für Köln maßgeblichen Geschichte strickt der Mönch Johannes 1370 mit seiner Schrift: Die Legende von den Heiligen Drei Königen. Er bringt Licht ins Dunkel um Knochen und Schädel von Caspar, die da schon 216 Jahre in Köln liegen. Johannes weiß, wer Caspar ist:
Der König von Tharsis und der Insel Egrisoulla, der dem Herrn die Myrrhe schenkte, ist der Größte unter ihnen; er ist ein schwarzer Äthiopier, daran ist kein Zweifel. So sagt auch der Prophet: Seemächte sollen sich vor Ihm erniedrigen und seine Feinde Staub auflecken.
Der Text - mit dem Ziel der Spendenwerbung - verfolgt die Spur der drei heidnischen Regenten. Nach ihrer Visite bei Maria, Joseph und Jesus begegnen sie dem Apostel Thomas, der sie tauft. Alle drei Könige werden noch Priester und Bischöfe. Das Trio stirbt schließlich in kurzer Folge - Caspar wird stolze 109 Jahre alt - und gemeinsam finden sie eine erste gemeinsame Ruhestätte.
Schon bald aber werden die Könige getrennt. Königin Helena (Mutter von Kaiser Konstantin) führt sie mit viel Mühe in Byzanz wieder zusammen. Für Caspars Gebeine muss sie sogar die des Heiligen Thomas eintauschen.
Sensationeller Weise tauchen die Särge 1158 in Mailand auf. Kurz danach erobert von Kaiser Friedrich Barbarossa. Der schenkte sie samt Inhalt seinem Kölner Erzkanzler und -bischof Rainald.
Stolz trägt Rainald sie am 23. Juli 1164 durch die später nach ihm benannte Straße und die Dreikönigspforte ins Zentrum der Stadt und erst mal in die Peterskirche. Von dort ziehen sie schnell in den Alten Dom um. So kommt Caspar nach Köln. Und dem frommen Volk erzählt Johannes, dass es deshalb geschieht, weil die Kölnerinnen und Kölner die Frömmsten der deutschen Städte seien.
Und weil der zu behütende Schatz so bedeutend ist, legen die Kölner Kirchenfürsten 1248 den Grundstein zu einem unerhörten Werk. Dem Bau einer französischen Königskathedrale (die zentrale Geldmaschine der Stadt). Die besten Goldschmiedekünstler von Rhein und Maas bekommen den Auftrag für den bis heute intakten, videoüberwachten Dreikönigsgoldschrein (unverkäuflich, da un-schätzbar). 200 weitere Jahre muss Caspar allerdings darin ruhen, bis er sein erstes und in Köln nach wie vor wichtigstes Porträt erhält. Für Dombildner Stephan existieren nur weiße Könige. Nach wie vor verleugnet seine Darstellung bis heute jährlich für 6 Millionen Touristen die wahre Herkunft Caspars.
Noch einmal 100 Jahre muss Caspar in der Dom-Baustelle in der Nähe eines Bildes liegen, das ihm nicht entspricht. War seine afrikanische Herkunft doch längst unumstritten. In der Bildenden Kunst wird Caspar ein Schwarzer, als die Spanier die Mauren aus Europa prügeln. Und ab dem 15. Jahrhundert porträtieren ihn die größten Maler ihrer Zeit als kontinentalen Repräsentanten. Hyronimus, Albrecht, Hans der Ältere, Peter Paul und ihre Kollegen bringen ihn in voller Pracht zur Geltung. Prunkvolle Gewänder, edles Geschmeide und eine stolze Körpersprache, von dominanter Präsenz. Die dargebrachte Monstranz enthält zweifelsfrei die geweihte Myrrhe. Nie zuvor und auch nicht zu späteren Zeiten steht Caspar so in der Blüte frischgetauchter Farbe. In den bedeutenden Museen findet sich Caspar als allgegenwärtiger Blickfang: Der erste bedeutende Afrikaner in der mitteleuropäischen Kunstgeschichte. Auch Mauritius, der Anführer der kompletten Thebäischen Legionen hält da nicht mit.
Mit seiner ständig wachsenden Popularität beim frommen Volk, kommt Caspar auch bei Krippen-Spielen und dem Dreikönigs-Singen zu eingefärbter Haut. Die armen Kinder und Jugendlichen von Köln gehen beim Stern-Singen, an- geleitet von ihren nicht weniger ärmlich aussehenden Schulleitern, auf Spendenjagd.
Als sie zunehmend Konkurrenz von anderen verelendeten Gruppen erhalten, regen sich Beschwerden gegen den Heischegang. Der Brauch verschwindet in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. In den Fünfzigern ruft ihn das Päpstliche Missionswerk der Kinder in Deutschland wieder ins Leben. Organisiert gesammelt wird jetzt für die so genannte Dritte Welt. Der Caspar-Darsteller bekommt ein Schuhcreme-Schwarz ins Gesicht geschminkt.
Er sorgt als Mohr für die lustigen Einlagen. Tausende kleine Caspers singen und sammeln so jährlich im katholischen Deutschland. Allein in der Diözese Köln (der reichsten katholische außerhalb Roms) bringen sie es jeden Januar auf mehrere Millionen Euro.
Caspar schenkt Köln mehr Reichtum als jeder andere Ehrenbürger oder Regent der Stadt. Ohne ihn hätte es weder Dom noch Goldschrein gegeben, weder
Pilger- noch Touristenstrom, noch das ganze Geld, was sie ausgeben.
Der Äthiopier ist und bleibt eine Garantie für Wohlstand im Schatten des Doms.



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